VwGH 2012/11/0046

VwGH2012/11/004620.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der H Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Heitzmann GmbH in 6010 Innsbruck, Müllerstraße 3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 1. Juni 2007, Zl. Vf-D-395-024/33, betreffend Bedarfsprüfung nach dem Tiroler Krankenanstaltengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

KAG Tir 1957 §3;
KAG Tir 1957 §3a Abs2 lita;
KAG Tir 1957 §3;
KAG Tir 1957 §3a Abs2 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 8. Februar 2006, geändert mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2006, ersuchte die Beschwerdeführerin gemäß den §§ 3 und 3a Tiroler Krankenanstaltengesetz um Erteilung der Errichtungsbewilligung für die "Private Krankenanstalt Gesundheitszentrum im Hotel X" am Standort L., umfassend ein Ambulatorium für die Teilbereiche Allgemeinmedizin und physikalische Therapie. Gleichzeitig beantragte sie, zunächst gesondert über das Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzung des Bedarfs zu entscheiden.

Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin aus, sie führe im Rahmen ihres Hotelbetriebes ein gehobenes Vier-Sterne-Haus mit Hauben-Naturküche und einen über 1.200 m2 großen Vitalbereich. Dieses Leistungsangebot solle nun durch die Errichtung einer privaten Krankenanstalt ergänzt werden, wobei die Feststellung, Untersuchung und Behandlung von ernährungsbedingten Zivilisationskrankheiten und lebensbedingten (seelischen) Krankheitsbildern in Aussicht genommen werde. Das Leistungsangebot

solle vornehmlich den hauseigenen Gästen, die fast ausschließlich aus Deutschland und der Schweiz stammten (ca. 50.000 Nächtigungen pro Jahr), zugute kommen. Daher sei keine Inanspruchnahme von Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung in Österreich zu erwarten.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß §§ 3, 3a Abs. 2 lit. a iVm § 3a Abs. 7 Tiroler Krankenanstaltengesetz - Tir. KAG, LGBl. Nr. 5/1958 idF LGBl. Nr. 75/2006, fest, dass ein Bedarf für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für Allgemeinmedizin und physikalische Therapie am Standort L. nicht vorliege.

In der Begründung gab sie zusammengefasst den Antrag der Beschwerdeführerin sowie die dazu ergangenen Stellungnahmen der Ärztekammer für Tirol, der Tiroler Gebietskrankenkasse und der Wirtschafkammer Tirol wieder. Die medizinische Amtssachverständige habe in ihrem Gutachten zunächst den geplanten Leistungskatalog der Beschwerdeführerin erläutert und danach die bereits vorhandenen Arztpraxen mit Kassenverträgen und die privaten Krankenanstalten in S, I-L und I-S dargestellt, in denen grundsätzlich der Großteil der von der Beschwerdeführerin geplanten Leistungen erbracht würde. Hinsichtlich der dort auftretenden Wartezeiten habe die Sachverständige ausgeführt, dass für Leistungen aus dem Bereich der Physiotherapie und Sportwissenschaft in den Wintermonaten mit Wartezeiten von zwei bis drei Wochen zu rechnen sei. Hinsichtlich der Leistungen aus dem Bereich Allgemeinmedizin und Sportmedizin seien für akute Fälle bei den allgemeinen öffentlichen Krankenhäusern keine Wartezeiten zu verzeichnen, für die sekundär präventive bzw. rehabilitative Erbringung dieser Leistungen seien nach Ansicht der Sachverständigen Wartezeiten bis zu drei Wochen jedenfalls zumutbar. Nach der Antragsänderung vom 20. Dezember 2006 (nach der die ursprünglich geplanten Leistungen im Bereich der traditionellen chinesischen Medizin nicht mehr Antragsgegenstand seien) habe die medizinische Amtssachverständige neuerlich eine Stellungnahme abgegeben, die jedoch, was die bereits vorhandenen Leistungserbringer bzw. die dort auftretenden Wartezeiten betreffe, keine Änderungen zum ursprünglichen Gutachten erbracht habe. Der mit dem nunmehr eingeschränkten Genehmigungsantrag befasste Landessanitätsrat habe einen Bedarf nach der gegenständlichen Krankenanstalt mehrheitlich als gegeben angesehen.

