VwGH 2012/08/0043

VwGH2012/08/004328.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der SW in F, vertreten durch Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 76, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 21. Oktober 2011, Zl. LGSV/2/2011-0566-8-176, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 idF 2007/I/104;
AlVG 1977 §10 Abs3;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs7 idF 2007/I/104;
AVG §58 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 2007/I/104;
AlVG 1977 §10 Abs3;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs7 idF 2007/I/104;
AVG §58 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 21. Oktober 2011 sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin ihren Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 20. Juni bis zum 31. Juli 2011 verliere. Eine Nachsicht werde nicht erteilt.

Die Beschwerdeführerin beziehe seit dem 15. Mai 2007 mit Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Sie sei Staatsangehörige der Russischen Föderation, habe dort eine pädagogische Akademie besucht und sei dort Lehrerin in einer Grundschule für Deutsch und Russisch gewesen. In Österreich habe sie Erfahrung als Beraterin im Migrantenbereich und als Dolmetscherin gesammelt. Seit dem Jahr 2007 habe sie mehrere Qualifizierungs- und Orientierungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice absolviert. Abgesehen von zwei kurzfristigen Dienstverhältnissen vom 6. bis zum 14. April 2009 als Hilfsarbeiterin und vom 5. Oktober bis zum 31. Dezember 2009 sei die Beschwerdeführerin seit vier Jahren arbeitslos.

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice F (in der Folge: AMS) habe der Beschwerdeführerin als Vorbereitungsmaßnahme ein Arbeitstraining bei der Arbeitsinitiative für den Bezirk F (im Folgenden: ABF), einem gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt, angeboten, das sie vom 10. Mai bis zum 19. Juni 2011 absolviert habe. Im Zuge des Arbeitstrainings sei sie in den Bereich der Mikroverfilmung eingeschult worden. Erschwerend sei gewesen, dass die Beschwerdeführerin - wie sich aus einer dem Bescheid angeschlossenen "Anwesenheitsliste" ergebe - innerhalb der Arbeitszeiten Termine für ihre Dolmetschertätigkeiten in Anspruch genommen habe, ohne zu einer Kompromisslösung bereit gewesen zu sein. Nach den - kurzfristig vereinbarten - Terminen sei sie nicht mehr in den Bereich zurückgekehrt und habe dies auch nicht dem Bereichsleiter gemeldet. Auffällig seien auch die niedrigen Stückzahlen (nur ein Drittel der Erfahrungswerte) und die hohe Fehlerhäufigkeit gewesen. Das Arbeitstraining diene dazu, Personen bezüglich der Vermittlungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit zu testen. Dabei habe neben Anwesenheit, Entwicklungsfähigkeit und "Primärtugenden" die Stückzahl als Parameter gedient. Nach mehreren Gesprächen mit der Beschwerdeführerin, mit der "Sozialarbeit" und dem Bereichsleiter sei der stellvertretende Abteilungsleiter und Personalkoordinator der ABF, P., zum Entschluss gelangt, dass die Beschwerdeführerin wegen der mangelnden Qualität und Quantität, der vielen Fehlzeiten und der schwankenden Konzentration für den Bereich Mikroverfilmung nicht geeignet sei. In der Folge habe P. mit der Beschwerdeführerin einen Wechsel in den Bereich "Manufaktur" (Verpackung) besprochen. Sie könne sich in diesem Bereich Schritt für Schritt dem Regelarbeitsmarkt nähern, indem sie mehr Anwesenheit aufweise und über eine längere Zeit konzentriert arbeite. Auch die Fehlerquoten könnten bei Verpackungsarbeiten besser kontrolliert werden, weil hier in Produktionsketten gearbeitet werde. Aufstiegsmöglichkeiten seien auch in diesem Bereich vorhanden (Qualitätssicherung, Büroassistentin, Wechsel in die Mikroverfilmung). Die ABF habe sich mehr Anwesenheit bzw. eine klare Terminregelung des Nebeneinkommens als Dolmetscherin vorgestellt. Eine Reduktion der Arbeitszeit habe die Beschwerdeführerin nicht gewollt, weil sie die Entlohnung einer Vollzeitstelle benötige.

