Normen
AWG 2002 §48 Abs2 idF 2011/I/009;
AWG 2002 §48 Abs2b idF 2011/I/009;
DeponieV 2008 §3 Z2 idF 2010/II/178;
DeponieV 2008 §3 Z40 idF 2010/II/178;
DeponieV 2008 §44 Abs5 idF 2010/II/178;
DeponieV 2008 §44 idF 2010/II/178;
DeponieV 2008 §47 Abs9 idF 2010/II/178;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AWG 2002 §48 Abs2 idF 2011/I/009;
AWG 2002 §48 Abs2b idF 2011/I/009;
DeponieV 2008 §3 Z2 idF 2010/II/178;
DeponieV 2008 §3 Z40 idF 2010/II/178;
DeponieV 2008 §44 Abs5 idF 2010/II/178;
DeponieV 2008 §44 idF 2010/II/178;
DeponieV 2008 §47 Abs9 idF 2010/II/178;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
I.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft M vom 2. August 2000 wurde der R. KEG die abfallrechtliche Bewilligung (u.a.) zur Errichtung und zum Betrieb einer Bodenaushubdeponie erteilt und hiefür eine Sicherstellung von S 250.000,-- auferlegt. Diese Anlage wird seit 2002 von der mitbeteiligten Partei (im Folgenden: MP) betrieben.
Auf Grund des Ansuchens der MP wurde dieser mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland (im Folgenden: LH) vom 28. April 2009 gemäß § 37 Abs. 1 Z. 1, § 38 Abs. 1a und § 43 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 die abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung zur Erweiterung der Bodenaushubdeponie, gemäß § 48 Abs. 1 leg. cit. befristet bis 30. September 2014, unter Setzung einer Reihe von Auflagen erteilt.
Mit Bescheid des LH vom 12. Oktober 2010 wurde gemäß § 63 Abs. 1 AWG 2002 die Übereinstimmung der ausgeführten Anlage mit der erteilten Bewilligung festgestellt.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2011 ordnete der LH eine Überprüfung dahingehend an, ob sich im Hinblick auf eine näher bezeichnete, im April 2010 erlassene ministerielle Richtlinie zur Berechnung von finanziellen Sicherstellungen für Deponien eine Änderung in der Höhe der mit dem genannten Bescheid vom 2. August 2000 festgelegten Sicherstellung ergebe.
In dem eingeholten Gutachten des ziviltechnischen Büros P. vom 12. Juli 2011 wurden das ausgebaute Restvolumen (des Deponiekörpers) zum 1. Jänner 2008 mit 86.024 m3 und die maximal offene Schüttfläche (Deponieoberflächenabdeckung) mit 24.860 m2 angenommen sowie ein Sicherstellungsbetrag von EUR 55.818,-- errechnet.
Mit Bescheid vom 26. August 2011 verpflichtete der LH die MP gemäß § 48 Abs. 2b AWG 2002 und § 47 Abs. 9 Deponieverordnung 2008, für die Bodenaushubdeponie eine Sicherstellung von EUR 55.818,-- zu leisten, widrigenfalls die Behörde das vorübergehende Verbot der Einbringung von Abfällen oder die Schließung der Deponie anzuordnen habe. Dazu führte der LH (u.a.) unter Hinweis auf das eingeholte Gutachten aus, dass die Behörde gemäß § 48 Abs. 2b AWG 2002 und § 47 Abs. 9 Deponieverordnung 2008 im Hinblick auf die in dieser Verordnung oder im Bescheid festgelegten Auflagen und Verpflichtungen die bestehenden Sicherstellungen für Kompartimente, die sich am 1. März 2008 in der Vorbereitungs- oder Ablagerungsphase befunden hätten, bis spätestens 31. Oktober 2010 zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen habe.
