VwGH 2012/15/0085

VwGH2012/15/008528.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des JS in K, vertreten durch die Wirtschaftstreuhand Tirol Steuerberatungs GmbH & Co KG in 6020 Innsbruck, Rennweg 18, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 17. August 2007, Zl. RV/0359-I/05, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2002, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art139 Abs6;
B-VG Art139 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt einen Gasthof, dessen Gewinn er bis zum Jahr 2001 unstrittig gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelte. Anlässlich der Einreichung der Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2002 gab der Beschwerdeführer dem Finanzamt den Wechsel der Gewinnermittlungsart von § 4 Abs. 1 auf § 4 Abs. 3 EStG 1988 bekannt. Er erklärte einen Übergangsverlust und berechnete seinen im Jahr 2002 erzielten Gewinn unter Zugrundelegung der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 227/1999 in der seinerzeit geltenden Fassung.

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Umsatz- und Einkommensteuer 2002 im Instanzenzug fest. Sie erfasste dabei den Gewinn nach den Grundsätzen des § 4 Abs. 1 EStG 1988 und begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer auch im Streitjahr 2002 noch freiwillig Bücher geführt habe und tatsächlich kein Übergang zur Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erfolgt sei. Dies stünde der Anwendung der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 227/1999 (in der für das Streitjahr geltenden Fassung), entgegen. Der Umsatzsteuerfestsetzung wurden Vorsteuern in der tatsächlich angefallenen Höhe zu Grunde gelegt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Darin erachtet er sich in seinem Recht auf Anwendung der Pauschalierungsverordnung für das Gaststättengewerbe verletzt.

Auch aus Anlass dieser Beschwerde stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. September 2011, A 2011/0003 bis 0006, gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, u.a. die für das Streitjahr geltenden Bestimmungen der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 14. März 2012, V 113/11-14, sprach der Verfassungsgerichtshof aus:

"I. In der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufzeichnungspflicht bei Lieferungen von Lebensmitteln und Getränken sowie über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes und der Vorsteuerbeträge der nichtbuchführenden Inhaber von Betrieben des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes (Gaststättenpauschalierungs-Verordnung) werden als gesetzwidrig aufgehoben:

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Art. 139 Abs. 6 B-VG lautet auszugsweise:

"Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden (…), so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist die Verordnung auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden."

Mit dem Erkenntnis vom 14. März 2012, V 113/11-14, hat der Verfassungsgerichtshof die Gaststättenpauschalierungs-Verordnung u. a. in der für das Veranlagungsjahr 2002 maßgebenden Fassung als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Beschwerdefall stellt einen Anlassfall iSd Art. 139 Abs. 6 B-VG dar.

Gemäß Art. 139 Abs. 6 B-VG ist hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig aufgehobene Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalts nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. April 2011, 2010/15/0182).

Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer nicht in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht auf Anwendung der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung verletzt ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 28. Juni 2012

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