In der rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde von § 3a Abs. 2 lit. a Tiroler Krankenanstaltengesetz aus, wonach für die vorgesehene Krankenanstalt nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem vorgesehenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot durch öffentliche, private gemeinnützige und sonstige Krankenanstalten mit Kassenverträgen, bei Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das bestehende Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten, niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen ein Bedarf gegeben sein müsse. Der Verwaltungsgerichtshof führe in ständiger Rechtsprechung aus, dass als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage die Dauer der durchschnittlichen Wartezeit, die der Patient in Kauf nehmen müsse, anzusehen sei. Dazu sei zunächst das Einzugsgebiet für die geplante Krankenanstalt festzulegen, dessen Größe vom jeweiligen medizinischen Fachgebiet in der Weise abhänge, dass bei häufig in Anspruch genommenen Leistungen das Einzugsgebiet kleiner sei als bei selten in Anspruch genommenen Facharztleistungen.

Die im vorliegenden Fall angesprochenen Leistungen im Bereich der Allgemeinmedizin und der physikalischen Therapie seien grundsätzlich als häufig in Anspruch genommene Leistungen anzusehen. Daher gehöre nach Ansicht der belangten Behörde zum gegenständlichen Einzugsgebiet das S-Plateau, der westlich von I gelegene Teil des Bezirkes I-L bis T sowie die Stadtgemeinde I. Es handle sich somit um eine Region im Umkreis von rund 25 km, somit ein nach Ansicht der belangten Behörde sehr kleines Einzugsgebiet. In diesem seien folgende Leistungserbringer tätig, die "zum Teil bzw. großteils zur Gänze die gleichen Leistungen erbringen", wie sie in der beantragten Krankenanstalt der Beschwerdeführerin vorgesehen seien: So seien in L ein, in S drei und in T elf Ärzte für Allgemeinmedizin niedergelassen. In I-S seien über 50 Ärzte für Allgemeinmedizin niedergelassen. Außerdem gebe es in der Stadtgemeinde I zwei näher bezeichnete Ambulatorien und eine private Krankenanstalt, die Leistungen für physikalische Therapie ambulant erbrächten, sowie die Ambulanz des Landeskrankenhauses I. Alle genannten Einrichtungen verfügten über Kassenverträge und seien somit als geschützte Einrichtungen im Sinne des Tiroler Krankenanstaltengesetzes anzusehen, die im Rahmen des Bedarfsprüfungsverfahrens zu berücksichtigen seien. Darüber hinaus, so die belangte Behörde weiter, stünden noch "zahlreiche niedergelassene Therapeuten" in diesem Einzugsgebiet zur Verfügung, die Leistungen aus dem Bereich der physikalischen Therapie erbrächten. Auch wenn ein Teil der niedergelassenen Physiotherapeuten nur über eingeschränkte Kassenverträge verfüge, so seien diese nach Ansicht der belangten Behörde dennoch als geschützt im Sinne des § 3a Abs. 2 lit. a Tiroler Krankenanstaltengesetz anzusehen.

