Normen
AWG 2002 §79 Abs1 Z9;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §32 Abs3;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AWG 2002 §79 Abs1 Z9;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §32 Abs3;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (LH) vom 3. Februar 2006 wurde der S - AG die abfallrechtliche Genehmigung für den Weiterbetrieb der bestehenden mechanischen Sortieranlage sowie die Genehmigung für die Erweiterung der Anlage (in der P-Straße in G) erteilt. Mit einem weiteren Bescheid des LH vom 13. Dezember 2006 wurde der S-AG die abfallrechtliche Genehmigung für die Änderung dieser Anlage erteilt. In den Vorschreibungen dieses Bescheides wurde festgelegt, welche Abfallarten in den einzelnen genehmigten Freilagerbereichen zwischengelagert werden dürfen.
Am 21. Jänner 2008 wurde die Anlage überprüft und die Nutzung einer nicht vom Bescheid gedeckten Fläche zum Abstellen von Containern festgestellt.
Der Bürgermeister der Stadt G wandte sich mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Juli 2008 an die Vorstandsmitglieder der S-AG; ihnen wurde darin jeweils vorgeworfen, es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der S-AG zu verantworten, dass am 15. Februar 2008 im Rahmen der Abfallbehandlungsanlage in der P-Straße eine nicht im Bescheid vom 3. Februar 2006 genehmigte direkt im südöstlichen Bereich an den Standort angrenzende Fläche zum Abstellen von leeren und mit Gewerbeabfällen beladenen Abrollcontainern benutzt werde, obwohl diese Benutzung nicht genehmigt worden sei; als übertretene Normen wurden die §§ 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 genannt.
Jeweils mit einem Schriftsatz vom 14. November 2008 gaben die Vorstandsmitglieder bekannt, dass für den genannten Standort gemäß § 9 Abs. 2 VStG ein verantwortlicher Beauftragter, nämlich der Beschwerdeführer, bestellt worden sei.
Daraufhin erließ der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz gegenüber dem Beschwerdeführer einen Ladungsbescheid vom 31. März 2009 zur mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren und wiederholte ihm gegenüber den obgenannten Vorwurf, nämlich das Abstellen von Containern am 15. Februar 2008 auf einer nicht von der abfallrechtlichen Bewilligung umfassten Fläche.
Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2009 nahm der Beschwerdeführer Stellung zur vorgeworfenen Verwaltungsübertretung, in der er außer Streit stellte, dass sich am Überprüfungstag auf dem im südöstlichen Bereich des Standortes angrenzenden Grundstück jene Container befunden hätten, wie sie im Bericht festgehalten worden seien. Diese angemietete Fläche sei jedoch nur für einen kurzen Zeitraum und darüber hinaus keinesfalls zum Lagern oder Ablagern von Abfall verwendet worden. Diese Tätigkeit stelle keine nach dem AWG genehmigungspflichtige Lagerung oder sonstige Tätigkeit dar. Die am Prüfungstag aufgefundenen Container seien am späten Nachmittag des gleichen Tages entfernt worden, sodass es sich nur um eine sehr kurzfristige und völlig unbedeutende Übertretung gehandelt habe.
Die Behörde erster Instanz vernahm am 27. Jänner 2010 den vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen R.F., welcher angab, anlässlich der Kontrolle den Auftrag bekommen zu haben, die Abfälle zu entsorgen und dies noch am gleichen Tag getan zu haben. Die Abfälle seien lediglich für einen kurzen Zeitraum, nämlich von 14. Jänner bis 21. Jänner 2008, zwischengelagert gewesen. Es sei richtig, dass man gewusst habe, dass die Lagerung nicht zulässig sei; diese sei auf Grund einer Notsituation und wegen Platzmangels erfolgt.
In einer weiteren Stellungnahme vom 1. Februar 2010 wiederholte der Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen.