Die MP erhob dagegen Berufung und brachte vor, dass die für die Berechnung der Sicherstellung herangezogene Fläche zu groß angenommen sei, weil bereits ein großer Teil der Deponiefläche fertig verfüllt und rekultiviert sei. Auch "bestehe" bereits eine Sicherstellung von EUR 60.000,-- "zwischen" der MP und dem Grundeigentümer (eine näher bezeichnete Privatstiftung), um diesen bei nicht ordnungsgemäßem Betrieb der Deponie schad- und klaglos zu halten, sodass eine weitere Garantie in einer ähnlichen Höhe einer Doppelbesicherung der Anlage gleichkäme.
Im Berufungsverfahren holte die belangte Behörde mit Schreiben vom 17. Jänner 2012 ein neues Gutachten des genannten ziviltechnischen Büros mit dem Hinweis ein, dass die Berechnung auf den konkreten Einzelfall abzustellen habe und hiefür die zuletzt übermittelten Werte über das "aktuell offene Volumen" dieser Deponie heranzuziehen seien. In diesem weiteren Gutachten vom 1. Februar 2012 wurde ausgeführt, es sei einzelfallbezogen berücksichtigt worden, dass bereits ein Teil der ausgebauten Deponie mit einer Rekultivierungsschicht versehen und an Stelle der ausgebauten Schüttfläche (24.860 m2) an Hand der letzten Begehung am 23. September 2011 in Zusammenschau mit dem Bestandsplan vom 27. August 2008 die offene, nicht rekultivierte Fläche mit 15.000 m2 ermittelt worden sei. Die Resultate der Berechnung seien nach den Vorgaben der belangten Behörde, bezogen auf das Restverfüllvolumen zum Stichtag 31. Dezember 2011, adaptiert worden, und für das gesamte genehmigte Kompartiment sei die aktuelle Höhe der Sicherstellung (Ablagerungsphase) unter Einbeziehung der bestehenden indexbereinigten (BKI für den Straßenbau, gesamt) Sicherstellung (Preisbasis: Dezember 2011) mit EUR 33.339,- ermittelt worden.
Mit Beschluss des Landesgerichtes E vom 6. Februar 2012, AZ 26 S 14/12d, wurde über das Vermögen der MP das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und Mag. B. zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 3. September 2012 wurde der am 18. Juni 2012 angenommene Sanierungsplan bestätigt. Mit weiterem Beschluss vom 18. September 2012 wurde ausgesprochen, dass der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt sei, und das Sanierungsverfahren aufgehoben (Auszug aus der Insolvenzdatei vom 10. Oktober 2012 zu AZ 26 S 14/12d des Landesgerichtes E).
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. April 2012 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung der MP insoweit Folge gegeben, als die auferlegte Sicherstellung gemäß § 48 Abs. 2b AWG 2002 auf den Betrag von EUR 33.339,-- herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen.
Dazu führte die belangte Behörde (u.a.) aus, dass § 47 Abs. 9 Deponieverordnung 2008 eine Übergangsbestimmung darstelle und starre Fristen vorgebe. So hätte die Überprüfung und Anpassung der bestehenden Sicherstellungen bis spätestens 31. Oktober 2010 erfolgen sollen, wobei für die Berechnung das "offene Volumen" am 1. Jänner 2008 heranzuziehen sei und der Deponieinhaber die Erhöhung der Sicherstellung bis zum 1. Jänner 2011 zu leisten habe. Durch die Anordnung, dass nicht die gesamte Sicherstellung, sondern lediglich ein auf das offene Volumen bezogener Teil zu leisten sei, solle eine Wettbewerbsgleichheit mit neuen Deponien hergestellt werden. Der LH habe nun das "offene Volumen" mit Stichtag am 1. Jänner 2008 herangezogen, aber nicht bis spätestens 31. Oktober 2010, sondern beinahe ein Jahr später entschieden. Es ergebe sich daher die Frage, ob die Heranziehung des offenen Volumens zu dem genannten Stichtag für die Berechnung der Sicherstellung rechtens gewesen sei. Nach der hg. Rechtsprechung sei, wenn das Gesetz nichts anderes anordne, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich. Hier existiere eine Übergangsbestimmung, doch regle diese nur die Berechnung der Sicherstellung für die Übergangsphase nach Inkrafttreten der Deponieverordnung 2008 mit 1. März 2008. Jede andere Auffassung würde die Übergangsbestimmung - insbesondere deren Abstellen auf den Stichtag 1. Jänner 2008 - als unsachlich erscheinen lassen. Denn: Je weiter man sich zeitlich von diesem Stichtag entferne, desto unsachlicher werde das Abstellen auf einen - dann längst - vergangenen Stichtag. Die Dauer dieser Übergangsphase