Was die Wartezeiten als wichtigster Indikator zur Klärung des Bedarfs betreffe, so sei nach der medizinischen Amtssachverständigen davon auszugehen, dass "die längsten Wartezeiten im Winter 2 - 3 Wochen" betrügen und diese für nicht akute Fälle zumutbar seien. Bei akuten Fällen sei eine sofortige Behandlung in der Ambulanz des Landeskrankenhauses I und in allen genannten Arztordinationen möglich. Zusammenfassend sei somit festzustellen, dass es im Bereich der von der Beschwerdeführerin geplanten Leistungen keine Wartezeiten gebe, die den Patienten nicht zumutbar wären. Außerdem würde die Errichtung der gegenständlichen Krankenanstalt nicht zu einer Beschleunigung, Intensivierung oder in anderer Weise wesentlichen Förderung der ärztlichen Betreuung der Bevölkerung dienen, habe die Beschwerdeführerin doch selbst ausgeführt, dass das gegenständliche Ambulatorium der Behandlung der Hotelgäste diene, und nicht beabsichtigt sei, eine Verbesserung der bereits gegebenen ärztlichen Betreuung der Bevölkerung herbeizuführen. Schon alleine aufgrund des letztgenannten Umstandes sei nach Ansicht der belangten Behörde der Bedarf an der gegenständlichen Krankenanstalt zu verneinen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus Anlass zweier bei ihm anhängiger Beschwerdeverfahren, in denen die Bedarfsprüfungsbestimmungen von Krankenanstaltengesetzen anderer Bundesländer einschlägig waren, hatte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Februar 2007, Zlen. EU 2007/11/0001, EU 2007/11/0002-1, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Anwendung der genannten Bedarfsprüfungsbestimmungen der Art. 43 (iVm Art. 48) EG entgegen steht.

Mit Urteil vom 10. März 2009, C-169/07 , erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hiezu Folgendes:

"Nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums für Zahnheilkunde eine Bewilligung erforderlich ist und diese Bewilligung, wenn angesichts des bereits bestehenden Versorgungsangebots durch Kassenvertragsärzte kein die Errichtung einer solchen Krankenanstalt rechtfertigender Bedarf besteht, zu versagen ist, steht Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG entgegen, sofern sie nicht auch Gruppenpraxen einem solchen System unterwerfen und sofern sie nicht auf einer Bedingung beruhen, die geeignet ist, der Ausübung des Ermessens durch die nationalen Behörden Grenzen zu setzen."

Ausgehend vom zitierten Urteil des EuGH hat der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdefall (in dem es nicht um grenzüberschreitende Tätigkeiten der Beschwerdeführerin geht: die in Tirol ansässige Beschwerdeführerin beabsichtigt die Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums in Tirol) mit Beschluss vom 14. September 2010, Zl. A 2010/0045-1 (2007/11/0118), gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 3a Abs. 2 lit. a erster Satz des Tiroler Krankenanstaltengesetzes (Tir. KAG), LGBl. Nr. 5/1958, idF der Novelle LGBl. Nr. 75/2006, sowie § 3a Abs. 7 erster Satz Tir. KAG idF LGBl. Nr. 70/2001, als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Antrag mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, G 61/10-5 u. a., abgewiesen.

Vor diesem Hintergrund ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nach den im Zeitpunkt seiner Erlassung maßgebenden Bestimmungen des Tir. KAG zu beurteilen, die auszugsweise lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 1

(1) Krankenanstalten sind Einrichtungen, die

...

(3) Krankenanstalten im Sinne der Abs. 1 und 2 sind:

...

g) selbständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. Solche Einrichtungen gelten auch dann als selbständige Ambulatorien, wenn sie über eine angemessene Zahl von Betten verfügen, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich sind.

...

I. Allgemeine Bestimmungen für die Errichtung und den Betrieb von Krankenanstalten

§ 3

(1) Die Errichtung einer Krankenanstalt bedarf der Bewilligung der Landesregierung (Errichtungsbewilligung), soweit im Abs. 6 nichts anderes bestimmt ist. Um die Erteilung der Errichtungsbewilligung ist schriftlich anzusuchen.

...