Mit dem Straferkenntnis vom 15. Juni 2010 des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als verantwortlicher Beauftragter der S-AG in der Zeit vom 14. Jänner 2008 bis 21. Jänner 2008 im Rahmen der Abfallbehandlungsanlage der S-AG eine nicht im Bescheid vom 3. Februar 2006 genehmigte, direkt im südöstlichen Bereich an den Standort angrenzende Fläche zum Abstellen von leeren und mit Gewerbeabfällen beladenen Abrollcontainern benutzt zu haben, obwohl diese Benutzung nicht genehmigt gewesen sei. Er habe dadurch § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 übertreten. Wegen dieser Verwaltungsübertretung werde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 3.630,-- EUR bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen verhängt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Die belangte Behörde führte am 21. Dezember 2010 eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen sie den Beschwerdeführer, den Zeugen R.F. und den Sachverständigen für betriebliche Abfallwirtschaft einvernahm. Dieser gab an, bereits am 18. Juli 2007 bei der S-AG eine Erhebung durchgeführt und schon damals darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass diese Fläche nicht von den Anlagenbescheiden umfasst sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Dezember 2010 wurde die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Verwaltungsstrafe über den Beschwerdeführer als verantwortlichen Beauftragten der S-AG verhängt werde.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer weder die Nutzung der gegenständlichen Fläche für die Lagerung und das Abstellen von leeren und mit Gewerbeabfällen beladenen Abfallcontainern noch das Fehlen einer abfallrechtlichen Genehmigung für dieses Grundstück bestritten habe. Nachdem bereits bei der Erhebung am 18. Juli 2007 mitgeteilt worden sei, dass die Fläche nicht von den Anlagenbescheiden umfasst sei und trotzdem diese weiterhin für die Lagerung und Zwischenlagerung von Abfällen benutzt worden sei, könne von einem Versehen der Mitarbeiter daher in keiner Weise gesprochen werden. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 5 VStG zur Strafbarkeit bereits fahrlässiges Verhalten genüge. Der Beschwerdeführer sei dafür verantwortlich, dass die abfallrechtlichen Genehmigungsbescheide eingehalten würden und könne sich nicht darauf berufen, nicht gewusst zu haben, dass das gegenständliche Grundstück nicht als Betriebsareal genehmigt worden sei. Zudem sei ihm lange vor dem vorgehaltenen Zeitpunkt bekannt gewesen, dass die Fläche ohne Genehmigung benützt werde.
Die Richtigstellung des Adressaten des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sei gemäß § 66 Abs. 4 AVG geboten und zulässig, da sämtliche übrigen Daten, wie Vorname und Adresse richtig seien.
Zur Strafbemessung meinte die belangte Behörde, dass dem Beschwerdeführer spätestens seit 18. Juli 2007 die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bekannt gewesen sei, er dieses jedoch nicht geändert habe. Daher sei es ihm nicht gelungen, mangelndes Verschulden oder einen unverschuldeten Rechtsirrtum an der konsenslosen Nutzung des gegenständlichen Grundstückes darzulegen. Über ihn sei lediglich die Mindeststrafe verhängt worden und es sei diese als tat- und schuldangemessen anzusehen und auch den als durchschnittlich eingeschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen angepasst. Eine Anwendung der §§ 20 und 21 VStG sei nicht in Betracht gekommen, da weder verwaltungsrechtliche Unbescholtenheit noch ein anderer Milderungsgrund vorliege und auch das Verschulden des Beschwerdeführers nicht als geringfügig angesehen werden könne.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des AWG 2002 haben folgenden Wortlaut:
"§ 79. (1) Wer
- 1. ...
- 9. eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach § 37 erforderlichen Genehmigung zu sein,
10. ...
begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730,-- EUR bis 36.340,-- EUR zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3.630,-- EUR bedroht.
(2) ….
§ 81. (1) Die Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 1 VStG beträgt ein Jahr. Bei Verpflichtungen, über die Meldungen zu erstatten sind, beginnt die Frist mit Einlangen der jeweiligen Meldung bei der zuständigen Behörde.
(2) …."
Die hier interessierenden Bestimmungen des VStG lauten:
"§ 31. (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
(3) ….
§ 32. (1) ...
(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
(3) Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten.
