VwGH 2012/08/0267

VwGH2012/08/026719.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und den Hofrat MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des O Ü in H, vertreten durch die Fischer, Walla & Matt Rechtsanwälte OEG in 6850 Dornbirn, Marktstraße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 15. März 2010, Zlen. UVS-1-431/K3-2009, UVS-1-432/K3-2009, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des § 111 ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Bestrafung nach dem ASVG richtet, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als Inhaber des Gastgewerbes gemäß § 111 Abs. 1 GewO 1994 in der Betriebsart Bar am Standort der weiteren Betriebsstätte in D., einer Showdance-Bar, zu verantworten, dass der genannte Betrieb sechs näher bezeichnete, in der Krankenversicherung vollversicherte Personen beschäftigt und diese nicht vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung bei der Vorarlberger Gebietskrankenkasse angemeldet habe, wobei B. von 3. April 2008 bis 22. Mai 2008, C. von 1. April 2008 bis 22. Mai 2008, G. von 27. April 2008 bis 22. Mai 2008, Gr. von 22. März 2008 bis 22. Mai 2008, N. von 15. April 2008 bis 22. Mai 2008 und S. von 18. Mai 2008 bis 22. Mai 2008 (jeweils als Show- und Table-Tänzerin) beschäftigt gewesen sei. Er habe dadurch § 111 iVm. § 33 Abs. 1 ASVG verletzt, weshalb über ihn vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.180,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je 146 Stunden) und zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.500,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von je 168 Stunden) verhängt wurden.

Die belangte Behörde stellte nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung fest, dass die Tänzerinnen ein Entgelt in der Höhe von EUR 40,-- pro Abend erhalten hätten, was der Beschwerdeführer selbst angegeben habe. Sie seien von Dienstag bis Sonntag jeweils von 22.00 Uhr bis 04.00 Uhr des Folgetages im Lokal anwesend und dazu grundsätzlich auch verpflichtet gewesen. Dies ergebe sich aus den Aussagen von N. und dem Bruder des Beschwerdeführers; den Angaben, die Tänzerinnen hätten kommen und gehen können, wann sie wollten, schenke die belangte Behörde demgegenüber keinen Glauben, weil der Beschwerdeführer den Tänzerinnen eine Fixgage gezahlt habe und die Einteilung beim DJ gelegen sei. Die Aussage von B., sie seien hinsichtlich der Showtänze nicht eingeteilt worden, sondern sie habe sich mit den anderen Tänzerinnen abgewechselt, könne nur dahingehend verstanden werden, dass sich die Tänzerinnen im Sinne des Interesses des Lokalbetreibers abgesprochen hätten, da die Durchführung von Showtänzen jedenfalls koordiniert werden habe müssen. Die Tänzerinnen hätten auch private Table-Dances für Gäste durchgeführt, wobei das dafür entrichtete Entgelt bei ihnen verblieben sei. Sie hätten ihre Leistungen ausschließlich im Lokal des Beschwerdeführers erbracht und seien zur Unterhaltung und "Getränkeanimation" der Gäste tätig gewesen. Es sei Sinn und Zweck der Showdance-Bar, dass in dieser auch private Table-Dances angeboten würden; so werde beispielsweise in der im Lokal aufliegenden Getränkekarte ausdrücklich auf Table-Dances Bezug genommen. Innerhalb der Öffnungszeiten liege eine dauernde Bereitschaft der Tänzerinnen zu einem von einem Kunden gewünschten Table-Dance vor. Wenn sich die Erteilung von ausdrücklichen Weisungen bezüglich des arbeitsbezogenen Verhaltens weitgehend erübrige, weil die Tänzerinnen im Wesentlichen von sich aus gewusst hätten, wie sie sich bei ihrer Tätigkeit zu bewegen und zu verhalten gehabt hätten, dann äußere sich das Merkmal des Weisungsrechtes in Form von Kontrollrechten im Sinne einer stillen Autorität des Arbeitgebers. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Tänzerinnen in die Betriebsorganisation planmäßig eingegliedert gewesen seien.