(4) Im Verfahren zur Erteilung der Errichtungsbewilligung einschließlich eines allfälligen Verfahrens nach § 3a Abs. 7 haben, soweit im Abs. 5 nichts anderes bestimmt ist, hinsichtlich des nach § 3a Abs. 2 lit. a zu prüfenden Bedarfes

a) die gesetzliche Interessenvertretung der privaten Krankenanstalten,

  1. b) die betroffenen Sozialversicherungsträger und
  2. c) bei selbständigen Ambulatorien auch die Ärztekammer für Tirol, bei Zahnambulatorien auch die Österreichische Zahnärztekammer

    Parteistellung im Sinne des § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, und das Recht der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

    ...

    § 3a

    ...

(2) Die Errichtungsbewilligung ist, soweit im Abs. 5 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

a) Für die vorgesehene Krankenanstalt muß nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem vorgesehenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot durch öffentliche, private gemeinnützige und sonstige Krankenanstalten mit Kassenverträgen, bei Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten, niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen sowie bei Errichtung eines Zahnambulatoriums auch im Hinblick auf das bestehende Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragszahnärzte und Kassenvertragsdentisten, ein Bedarf gegeben sein. Soweit der Tiroler Krankenanstaltenplan (§ 62a) für Fondskrankenanstalten im Sinn des Tiroler Gesundheitsfondsgesetzes, LGBl. Nr. 2/2006, Festlegungen über deren Leistungsangebot und deren Ausstattung mit medizintechnischen Großgeräten enthält, entfällt eine Bedarfsprüfung. In einem solchen Fall darf die Errichtungsbewilligung nur erteilt werden, wenn die Errichtung nach dem vorgesehenen Anstaltszweck und dem vorgesehenen Leistungsangebot den Festlegungen des Tiroler Krankenanstaltenplanes entspricht.

b) Das Eigentum an der für die Krankenanstalt vorgesehenen Betriebsanlage oder das sonstige Recht zu deren Benützung muß nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden.

c) Das Gebäude, das als Betriebsanlage für die Krankenanstalt dienen soll, muß den für solche Gebäude geltenden bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften entsprechen.

d) Die vorgesehene Ausstattung mit medizinisch-technischen Apparaten und die vorgesehene personelle Ausstattung muß den nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft an eine Krankenanstalt der vorgesehenen Art zu stellenden Anforderungen entsprechen.

e) Es muß eine den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft entsprechende Behandlung gewährleistet sein.

f) Der Bewilligungswerber muß eigenberechtigt und verläßlich sein.

...

(4) Liegt auch nur eine der Voraussetzungen nach Abs. 2 nicht vor, so ist die Errichtungsbewilligung zu versagen.

...

(7) Im Errichtungsbewilligungsverfahren kann die Landesregierung durch Bescheid über das Vorliegen des Bedarfes gesondert entscheiden, wenn der Bewilligungswerber glaubhaft macht, dass die Vorlage der Unterlagen nach § 3 Abs. 2 lit. a bis d mit einem erheblichen wirtschaftlichen Aufwand verbunden wäre und die Entscheidung über das Vorliegen des Bedarfes als Voraussetzung für die Erteilung der Errichtungsbewilligung auch ohne diese Unterlagen erfolgen kann. Ein Bescheid, mit dem der Bedarf für die vorgesehene Krankenanstalt festgestellt wird, tritt nach dem Ablauf von drei Jahren nach seiner Erlassung außer Kraft, wenn das Errichtungsbewilligungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt nicht durch Vorlage der Unterlagen nach § 3 Abs. 2 lit. a bis d fortgesetzt worden ist.