§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
- 1. ….
- 3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen."
- 2. Der Beschwerdeführer macht unter anderem unter dem Aspekt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend, die Erstbehörde habe ihm ursprünglich eine Verwaltungsübertretung "am 15. Februar 2008" angelastet, erstmals mit Straferkenntnis vom 15. Juni 2010 sei aber von einer Verwaltungsübertretung in der Zeit "vom 14. Jänner 2008 bis 21. Jänner 2008" die Rede. Diesbezüglich sei jedoch die Verjährung gemäß § 81 Abs. 1 AWG 2002 eingetreten, zumal die relevante Fläche nach der Kontrolle am 21. Jänner 2008 umgehend gänzlich geräumt und nicht mehr genutzt worden sei.
Nach § 45 Abs. 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Das ist gemäß § 31 Abs. 1 VStG dann der Fall, wenn gegen eine Person binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3 VStG) vorgenommen worden ist. Eine derartige Verfolgungshandlung muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben; das erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente beziehen muss. Dazu zählt grundsätzlich auch die Nennung des Tatortes und der Tatzeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 2011, 2007/07/0158, mwN).
Die besondere Bedeutung der Verfolgungshandlung in Hinblick auf die Verjährung liegt darin, dass die Verfolgungshandlung eine Konkretisierung des Tatvorwurfs insbesondere in zeitlicher und räumlicher Hinsicht enthält; die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat muss dabei (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 26. Juni 2003, 2002/09/0005, und vom 29. Februar 2012, 2008/10/0191).
Es trifft zu, dass Gegenstand sowohl des erstinstanzlichen Straferkenntnisses als auch des angefochtenen Bescheides eine in der Zeit "vom 14. Jänner 2008 bis 21. Jänner 2008" vorgeworfene Verwaltungsübertretung ist.
Nach § 32 Abs. 2 VStG ist die Verjährungsfrist, die nach § 81 Abs. 1 AWG 2002 ein Jahr beträgt, von dem Zeitpunkt an zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Ausgehend vom Tatvorwurf (Zeitraum vom 14. Jänner 2008 bis 21. Jänner 2008) ergibt sich als Zeitpunkt, ab dem diese Frist läuft, der 21. Jänner 2008. Bis zum 21. Jänner 2009 musste daher gegenüber dem Beschwerdeführer eine wirksame Verfolgungshandlung gesetzt werden, widrigenfalls Verfolgungsverjährung eingetreten wäre.
Die Erstbehörde wandte sich erstmals mit Ladungsbescheid vom 31. März 2009, somit außerhalb der Verjährungsfrist, an den Beschwerdeführer. Allerdings waren im entscheidenden Zeitraum bereits Verfolgungsschritte gegen die Vorstandsmitglieder der S-AG (Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Juli 2008) als nach zur Vertretung nach außen Berufene im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG gesetzt worden, die nach § 32 Abs. 3 VStG auch als Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer als verantwortlichen Beauftragten anzusehen sind.
In diesen inhaltsgleichen Aufforderungen zur Rechtfertigung wurde das vorgeworfene strafbare Verhalten aber unter Anführung eines konkreten Tatzeitpunktes dahingehend umschrieben, dass "am 15. Februar 2008" eine nicht genehmigte Fläche zum Abstellen von Abrollcontainern benutzt worden sei. Von einer im Zeitraum "vom 14. Jänner 2008 bis 21. Jänner 2008" vorgenommenen Übertretung dieser Art ist darin nicht die Rede.
Daraus folgt aber, dass innerhalb der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlung gegen den Beschwerdeführer gesetzt wurde, in der der nun relevante Tatzeitraum bezeichnet worden war; die damals gesetzten Verfolgungshandlungen bezogen sich auf einen außerhalb dieses Tatzeitraums liegenden einzelnen Tag als Tatzeitpunkt.
Die belangte Behörde hätte daher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 45 Abs. 1 Z 3 VStG zu verfügen gehabt. Die dennoch erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers erweist sich somit als rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 24. Jänner 2013
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)