Die belangte Behörde bejahte auf Grund dieser Feststellungen das Vorliegen von Beschäftigungsverhältnissen. Die Tänzerinnen hätten daher vor Arbeitsantritt bei der Vorarlberger Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung angemeldet werden müssen.

Hinsichtlich der subjektiven Tatseite nahm die belangte Behörde als Verschuldensform zumindest grobe Fahrlässigkeit an. Weiters legte sie ihre Strafbemessungsgründe dar, wobei sie insbesondere auf eine einschlägige Vorstrafe des Beschwerdeführers verwies.

Über die gegen diesen Bescheid, soweit er die Bestrafung nach dem ASVG betrifft, erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen (hinsichtlich der ebenfalls mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Bestrafung nach dem AuslBG vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2012, Zl. 2010/09/0104):

1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Tänzerinnen in den im angefochtenen Bescheid angeführten Zeiträumen in seinem Lokal tätig gewesen sind. Er wendet sich aber gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass Beschäftigungsverhältnisse im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG vorgelegen seien.

Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, somit arbeitend unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei der Tätigkeit einer Kellnerin, einer Animierdame oder - wie im Beschwerdefall - einer "Table-Tänzerin" in einem Barbetrieb der Fall ist), dann ist die Behörde aber berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2011/08/0206).

Derartige atypische Umstände hat der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt.

Die Beschwerde wendet sich zwar gegen die Feststellung der belangten Behörde, dass für die Tänzerinnen von 22.00 Uhr bis 04.00 Uhr des Folgetages eine Anwesenheitspflicht bestanden habe. Die Begründung dieser Feststellung sei unschlüssig, die belangte Behörde habe es hier unterlassen, die einzelnen Beweisergebnisse gegeneinander abzuwägen. Entgegen diesem Vorbringen hält die Beweiswürdigung durch die belangte Behörde aber der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof stand (vgl. zum dabei anzulegenden Maßstab etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, Zl. 2007/08/0179, mwN).

Die behauptete Freiheit bei der Gestaltung des Showtanzprogramms fällt angesichts der von der belangten Behörde festgestellten Merkmale persönlicher Abhängigkeit nicht entscheidend ins Gewicht. Es kommt für die Dienstgebereigenschaft des Beschwerdeführers iSd § 35 Abs. 1 ASVG weiters nicht darauf an, dass ein Teil des Entgelts direkt von den Gästen - für die "privaten" Table-Dances - (oder von einem Dritten) bezahlt wurde (vgl. in diesem Sinn auch das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2011/08/0206). Auch die in der Beschwerde behauptete Möglichkeit, (auch) in anderen Lokalen aufzutreten, würde ein abhängiges Dienstverhältnis zum Beschwerdeführer nicht ausschließen. Das Argument, die Tänzerinnen hätten sich "die Betriebsmittel (insb. Bühnenkleidung)" selbst zur Verfügung stellen müssen, verfängt schon deswegen nicht, weil die Tätigkeit der Tänzerinnen in den Räumlichkeiten des Barbetriebes des Beschwerdeführers zu erbringen war, sodass jedenfalls wesentliche Betriebsmittel vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt wurden, mögen die Tänzerinnen auch die Arbeitskleidung selbst beigebracht haben (vgl. abermals das Erkenntnis vom 7. September 2011).

Die belangte Behörde durfte daher das Vorliegen von Beschäftigungsverhältnissen im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG bejahen. Ausgehend davon konnte die Anmeldung der Tänzerinnen bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und die Erledigung der "Buchführung und (…) Steuerangelegenheiten" durch die Tänzerinnen selbst nichts an der Pflichtversicherung nach dem ASVG ändern.

2. Da sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Bestrafung nach dem ASVG richtet, somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. Dezember 2012

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