Im Anschluss an das Arbeitstraining sei die Beschwerdeführerin jedoch nicht bereit gewesen, ab dem 20. Juni 2011 eine Beschäftigung als Hilfsarbeiterin bei der ABF im Bereich der Manufaktur (Verpackung) zu beginnen. In ihrem Kurzbericht habe die ABF festgehalten, dass sich die Beschwerdeführerin in der Beratung sehr distanziert und verschlossen gezeigt habe. Während des Arbeitstrainings (im Bereich Mikroverfilmung) habe sie eine intensive Einschulungsphase durchlaufen. Sie sei nicht in der Lage gewesen, Zusammenhänge und Abläufe an ihrem Arbeitsplatz zu verstehen, und sie sei durch Fehlzeiten aufgefallen, welche durch private Termine hervorgerufen worden seien. Am 20. Juni 2011 sei sie nicht zur vereinbarten Arbeitsaufnahme erschienen.

Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, dass sie von S. als Angestelltem im Bereich der Mikroverfilmung wiederholt "gemobbt" worden sei, indem er sie bei Fehlleistungen bei der Arbeit wiederholt angeschrien habe und sie wegen eines Termins in der Schule ihrer Tochter haltlos einer Lüge bezichtigt habe. Deswegen habe sie einem Wechsel in den Bereich Manufaktur (Verpackung) nicht zugestimmt. Auch der Personalkoordinator P., mit dem sie das Gespräch gesucht habe, habe ihr das Wort abgeschnitten und ihr den angeführten Bereichswechsel in die Manufaktur in den Verpackungsbereich angeboten.

Eine Beschäftigung der langzeitarbeitslosen Beschwerdeführerin in einem gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt - so die belangte Behörde weiter - sei arbeitsmarktpolitisch sinnvoll, um ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Ihr sei vorzuwerfen, dass sie nicht zumindest versucht habe, eine Beschäftigung bei der ABF in Bereich der Manufaktur (Verpackung) aufzunehmen, wo sie auch mit anderen Vorgesetzten und Angestellten als im Bereich der Mikroverfilmung zusammengearbeitet hätte. Insofern wäre die Beschwerdeführerin nicht dem - von ihr als Hauptgrund für die unterbliebene Arbeitsaufnahme angeführten - "Mobbing" durch S. ausgesetzt gewesen. Die Beschwerdeführerin sei vor dem 20. Juni 2011 von ihrem Berater beim AMS in einem persönlichen Gespräch darüber informiert worden, dass sie mit einem sechswöchigen Anspruchsverlust des Notstandshilfebezuges zu rechnen habe, wenn sie die Arbeit nach Beendigung der Vorbereitungsmaßnahme (des Arbeitstrainings) nicht antreten würde.

Die Beschäftigung als Mitarbeiterin beim Dienstgeber ABF im Bereich der Manufaktur (Verpackung) sei eine sonst sich bietende Arbeitsmöglichkeit iSd § 9 Abs. 1 vierter Halbsatz AlVG, die nicht durch direkte Zuweisung des AMS, sondern durch Zuweisung der ABF zustande gekommen wäre. Die Beschäftigung als Hilfsarbeiterin bei der ABF hätte den weiteren Zumutbarkeitskriterien gemäß § 9 Abs. 2 erster Satz AlVG entsprochen. Die Beschwerdeführerin habe nicht ausgeführt, dass und inwieweit ihre Gesundheit durch die Aufnahme dieser Beschäftigung gefährdet gewesen wäre. Sie habe lediglich ausgeführt, dass sie durch die bisherige Tätigkeit (im Rahmen des Arbeitstrainings) im Bereich der Mikroverfilmung durch das "Mobbing" in dieser Abteilung in ihrer Gesundheit beeinträchtigt worden sei. Die sich bietende Beschäftigung wäre kollektivvertraglich entlohnt und somit gemäß § 9 Abs. 2 erster Satz AlVG zumutbar gewesen. Zumutbare Beschäftigungen des ersten oder zweiten Arbeitsmarktes seien zu vermitteln, auch wenn sie nicht den Vermittlungswünschen entsprechen würden. Die Aufnahme einer Beschäftigung in einem gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt diene der Beendigung der Langzeitarbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin. Ein Berufsschutz könne bei Vermittlung einer Beschäftigung gemäß § 9 Abs. 3 erster Satz AlVG nur in den ersten hundert Tagen des Bezuges von Arbeitslosengeld berücksichtigt werden. Die Beschwerdeführerin habe die Aufnahme der zumutbaren Beschäftigung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 erster Satz AlVG vereitelt und verliere daher vom frühestmöglichen Arbeitsantrittszeitpunkt für die Dauer von sechs Wochen ihren Anspruch auf Notstandshilfe. Sie habe zwischenzeitig auch keine andere Beschäftigung innerhalb von acht Wochen nach der möglichen Arbeitsaufnahme bei der ABF am 20. Juni 2011 aufgenommen, die eine gänzliche oder teilweise Nachsichterteilung von der Ausschlussfrist hinsichtlich des Notstandshilfebezuges rechtfertigen würde. Sie habe erst seit dem 3. Oktober 2011 eine andere Tätigkeit im Rahmen einer Vorbereitungsmaßnahme zu einem anderen gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt aufgenommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

§ 9 Abs. 7 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"(7) Als Beschäftigung gilt, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen."

Zu § 9 Abs. 7 AlVG idF BGBl. I Nr. 104/2007 führen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (298 BlgNR 23. GP, 9) unter anderem aus:

"Abs. 7 enthält die Klarstellung, dass auch Arbeitsverhältnisse im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebs (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP) - bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen - zumutbar sind.

Sozialökonomische Betriebe dienen der Förderung der Beschäftigung von arbeitslosen und schwer vermittelbaren Personen in Produktions- oder Dienstleistungsbetrieben von gemeinnützigen Trägern. Sie stellen marktnahe, befristete Arbeitsplätze (so genannte 'Transitarbeitsplätze') zur Verfügung und haben den Auftrag, vor allem Personen mit eingeschränkter Produktivität bei der Wiedererlangung jener Fähigkeiten zu unterstützen, die Einstiegsvoraussetzungen in den regulären Arbeitsmarkt sind. Im Rahmen eines Wirtschaftsbetriebes werden Betreuungs- und Trainingsmöglichkeiten für am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen geboten sowie die Reintegration in den regulären Arbeitsmarkt durch Beseitigung von Vermittlungshemmnissen und durch Qualifizierungsmaßnahmen vorbereitet."

§ 10 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde."

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecks, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, nicht nur eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sondern - erforderlichenfalls - auch an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2004/08/0017, uva).

2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei während des Arbeitstrainings in der ABF durch den "stellvertretenden Leiter des Betriebes", S., "gemobbt" worden. Das "Mobbing" habe darin bestanden,

"dass er in regelmäßigen Abständen zur Beschwerdeführerin kam und alles bemängelte, wobei er ihr jedoch nie zeigte, wie sie ihre Arbeit besser verrichten könnte. Stattdessen tat er lediglich lautstark negative Kritik kund, so beispielsweise indem er sie unentwegt anschrie, sie sei unfähig für diesen Job."

Die Beschwerdeführerin habe die Beschäftigung in der Manufaktur (Verpackung) desselben Betriebes abgelehnt, weil sie - auch wenn sie diesen Wechsel vorgenommen hätte - trotzdem mit S. als stellvertretendem Leiter des Betriebes in Kontakt stehen würde und die Befürchtung bestehe, dass ein bloßer Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb der ABF ein weiteres "Mobbing" durch S. nicht verhindern werde. Es sei nicht geprüft worden, ob die Arbeit bei der ABF "gesundheitsgefährdende Auswirkungen bei der Beschwerdeführerin" hervorgerufen habe. Die Frage der psychischen Beeinträchtigung in Form einer Gesundheitsgefährdung sei bei der Prüfung der Nachsichtgewährung in berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 10 Abs. 3 AlVG zu berücksichtigen. Die Unzumutbarkeit liege darin, dass die Beschwerdeführerin bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb desselben Betriebes weiterhin Herrn S. ausgesetzt wäre und somit weiterhin "Opfer seines Mobbings" sein werde.

Dem ist zu entgegnen, dass nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides der Arbeitsplatz bei der ABF im Bereich der Manufaktur (Verpackung) eine Zusammenarbeit mit anderen Vorgesetzten und anderen Angestellten als im Bereich Mikroverfilmung mit sich gebracht hätte und die Beschwerdeführerin mit anderen Personen zusammengearbeitet hätte. Soweit die Beschwerde in ihrer Rechtsrüge mit dem Vorbringen, bei S. handle es sich um den "stellvertretenden Leiter des Betriebs", eine über den Bereich der Mikroverfilmung hinausgehende Funktion ansprechen sollte, entfernt sie sich von den Feststellungen der belangten Behörde. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin die behauptete (lautstarke) Kritik an ihrer - unbestritten festgestellten - vielfach unzulänglichen Arbeitsleistung im Bereich der Mikroverfilmung (geringe Stückzahlen, hohe Fehlerhäufigkeit, Absenzen infolge Wahrnehmung privater Dolmetschertätigkeiten etc.) zu Recht als gesundheitsgefährdendes "Mobbing" empfunden hat, weil sie ab dem 20. Juni 2011 eine ganz andere Tätigkeit, nämlich Hilfsarbeiten im Verpackungsbereich, mit anderen Vorgesetzten als S. hätte aufnehmen können. Sonstige Einwände gegen die Zumutbarkeit dieser Beschäftigung hat die Beschwerdeführerin nicht erhoben. Dass die Beschwerdeführerin im Übrigen infolge einer Gesundheitsbeeinträchtigung zum Zeitpunkt der möglichen Aufnahme der sich bietenden Beschäftigung arbeitsunfähig gewesen wäre, behauptet sie nicht.

3. Im Beschwerdefall ist keine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG zu beurteilen, sondern eine sich der Beschwerdeführerin bietende Beschäftigungsmöglichkeit.

In § 10 AlVG ist die sich "sonst bietende Arbeitsmöglichkeit" zwar nicht explizit angeführt, sie wird nur in § 9 Abs. 1 AlVG genannt. Aus dem systematischen Zusammenhang dieser beiden Bestimmungen ergibt sich jedoch ebenso wie aus dem Zweck dieser Regelungen, Leistungsbezieher zu verhalten, ehestmöglich durch die Aufnahme einer Beschäftigung aus dem Leistungsbezug wieder auszuscheiden, dass die in § 10 AlVG vorgesehenen Sanktionen auch bei der Ausschlagung einer "sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit" in Frage kommen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 2008, Zl. 2007/08/0163).

Der Gesetzgeber hat durch die mit BGBl. I Nr. 104/2007 (mit Wirkung vom 1. Jänner 2008) angefügte Zumutbarkeitsregelung in § 9 Abs. 7 AlVG ausdrücklich auch "ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)" als (zumutbare) Beschäftigung erklärt. Ein Verhalten im Sinne von § 10 Abs. 1 AlVG im Hinblick auf einen sozialökonomischen Betrieb (Verweigerung oder Vereitelung einer Beschäftigung oder Nichtannahme einer vom sozialökonomischen Betrieb angebotenen Beschäftigung) kann daher zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2009/08/0111). Eine Begründungspflicht, weshalb eine Beschäftigung auf dem "zweiten Arbeitsmarkt" (gemeint: in einem sozialökonomischen Betrieb) vermittelt wird (im vorliegenden Fall: weshalb eine von einem sozialökonomischen Betrieb angebotene zumutbare Beschäftigung - als eine sonst sich bietende Arbeitsmöglichkeit - anzunehmen ist), sieht das Gesetz nicht vor.

4. Die Beschwerdeführerin macht schließlich als berücksichtigungswürdigen Grund für eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG geltend, dass sie auf Grund der geschilderten Unzumutbarkeit der Ausübung dieser Beschäftigung, welche offensichtlich die Gesundheit der Beschwerdeführerin schädige.

Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruchs gemäß § 10 Abs. 1 AlVG in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

Berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG sind Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter träfe als dies sonst ganz allgemein der Fall ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, Zl. 2008/08/0018, uva).

Das von der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Nachsichtsgründe erstattete Vorbringen legt in keiner Weise dar, dass diese durch den Ausschluss vom Bezug der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart getroffen würde. Es richtet sich ausschließlich gegen die Vorwerfbarkeit des Nichtantritts der sich der Beschwerdeführer bietenden Beschäftigungsmöglichkeit am 20. Juni 2011. Wie bereits dargestellt, stellte das Verhalten der Beschwerdeführerin am 20. Juni 2011 eine Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG dar, weshalb auf dieses Vorbringen im Rahmen der Nachsichtsgründe nicht noch einmal einzugehen war.

5. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie von der Nichtannahme einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit ausgegangen ist und daher für den im Bescheid angegebenen Zeitraum den Verlust der Notstandshilfe ausgesprochen hat.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 28. März 2012

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