..."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. aus vielen das Erkenntnis vom 19. Juni 2007, Zl. 2004/11/0079, mit Verweis auf das Erkenntnis vom 22. Februar 2007, Zl. 2002/11/0226, mwN) ist ein Bedarf für die Errichtung eines Ambulatoriums dann als gegeben anzusehen, wenn durch die Errichtung dieses Ambulatoriums bzw. durch Veränderungen des Leistungsangebotes die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage betreffend selbständige Ambulatorien ist nach dieser Rechtsprechung die durchschnittliche Wartezeit anzusehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Eine Wartezeit von etwa zwei Wochen in nicht dringenden Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur für durchaus zumutbar gehalten und selbst bei einem Überschreiten dieses Richtwertes in einzelnen Fällen um einige Tage noch kein unzumutbares Versorgungsdefizit gesehen. Von einem Bedarf nach einem beabsichtigten Ambulatorium kann demnach dann nicht die Rede sein, wenn im Großen und Ganzen die Wartezeiten zwei Wochen nicht übersteigen und Akutpatienten noch am selben Tag behandelt werden. Dabei ist jedoch Voraussetzung für die Feststellung des Bedarfs, dass das Einzugsgebiet für das zu bewilligende Ambulatorium klar umrissen ist, wobei eine Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen nicht gegeben ist.

Bei der Bedarfsprüfung sind nach der zitierten Judikatur die im Einzugsgebiet des Ambulatoriums gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen zu berücksichtigen. Die Größe des Einzugsgebietes hängt unter anderem wesentlich vom jeweiligen medizinischen Fachgebiet in der Weise ab, dass bei häufig in Anspruch genommenen Leistungen (z.B. allgemein- oder zahnmedizinischen Leistungen) das Einzugsgebiet kleiner ist als bei selten in Anspruch genommenen Facharztleistungen.

Vor diesem Hintergrund erfordert die Prüfung der Bedarfslage Feststellungen hinsichtlich des in Frage kommenden Einzugsgebietes des Ambulatoriums sowie darüber, in welchem Umfang ein Bedarf der in Frage kommenden Bevölkerung nach den angebotenen Untersuchungen besteht und inwieweit er durch das vorhandene Angebot befriedigt werden kann. Dazu sind insbesondere Feststellungen hinsichtlich der Anzahl, der Verkehrslage (Erreichbarkeit) und Betriebsgröße der in angemessener Entfernung gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen sowie deren Ausstattung und Auslastung (Ausmaß der Wartezeiten) erforderlich (vgl. auch hiezu das zitierte Erkenntnis vom 19. Juni 2007, Zl. 2004/11/0079).

Ausgehend von dieser Rechtslage ist zunächst die Rechtsansicht der belangten Behörde unzutreffend, dass der Bedarf am gegenständlichen Ambulatorium schon deshalb zu verneinen sei, weil dieses nach dem Antrag der Beschwerdeführerin der ärztlichen Betreuung ihrer Hotelgäste dienen soll, nicht aber der ärztlichen Betreuung der (ortsansässigen) Bevölkerung. Weder § 3a Abs. 2 lit. a Tir. KAG noch die zitierte hg. Judikatur bieten eine Grundlage für die Annahme, bei der Beurteilung des Bedarfs einer Krankenanstalt sei es unerheblich, ob mit dem vorhandenen Leistungsangebot auch der Bedarf an medizinischen Leistungen, den Urlaubsgäste haben, gedeckt werden kann. Vielmehr ist vom Bedarf nach einer Krankenanstalt dann auszugehen, wenn durch deren Errichtung die ärztliche Betreuung der im Einzugsgebiet aufhältigen Bevölkerung im Sinne der oben zitierten hg. Judikatur (dazu gehört selbstverständlich auch die durchschnittliche Zahl der dort verweilenden Urlaubsgäste) wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird, wobei für diese Beurteilung als wichtigster Indikator die durchschnittlichen Wartezeiten im Einzugsgebiet heranzuziehen sind.

Diese unrichtige Beurteilung seitens der belangten Behörde allein führt noch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wurde dieser doch zusätzlich damit begründet, für Patienten komme es angesichts des vorhandenen medizinischen Leistungsangebotes in dem von der belangten Behörde umschriebenen Einzugsgebiet zu keinen unzumutbaren Wartezeiten.