ergebe sich daraus, dass nach der Deponieverordnung 2008 die Behörde bis spätestens 31. Oktober 2010 zu entscheiden habe und die Sicherstellung bis 1. Jänner 2011 zu leisten sei. Würden diese Fristen - wie hier - nicht eingehalten, so entfalle diese Stichtagsregelung der Übergangsbestimmung für die Berechnung und sei von der Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt auszugehen. Demnach hätte der LH vom offenen Volumen zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides auszugehen gehabt und habe die belangte Behörde vom offenen Volumen zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides auszugehen. Demzufolge habe die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid die neue Berechnung der Sicherstellung in der Höhe von EUR 33.339,-
- laut dem eingeholten schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten, gegen das die MP keine Einwände erhoben habe, zu Grunde gelegt.
Dem Einwand, dass eine Doppelbesicherung vorliege, sei zu entgegnen, dass das Gesetz eine an die Behörde zu leistende Sicherstellung vorsehe und keine Ausnahme normiere, wenn bereits gegenüber dem Grundeigentümer eine privatrechtlich vereinbarte Sicherstellung geleistet worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom LH gemäß § 87b Abs. 2 AWG 2002 erhobene Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der oben genannte Insolvenzverwalter Mag. B. hat die Gegenschrift vom 6. August 2012 erstattet und ebenso beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde bringt vor, dass § 47 Abs. 9 Deponieverordnung 2008 nicht ausschließe, eine Sicherstellung nach dem 31. Oktober 2010 zu überprüfen. Dabei sei die Behörde jedoch an die Vorgabe gebunden, das "offene Volumen am 1. Jänner 2008" heranzuziehen. So solle diese Regelung zu einer Wettbewerbsgleichheit zwischen den bei Inkrafttreten der Deponieverordnung 2008 am 1. März 2008 bereits bestehenden Deponien mit den nach diesem Zeitpunkt genehmigten Deponien führen. Eine Verlegung dieses Beurteilungszeitpunktes für das "offene Volumen" (z.B. in das Jahr 2012) würde dieser Wettbewerbsgleichheit zuwiderlaufen. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass die Sicherstellung der Behörde zur Besicherung der gesamten Deponie diene und auch für Maßnahmen betreffend bereits verfüllte Abschnitte oder Kompartimente zur Verfügung stehen solle. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil sich die belangte Behörde auf ein Gutachten gestützt habe, das der Berechnung ein Restvolumen zum 31. Dezember 2011 zu Grunde gelegt habe, obwohl gemäß § 47 Abs. 9 Deponieverordnung 2008 der 1. Jänner 2008 als Stichtag hätte herangezogen werden müssen. Da sich der Konsens mit dem Bescheid vom 28. April 2009 und überdies die Deponieverordnung geändert hätten, sei gemäß § 48 Abs. 2b AWG 2002 die Sicherstellung anzupassen gewesen. Wenn dabei die dafür vorgesehenen Fristen nicht hätten eingehalten werden können, so könne dies nicht dazu führen, dass für den Deponiebetreiber dadurch eine im Vergleich zu anderen Deponiebetreibern günstigere Lage herbeigeführt werde.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
§ 48 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002, in der bei Erlassung des
angefochtenen Bescheides geltenden und daher für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 9/2011 lautet auszugsweise:
"Bestimmungen für Deponiegenehmigungen
§ 48. (…)
(2) Zugleich mit der Erteilung der Genehmigung hat die Behörde die Leistung einer angemessenen Sicherstellung zur Erfüllung der mit der Genehmigung verbundenen Auflagen und Verpflichtungen, insbesondere für die ordnungsgemäße Erhaltung und Stilllegung oder Schließung der Deponie einschließlich der Nachsorge, aufzuerlegen. Als Leistung einer Sicherstellung gilt eine finanzielle Sicherheitsleistung oder etwas Gleichwertiges, wie zB eine ausreichende Haftungserklärung einer Gebietskörperschaft oder eines Wasser- oder Abfallverbandes. Für den Fall, dass die Maßnahmen betreffend die Einhaltung der Auflagen und Verpflichtungen gemäß dem ersten Satz nicht vom Deponieinhaber gesetzt werden, einschließlich für den Fall der Insolvenz des Deponieinhabers, muss die Sicherstellung der Behörde als Vermögenswert für die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Verfügung stehen.
(2a) Die Berechnung einer Sicherstellung für eine Deponie hat bezogen auf die Auflagen und Verpflichtungen gemäß Abs. 2 erster Satz im Einzelfall zu erfolgen. Sofern keine finanzmathematische Berechnung der Sicherstellung erfolgt, hat die Behörde die Sicherstellung anhand des Baukostenindexes für den Straßenbau wertzusichern; bei einer aufsummierten Steigerung über fünf Prozentpunkte des Baukostenindexes gegenüber der geleisteten Sicherstellung hat der Deponieinhaber die Sicherstellung entsprechend zu erhöhen; sofern Teilbeträge vorgeschrieben sind, ist die Wertsteigerung bei der Bestimmung dieser Teilbeträge zu berücksichtigen. Bei einer Haftungserklärung einer Gebietskörperschaft oder eines Wasser- oder Abfallverbandes muss der Deponieinhaber mit einem Testat eines Wirtschaftsprüfers oder eines für derartige Gutachten allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen der Behörde nachweisen, dass die Kosten für die Einhaltung der Auflagen und Verpflichtungen gemäß Abs. 2 erster Satz in den Abfallübernahmepreisen im vollen Umfang berücksichtigt sind; weiters ist ein derartiges Testat bei jeder Senkung der Abfallübernahmepreise, jedenfalls aber alle fünf Jahre während der Ablagerungsphase, der Behörde vorzulegen.
(2b) Die Behörde hat die bescheidmäßig festgelegte Sicherstellung, insbesondere die Höhe, zu überprüfen und erforderlichenfalls bescheidmäßig anzupassen, wenn sich die rechtlichen Verpflichtungen, deren Erfüllung von der Sicherstellung umfasst ist, ändern. Eine Änderung der rechtlichen Verpflichtungen kann sich insbesondere durch eine Änderung der Verordnung gemäß § 65 Abs. 1 über Deponien oder durch eine Änderung des Genehmigungsbescheides ergeben.
(2c) Abs. 2b gilt nicht für Deponien, für die der Einbringungszeitraum beendet oder die genehmigte Gesamtkapazität erreicht ist.
(…)"
Mit der vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (u.a.) gemäß § 65 Abs. 1 AWG 2002 erlassenen, mit 1. März 2008 in Kraft getretenen Deponieverordnung 2008, BGBl. II Nr. 39/2008, wurde die Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996, außer Kraft gesetzt.
Die §§ 3, 44 und 47 Deponieverordnung 2008 in der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung BGBl. II Nr. 178/2010 (im Folgenden: DVO) lauten auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§ 3. Für diese Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:
(…)
2. Die Ablagerungsphase eines Kompartiments ist der Zeitraum von der Abnahme der für den Betrieb erforderlichen Einrichtungen durch die zuständige Behörde bis zu dem Zeitpunkt, an dem entweder das genehmigte Volumen des Kompartiments erreicht ist oder der Einbringungszeitraum endet oder die Stilllegung des Kompartiments angezeigt wird oder die behördliche Schließung des Kompartiments angeordnet wird.
(…)
12. Ein Deponiekörper umfasst die Gesamtheit der abgelagerten Abfälle einschließlich der technischen Einrichtungen, zB das Deponiebasisdichtungssystem, die Deponieoberflächenabdeckung, das Deponieentgasungssystem und sämtliche Bauwerke, die für dessen Standsicherheit erforderlich sind, zB Rand- und Stützwälle; ein Deponiekörper besteht aus einem oder mehreren Kompartimenten.
(…)
32. Ein Kompartiment ist ein Teil der Deponie, der so ausgeführt ist, dass eine vollständig getrennte Ablagerung von Abfällen, einschließlich einer getrennten Deponiesickerwassererfassung, sichergestellt ist. Jedes Kompartiment muss einer bestimmten Deponie(unter)klasse zugeordnet sein. Mehrere Kompartimente eines Deponiekörpers können gemeinsame Einrichtungen aufweisen (zB Rand- und Stützwälle), sofern es dadurch zu keiner Vermischung von Abfällen oder Wechselwirkung zwischen den Sickerwässern verschiedener Kompartimente kommt.
(…)
40. Nachsorgephase ist der Zeitraum vom Ende der Ablagerungsphase eines Kompartiments bis zum behördlich festgestellten Ende der Nachsorgephase für dieses Kompartiment; die Dauer der Nachsorgephase richtet sich nach dem Zeitraum, in dem für das Kompartiment noch Nachsorgemaßnahmen erforderlich sind.
(…)
53. Stilllegungsphase ist der Zeitraum vom Ende der Ablagerungsphase eines Kompartiments bis zur behördlichen Abnahme sämtlicher Stilllegungsmaßnahmen für das Kompartiment; die Stilllegungsphase ist ein Teil der Nachsorgephase.
(…)
63. Die Vorbereitungsphase ist der Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Genehmigung eines Kompartiments und der Abnahme der für die Abfalleinbringung erforderlichen Bauten und Einrichtungen für das Kompartiment durch die Behörde.
(…)"
"Finanzielle Sicherstellungen
§ 44. (1) Bei der Genehmigung einer Deponie, ausgenommen Bodenaushubdeponien unter 100 000 m3, hat die Behörde dem Deponieinhaber eine angemessene Sicherstellung zur Erfüllung der mit der Genehmigung verbundenen Auflagen und Verpflichtungen aufzuerlegen. Die Maßnahmen sind entsprechend den Bauabschnitten der Deponie sicherzustellen. Sofern bescheidmäßig eine maximale offene Schüttfläche festgelegt ist, sind die Maßnahmen betreffend die Oberflächenabdeckung entsprechend der offenen, noch nicht endgültig abgedeckten Schüttfläche zu besichern. Die Sicherstellung kann entsprechend den in der Genehmigung festgelegten Deponieabschnitten berechnet und auferlegt werden. Die Sicherstellung ist gemäß Anhang 8 zu berechnen; der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Richtlinien zur Anwendung des Anhangs 8 erstellen.
(…)
(2) Als Leistung einer Sicherstellung gilt eine finanzielle Sicherstellung, zB eine Bankgarantie, eine entsprechende Versicherung, ein gesperrtes Bankkonto oder etwas Gleichwertiges, wie eine Haftungserklärung einer Gebietskörperschaft. Eine Sicherstellung muss der Behörde jedenfalls im Fall einer Insolvenz für die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Verfügung stehen, dh. vom Vermögen des Deponieinhabers abtrennbar sein. Eine Bürgschaft oder Haftungserklärung eines privatrechtlichen Unternehmens, ausgenommen eine Bankgarantie oder Versicherung im Sinne des ersten Satzes, ist nicht zulässig.
(3) Die Besorgung der Geschäfte der Verwaltung, des Zugriffs, der Verwendung und der Freigabe von Sicherstellungen für Deponien im Sinne des § 48 Abs. 2 AWG 2002 wird dem Landeshauptmann übertragen. Für den Fall, dass ein Deponieinhaber die erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der mit der Deponiegenehmigung verbundenen Auflagen und Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig durchführt, ist der Landeshauptmann unbeschadet des § 62 AWG 2002 ermächtigt und verpflichtet, auf die Sicherstellung im Ausmaß der voraussichtlich anfallenden Kosten für die von der Behörde zu setzenden Maßnahmen zu greifen.
(…)
(5) Nach Herstellung der endgültigen Oberflächenabdeckung, der diesbezüglichen behördlichen Überprüfung und bei voller Funktionsfähigkeit der übrigen technischen Einrichtungen ist die Sicherstellung auf die Kosten der Nachsorge zu verringern. Nach Feststellung der Behörde, dass für die Deponie keine Nachsorgemaßnahmen mehr erforderlich sind (Ende der Nachsorgephase), ist die Sicherstellung freizugeben.
(…)"
"Übergangsbestimmungen zur Deponieverordnung 1996 und zu Pilotprojekten
§ 47. (…)
(9) Die Behörde hat für Kompartimente, die sich am 1. März 2008 in der Vorbereitungs- oder Ablagerungsphase befinden, bis spätestens 31. Oktober 2010 gemäß § 48 Abs. 2b AWG 2002 die bestehenden Sicherstellungen im Hinblick auf die in dieser Verordnung oder aufgrund dieser Verordnung im Bescheid festgelegten Auflagen und Verpflichtungen unter Anwendung des Anhangs 8 Punkt 2 zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen. Für die Berechnung ist das offene Volumen am 1. Jänner 2008 heranzuziehen. Eine Erhöhung der Sicherstellung hat der Deponieinhaber zum 1. Jänner 2011 zu leisten.
(…)"
Mit der am 1. Juli 2010 in Kraft getretenen Novelle BGBl. II Nr. 178/2010 wurde Deponiebetreibern somit die Möglichkeit eingeräumt, die zu entrichtenden Sicherstellungen stufenweise entsprechend den abgelagerten Massen zu entrichten, also an Stelle eines Einmalerlages der Sicherstellung Ratenzahlungen zu leisten, um Finanzierungsproblemen entgegenzuwirken. Gleichzeitig wurde mit dieser Novelle der Deponieverordnung 2008 der bis dahin in § 47 Abs. 9 dieser Verordnung enthaltene Ausdruck "1. März 2010" durch den Ausdruck "31. Oktober 2010" ersetzt.
Die Parteien des Beschwerdeverfahrens ziehen nicht in Zweifel, dass infolge der Änderung des Konsenses für die gegenständliche Bodenaushubdeponie und des Inkrafttretens der Deponieverordnung 2008 die mit Bescheid vom 2. August 2000 festgelegte Sicherstellung gemäß § 48 Abs. 2b AWG 2002 zu überprüfen und bescheidmäßig anzupassen war. Diese Beurteilung wie auch die dem angefochtenen Bescheid offenkundig zu Grunde gelegte Auffassung, dass sich der gegenständliche Deponiebereich im Sinn des § 47 Abs. 9 erster Satz DVO am 1. März 2008 in der Ablagerungsphase (vgl. dazu § 3 Z. 2 DVO) befunden hat, begegnen keinem Einwand.
Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 47 Abs. 9 zweiter Satz DVO ist für die Berechnung das offene Volumen (des genehmigten Kompartiments, vgl. § 3 Z. 2 DVO) am 1. Jänner 2008 heranzuziehen. Die Auffassung der belangten Behörde, es sei, weil der LH die bestehende Sicherstellung - entgegen § 47 Abs. 9 erster Satz DVO - nicht bis spätestens 31. Oktober 2010 überprüft und angepasst hat, der Berechnung nicht das offene Volumen am 1. Jänner 2008, sondern jenes im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu Grunde zu legen, findet in der DVO keine Deckung. Dass die Berufungsbehörde im Allgemeinen - sofern nicht der Gesetzgeber etwas anderes, so etwa in einer Übergangsbestimmung, anordnet (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 28. April 2011, Zlen. 2007/07/0101, 0102, mwN) - die Sach- und Rechtslage, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegt, ihrer Entscheidungsfindung zu Grunde zu legen hat, führt nicht dazu, dass von dem in § 47 Abs. 9 zweiter Satz DVO festgelegten Zeitpunkt für die Ermittlung des offenen Volumens (1. Jänner 2008) hätte abgegangen werden dürfen. Auch führt die Heranziehung dieses Stichtages im Beschwerdefall - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht - zu keinem unsachlichen Ergebnis:
Die Regelung des § 47 Abs. 9 DVO erfasst nur Kompartimente, die sich bereits am 1. März 2008 in der Vorbereitungs- oder Ablagerungsphase befunden haben. Auch bei einer Überprüfung und Anpassung der bestehenden Sicherstellung im Jahr 2010 bis zum 31. Oktober wären bei Zugrundelegung des offenen Volumens per 1. Jänner 2008 mehr als zwei Jahre verstrichen gewesen, in welchem Zeitraum es in vielen Fällen zu einer Änderung des offenen Volumens gegenüber dem 1. Jänner 2008 gekommen ist. Wie aus § 48 Abs. 2 AWG 2002 iVm § 44 DVO hervorgeht, dient die vom Deponieinhaber zu leistende angemessene Sicherstellung der Behörde als Sicherheit für die Erfüllung der mit der Genehmigung verbundenen Auflagen und Verpflichtungen, so insbesondere im Fall einer Insolvenz des Deponieinhabers. Erst nach Herstellung der endgültigen Oberflächenabdeckung, der diesbezüglichen behördlichen Überprüfung und bei voller Funktionsfähigkeit der übrigen technischen Einrichtungen ist die Sicherstellung auf die Kosten der Nachsorge (vgl. dazu § 3 Z. 40 DVO) zu verringern, und erst nach Feststellung der Behörde, dass für die Deponie keine Nachsorgemaßnahmen mehr erforderlich seien (Ende der Nachsorgephase), ist die Sicherstellung freizugeben (vgl. § 44 Abs. 5 DVO).
Der bloße Umstand, dass das offene Volumen des Kompartiments zwischenzeitig reduziert wurde, schließt allein noch nicht die Gefahr aus, dass die Behörde gegebenenfalls - etwa im Fall der Insolvenz des Deponieinhabers - noch Maßnahmen zur Erfüllung der mit der Genehmigung verbundenen Auflagen und Verpflichtungen setzen muss, die der Deponieinhaber entgegen seinen bescheidmäßigen Verpflichtungen allenfalls unterlassen hat. Vom Wegfall der Gefahr einer solchen finanziellen Belastung für die Behörde kann erst ausgegangen werden, wenn die in § 44 Abs. 5 DVO genannten Voraussetzungen erfüllt sind, so insbesondere erst nach Herstellung der endgültigen Oberflächenabdeckung und der diesbezüglichen behördlichen Überprüfung bei voller Funktionsfähigkeit der übrigen technischen Einrichtungen. Dass diese Tatbestandsvoraussetzungen im Sinn des § 44 Abs. 5 DVO im Beschwerdefall zur Gänze erfüllt waren, kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden und wurde von der MP auch nicht behauptet.
Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der in § 47 Abs. 9 erster Satz DVO getroffenen Anordnung, dass die Behörde bis spätestens 31. Oktober 2010 die bestehenden Sicherstellungen zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen hat, um eine Ordnungsvorschrift handelt, die keine Fallfrist normiert. Die Behörde war daher auf Grund dieser Verordnungsbestimmung nicht gehindert, die Überprüfung und Anpassung nach dem 31. Oktober 2010 vorzunehmen.
Mit ihrer Auffassung, dass, weil der LH den angefochtenen Bescheid erst nach dem 31. Oktober 2010 erlassen hat, trotz der eindeutigen Regelung des § 47 Abs. 9 DVO für die Berechnung nicht das "offene Volumen am 1. Jänner 2008" heranzuziehen sei, hat die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt.
Demzufolge war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 25. Oktober 2012
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