Dagegen bringt die Beschwerde zunächst vor, die belangte Behörde habe das Einzugsgebiet unzutreffend ermittelt. Im angefochtenen Bescheid werde als Einzugsgebiet nämlich eine Region im Umkreis von rund 25 km um den geplanten Standort der Krankenanstalt angenommen, konkret das S-Plateau, der westlich von I gelegene Teil des Bezirkes I-L bis T sowie die Stadtgemeinde I. Dabei habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, dass ein Zeitaufwand von mehr als 1,5 Stunden für eine Fahrtstrecke notwendig sei, um (gemeint: vom geplanten Standort des Ambulatoriums) mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den genannten Leistungserbringern in I zu gelangen. Für eine Fahrt bis zu den von der belangten Behörde genannten niedergelassenen Ärzten in T sei sogar ein Zeitaufwand von mehr als 2 Stunden notwendig. Die notwendige Rückfahrt verdopple diesen Zeitaufwand. Es sei keinem Hotelgast der Beschwerdeführerin, der eine physikalische Therapie (nicht selten mehrmals am Tag) benötige, zumutbar, dafür den halben oder ganzen Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein. Dies gelte umso mehr im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes der Hotelgäste, die in der Regel zwischen zwei und sieben Tagen betrage.

Nach der bereits wiedergegebenen hg. Rechtsprechung erfordert die Prüfung der Bedarfslage Feststellungen hinsichtlich des in Frage kommenden Einzugsgebietes des Ambulatoriums, insbesondere hinsichtlich der Anzahl, der Verkehrslage (Erreichbarkeit) und Betriebsgröße der in angemessener Entfernung gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen sowie deren Ausstattung und Auslastung (Ausmaß der Wartezeiten). Was die Frage der Verkehrslage (Erreichbarkeit) betrifft, so hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. November 2003, Zl. 2002/11/0101, ausgehend davon, dass Patienten bei selten in Anspruch genommenen Facharztleistungen eine längere Anreise zumutbar sei, als bei der Inanspruchnahme allgemein-medizinischer Leistungen, für selten in Anspruch genommenen Facharztleistungen (fallbezogen ging es in diesem Erkenntnis um Magnetresonanzuntersuchungen) eine Anfahrtszeit von mehr als 60 Minuten als zumutbar angesehen.

Ausgehend davon hätte die belangte Behörde - nachvollziehbare - Feststellungen zum in Frage kommenden Einzugsgebiet des gegenständlichen Ambulatoriums treffen müssen. Dies hätte nicht nur die Berücksichtigung des Umstandes erfordert, dass es gegenständlich um allgemein-medizinische Leistungen einerseits und um Leistungen der physikalischen Medizin andererseits, somit um häufig in Anspruch genommene medizinische Leistungen geht. Dabei hätte die belangte Behörde nach der zitierten Judikatur auch die Verkehrslage (Erreichbarkeit) der in angemessener Entfernung gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen berücksichtigen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass sie dabei zu einem anderen Einzugsgebiet (und als Folge dessen zu einer anderen Beurteilung der Bedarfsfrage) gelangt wäre.

Die belangte Behörde hat aber auch verkannt, dass nach der hg. Rechtsprechung ein Bedarf nach einer Krankenanstalt dann zu verneinen ist, wenn die Wartezeiten bei den vorhandenen in Betracht kommenden Leistungserbringern "im Großen und Ganzen" zwei Wochen nicht übersteigen, wobei ein Überschreiten um einige Tage in einzelnen Fällen nicht schadet (vgl. abermals das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2004/11/0079, mwN). Demgegenüber hat die belangte Behörde gegenständlich aber Wartezeiten bis zu drei Wochen festgestellt, wobei nichts darauf hindeutet, dass es sich dabei um bloß vereinzelte Fälle handelt. (Im Übrigen sind dem Verwaltungsakt auch keinerlei Ermittlungsergebnisse zu den gegebenen Wartezeiten zu entnehmen; vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2003/11/0030).

Der angefochtene Bescheid war daher, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit dem übrigen Beschwerdevorbringen bedurfte, wegen (vorrangiger) inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. März 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte