VwGH 2012/06/0175

VwGH2012/06/017526.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerden der H GmbH in U, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen 1. den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 9. August 2012, Zl. 20704-07/652/4-2012 (protokolliert zu Zl. 2012/06/0175) und 2. den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 23. Oktober 2013, Zl. 20704- 07/652/17-2013 (protokolliert zu Zl. 2013/06/0230), jeweils betreffend eine Bauplatzerklärung (mitbeteiligte Partei: E K, vertreten durch Mag. Guido Leitgeb, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 69), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12 Abs4;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12a Abs2;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §22 lita;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §24 Abs3;
AVG §8;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12 Abs4;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12a Abs2;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §22 lita;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §24 Abs3;

 

Spruch:

1. Der erstangefochtene Bescheid (protokolliert zu Zl. 2012/06/0175) wird dahingehend abgeändert, dass sein Spruch zu lauten hat:

"Der Spruch des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft vom 18. Mai 2012, Zl. 30402-251/1863/38-2012, wird dahingehend geändert, dass er zu lauten hat:

Die Eingabe von Frau E K, rechtsfreundlich vertreten durch RA Mag. Guido Leitgeb, vom 21.10.2011, betreffend die

Begründung

Zu der zu Zl. 2012/06/0175 protokollierten Beschwerde:

Mit Schriftsatz vom 22. November 2001 suchte Eleonore H., die (damalige) Eigentümerin der Grundstücke Nr. .60 und 388, KG O., um Änderung einer bestehenden Bauplatzerklärung, die Teile dieser Grundstücke beinhaltete, an.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (im Folgenden: BH) vom 9. Jänner 2002 wurde eine Teilfläche des Grundstücks Nr. 388 nach Maßgabe des eingereichten Lageplanes gemäß § 14 Abs. 2 Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) zum Bauplatz erklärt und gleichzeitig gemäß § 24 BGG diese Fläche im Ausmaß von

1.943 m2 und der bestehende Bauplatz auf Grundstück Nr. .60 sowie eine weitere Teilfläche des Grundstückes Nr. 388 im Ausmaß von 4.000 m2 zu einem Bauplatz im Ausmaß von nunmehr 5.943 m2 zusammengelegt. Dieser Bescheid wurde durch die Bescheide der BH vom 10. Mai 2002 (diese Änderung bezog sich nicht auf die festgestellte Fläche des Bauplatzes), 16. Mai 2007 sowie 27. Juni 2007 wiederholt geändert, sodass schlussendlich ein neuer Gesamtbauplatz, bestehend aus den Grundstücken Nr. .60 (Baufläche) und Nr. 388, mit einer Fläche von 7.877 m2 geschaffen wurde. Der letztgenannte Bescheid vom 27. Juni 2007 wurde mit den Bescheiden der BH vom 24. März 2010 und vom 1. Dezember 2010 jeweils in Bezug auf die Bebauungsgrundlagen geändert.

Sowohl die Antragstellerin als auch die BH gingen davon aus, dass (damals) alle betroffenen Grundstücke im Eigentum von Eleonore H. stünden. Andere Parteien wurden den Verfahren zur Bauplatzerklärung daher nicht beigezogen, und die Bescheide wurden auch nur der Antragstellerin zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 25. August 2011 ersuchte die Mitbeteiligte die BH um Übermittlung des Bauplatzerklärungsbescheides vom 24. März 2010 samt den maßgeblichen Unterlagen. Dies wurde damit begründet, dass die Bauplatzerklärung auch einen Teil des in ihrem Eigentum stehenden Grundstückes Nr. 370/10 umfasse, sodass sich daraus ihre Parteistellung im Bauplatzerklärungsverfahren ergebe. Es sei beabsichtigt, eine Änderung dieses Bescheides herbeizuführen, weil die Mitbeteiligte kein Interesse daran habe, mit ihrem Liegenschaftsanteil von der Bauplatzerklärung umfasst zu sein.

Mit Schreiben vom 1. September 2011 übermittelte die BH der Mitbeteiligten sämtliche Bescheide betreffend die Bauplatzerklärung, die zwischen 1. Jänner 2002 und 1. Dezember 2010 erlassen worden waren, und führte weiter aus, auf Grund der Vorlage eines unrichtigen Geometereinmessplanes sei bereits mit der Bauplatzerklärung vom 9. Jänner 2002 auch ein Teil des Grundstückes Nr. 370/10 zum Bauplatz erklärt worden. Im eingereichten und der Bauplatzerklärung zugrunde gelegten Lageplan sei die betroffene Fläche als Teil des Grundstücks Nr. 388 ausgewiesen gewesen. Auf Grundlage dieser Bauplatzerklärung seien im Laufe der Jahre weitere Änderungen der Bauplatzerklärung vorgenommen worden. Zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung vom 9. Jänner 2002 sei die Mitbeteiligte bereits Eigentümerin des Grundstückes Nr. 370/10 gewesen. Auf Grund des fehlerhaften Geometereinmessplanes sei sie nicht als Eigentümerin eines Teiles des Bauplatzes erkannt und daher weder zu den Bauplatzverhandlungen geladen noch seien ihr die entsprechenden Bescheide zugestellt worden. Sie sei daher im Bauplatzerklärungsverfahren "übergangene Partei". Zur Sanierung dieses rechtlichen Mangels würden ihr sämtliche Rechtsakte ab der Bauplatzerklärung im Jahr 2002 zugestellt. Die Rechtsmittelfristen (von zwei Wochen) begännen ab Zustellung der Bescheide zu laufen.

Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2011 stellte die Mitbeteiligte den Antrag auf Änderung, in eventu Aufhebung einer Grundfläche als Bauplatz gemäß § 22 ff BGG. Dies begründete sie damit, dass ein Teil (ca. 55 m2) der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft Nr. 370/10 von der Bauplatzerklärung mitumfasst sei, ohne dass sie als Eigentümerin davon Kenntnis gehabt und eine Zustimmung erteilt hätte. Als Grundeigentümerin habe sie das Recht, die Änderung (in eventu die Aufhebung) der Bauplatzerklärung zu fordern. Die Behörde habe selbst eingeräumt, dass die Mitbeteiligte "übergangene Partei" sei. Die Mitbeteiligte sei nicht verhalten gewesen, gegen die ihr zugestellten Bescheide vom 9. Jänner 2002 bis 1. Dezember 2010 eine Berufung einzubringen, weil sich der jeweils die Rechtssache bindend regelnde "Spruch" der Bescheide zur Bauplatzerklärung ausschließlich auf die Grundstücke Nr. 388 und .60 beziehe. Da die Liegenschaft der Mitbeteiligten niemals Teil des Spruches gewesen sei, sei es rechtlich notwendig, dass die Behörde nunmehr auf Grund dieses Antrages die Bauplatzerklärung für die Teilfläche, die im Eigentum der Mitbeteiligten stehe, aufhebe.

Mit Schriftsatz vom 14. November 2011 forderte die BH die Mitbeteiligte auf, zu konkretisieren, ob eine Aufhebung des Bauplatzes gemäß § 22 BGG oder eine Änderung desselben gemäß § 24 leg. cit. beantragt werde. Im Fall einer Änderung werde sie aufgefordert, den Antrag auch vom Eigentümer der übrigen Grundstücke unterfertigen zu lassen oder dessen Zustimmung einzuholen. Bei nicht fristgerechter Ergänzung sei mit einer Zurückweisung des Ansuchens zu rechnen.

Die Beschwerdeführerin führte in ihrer Stellungnahme vom 18. November 2011 aus, dem Antrag der Mitbeteiligten nicht zuzustimmen, und sprach sich gegen eine Änderung des bestehenden Bauplatzes aus.

Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2011 führte die Mitbeteiligte aus, sie habe grundsätzlich einen Antrag auf Aufhebung des Bauplatzes, in eventu einen solchen auf Änderung desselben gestellt. Sie gehe weiterhin davon aus, dass die Einholung der Zustimmung der Eigentümerin der anderen Grundstücke nicht notwendig sei; eine Antragslegitimation sei auch in Bezug auf § 24 BGG ohne Zustimmung der weiteren Grundstückseigentümer gegeben.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2012 wies die BH den Antrag der Mitbeteiligten auf Änderung der Bauplatzerklärung betreffend den Liegenschaftsanteil des Grundstückes Nr. 370/10 im Ausmaß von ca. 55 m2, in eventu auf Aufhebung der Bauplatzerklärung betreffend den genannten Liegenschaftsanteil des bestehenden Bauplatzes zurück. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass gemäß § 24 BGG die Antragslegitimation nur allen Eigentümern der in Betracht kommenden Grundstücke gemeinsam zukomme. Sofern die Mitbeteiligte mit ihrem Vorbringen, die Antragslegitimation sei auch ohne die Zustimmung der weiteren Grundstückseigentümer gegeben und eine Sachentscheidung dürfe nicht verweigert werden, auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Februar 1985, VfSlg 10347/1985, Bezug nehme, sei der Sachverhalt dieser Entscheidung mit dem des gegenständlichen Verfahrens nicht vergleichbar. Die Mitbeteiligte sei auf Grund eines Fehlers des Geometereinmessplanes "übergangene Partei". Dieser Mangel sei durch die Zustellung sämtlicher mit diesem Fehler behafteter Rechtsakte saniert worden. Der Mitbeteiligten sei dadurch keine Sachentscheidung in der Rechtsfrage vorenthalten worden. Sie habe jedoch keine Berufung erhoben. Ihr Antrag auf Änderung bzw. Aufhebung der Bauplatzerklärung sei mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Dagegen berief die Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 4. Juni 2012. Begründend führte sie aus, dem Wortlaut des BGG sei nicht zu entnehmen, dass Anträge zwingend auch der Unterschrift jener Eigentümer bedürften, die zum Gutsbestand einer anderen Grundbucheinlage gehörten. Der Bescheid vom 9. Jänner 2002 beziehe sich in seinem Spruch in keiner Weise auf die Liegenschaft der Mitbeteiligten. Dies gelte gleichermaßen für die nachfolgenden Bescheide. Soweit der Spruch des Bescheides auf einen Lageplan verweise, komme diesem nicht die Qualität einer Planurkunde zu, die Grundlage für die Einbeziehung eines Teiles des Grundstücks Nr. 370/10 in den Spruch des Bescheides sein könne. Die Mitbeteiligte sei daher nicht gehalten gewesen, gegen die ihr gesondert übermittelten Bescheide des Bauplatzerklärungsverfahrens ein Rechtsmittel einzubringen. Vielmehr wäre nach dem Bekanntwerden der unrichtigen Planunterlagen gemäß § 68 AVG vorzugehen gewesen; dies sei immer noch möglich. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 25. Februar 1985 werde klargestellt, dass nicht grundsätzlich ohne Berücksichtigung des Einzelfalls davon ausgegangen werden könne, eine Antragslegitimation sei nur unter der Voraussetzung der Mitunterfertigung aller Eigentümer zulässig. Auf eine Bebaubarkeit des antragsgegenständlichen Liegenschaftsanteils von 55 m2 komme es nicht an, weil die gesamte Liegenschaft Grundstück Nr. 370/10 mit einer Gesamtfläche von 1174 m2 zu beurteilen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom 9. August 2012) behob die belangte Behörde den Bescheid der BH vom 18. Mai 2012 "ersatzlos" und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diese zurück. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die erstinstanzliche Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Erkenntnis des VfGH vom 25. Februar 1985 im gegenständlichen Verfahren nicht entscheidungsrelevant sei. In diesem Erkenntnis habe der VfGH festgestellt, dass die mit dem Eigentum an einem Grundstück zusammenhängenden Rechte dem Beschwerdeführer, der das Eigentum an einem Grundstück, das Teil eines Bauplatzes gewesen sei, im Wege einer Versteigerung erworben habe, zustünden; dieser sei daher in einem Verfahren über die Änderung eines sein Grundstück betreffenden Bauplatzes gemäß des § 24 iVm § 12 Abs. 4 erster Satz BGG Partei; als solche habe er einen Rechtsanspruch auf eine Entscheidung über eine von ihm begehrte Änderung des Bauplatzes nach Maßgabe des § 24 Abs. 2 BGG; die erstinstanzliche Behörde habe jedoch das Verfahren eingestellt und keine Sachentscheidung gefällt; durch diese gesetzwidrige Verweigerung einer Sachentscheidung sei das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Aus der Sicht der belangten Behörde sei dieses Erkenntnis auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwenden. Ein Grundstückseigentümer sei allein antragslegitimiert, auch wenn ein Bauplatz mehrere Grundstücke mit unterschiedlichen Eigentümern umfasse, unabhängig davon, wie es zu dieser besonderen Konstellation gekommen sei. In beiden Fällen seien die nunmehrigen Antragsteller aus unterschiedlichen Gründen nicht Partei im Bauplatzerklärungsverfahren gewesen und hätten ihre Rechte somit erst in den Anträgen auf Abänderung des Bauplatzes geltend machen können. Dem Beschwerdeführer vor dem VfGH sei bekannt gewesen, dass das von ihm erworbene Grundstück Teil eines Bauplatzes gewesen sei, dennoch habe der VfGH eine Antragslegitimation zuerkannt. Im Unterschied dazu sei im vorliegenden Fall die Mitbeteiligte über die Bauplatzerklärung eines Teiles ihres Grundstückes nicht einmal informiert gewesen. Umso mehr müsse die Entscheidung des VfGH im gegenständlichen Fall zur Anwendung kommen. Der Antrag der Mitbeteiligten sei daher formal zulässig, die BH habe in der Sache darüber zu entscheiden. Wenn die BH der Mitbeteiligten die Stellung einer "übergangenen Partei" zuerkenne, unterscheide sie nicht ausreichend zwischen der Rechtsposition und den rechtlichen Folgen, die mit der Zuerkennung der Parteistellung einerseits und mit der Begründung einer Antragslegitimation andererseits verbunden seien. Der erstmalige Antrag auf Bauplatzerklärung sei mangels Antragslegitimation unzulässig gewesen und die Bauplatzerklärung hätte nicht erfolgen dürfen. Dieser Mangel könne nicht saniert werden, indem die Mitbeteiligte einer übergangenen Partei gleichgestellt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Zu der zur Zl. 2013/06/0230 protokollierten Beschwerde:

Zur Vorgeschichte wird auf das dem erstangefochtenen Bescheid zugrunde liegende Verfahren verwiesen.

Nachdem der Bescheid der BH vom 18. Mai 2012 mit dem oben genannten Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 9. August 2012 ersatzlos behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die BH zurückverwiesen worden war, wies die BH den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Änderung der Bauplatzerklärung mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 ab und jenen auf Aufhebung der Bauplatzerklärung zurück. Die Zurückweisung begründete sie im Wesentlichen damit, dass § 22 BGG nur bei Aufhebung des gesamten Bauplatzes heranzuziehen sei; der Antrag auf Änderung der Bauplatzerklärung sei im Sinn der Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit abgewiesen worden.

Die Mitbeteiligte berief gegen diesen Bescheid und brachte im Wesentlichen vor, im Spruch der Bauplatzerklärungen sei das in ihrem Eigentum stehende Grundstück nie angeführt gewesen, somit hätten die Sprüche niemals die ca. 55 m2 große Fläche ihres Grundstückes umfasst.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid (vom 23. Oktober 2013) wurde der Berufung der Mitbeteiligten insofern Folge gegeben, als der Spruch des Bescheides vom 1. Oktober 2012 betreffend den Antrag auf Aufhebung der Bauplatzerklärung hinsichtlich der Teilfläche des Grundstückes Nr. 370/10 im Ausmaß von ca. 55 m2 gemäß § 22 lit. a BBG aufgehoben wurde. Dies begründete die belangte Behörde damit, dass für den Grundstücksteil der Mitbeteiligten nie ein Antrag gestellt worden sei; diesbezüglich sei eine Entscheidung ohne Antrag ergangen, wodurch das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei. Eine solche Verletzung verfassungsgemäß gewährleisteter Rechte könne nicht durch die Zustellung der erlassenen Bescheide und die Einräumung der Rechtsmittellegitimation geheilt werden. Es müsse daher unbeschränkt die Möglichkeit bestehen, die Aufhebung dieses nicht beantragten Aktes zu beantragen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hierüber erwogen:

Auf die vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefälle sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

§ 66 AVG sieht für die Berufungsbehörde Folgendes vor:

"(1) Notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens hat die Berufungsbehörde durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen.

(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

(3) Die Berufungsbehörde kann jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern."

Zu der zur Zl. 2012/06/0175 protokollierten Beschwerde:

Die §§ 12a, 22 und 24 Bebauungsgrundlagengesetz - BGG, LGBl. Nr. 69/1968, in der Fassung LGBl. Nr. 118/2009, lauten (auszugsweise):

"Selbständige Bauplatzerklärung oder Bauplatzerklärung als

Teil der Baubewilligung

§ 12a

(1) Die Bauplatzerklärung kann beantragt und erteilt werden:

  1. a) als selbständiger Verwaltungsakt oder
  2. b) ...

(2) Partei im Bauplatzerklärungsverfahren (Abs. 1 lit a) ist nur der Eigentümer der in Betracht kommenden Grundfläche. Dem Eigentümer ist eine Person gleichzuhalten, die einen Rechtstitel nachweist, der für die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes an der Grundfläche geeignet ist.

(3) ...

(4) Für das Erlöschen und die Änderung der Bauplatzerklärung als Teil der Baubewilligung gelten die §§ 22, 24 und 24a.

Erlöschen der Eigenschaft einer Grundfläche als Bauplatz

§ 22

Die Eigenschaft einer Grundfläche als Bauplatz erlischt durch Aufhebung der Bauplatzerklärung auf Antrag des Grundeigentümers;

...

Änderung eines Bauplatzes

§ 24

(1) Die Änderung der Fläche oder Gestalt eines Bauplatzes, insbesondere die Zusammenlegung mehrerer Bauplätze oder die Unterteilung eines Bauplatzes, bedarf der Genehmigung der Baubehörde.

(2) Die Unterteilung eines bereits bebauten Bauplatzes darf nur genehmigt werden, wenn auf den durch die Unterteilung vorgesehenen bebauten Flächen die baurechtlichen Vorschriften, insbesondere die Vorschriften über die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundflächen und über die Lage der Bauten im Bauplatz, gewahrt bleiben.

(3) Auf die Genehmigung finden die Vorschriften über die Bauplatzerklärung sinngemäße Anwendung. Die Änderung der Bauplatzerklärung setzt aber das Bestehen eines Bebauungsplanes der Grundstufe nicht voraus."

Die Beschwerde begründet ausführlich, dass aus ihrer Sicht Anträge den Bauplatz betreffend sowie solche auf Änderung der Bauplatzerklärung der Unterschrift sämtlicher Eigentümer der betroffenen Liegenschaften bedürften. Die Mitbeteiligte habe jedenfalls ab dem Zeitpunkt, als ihr das Schreiben vom 1. September 2011 samt den Bauplatzerklärungsbescheiden zugestellt worden sei, erkennen können, dass die Teilfläche von ca. 55 m2 Teil des Bauplatzes sei. Dadurch, dass sie gegen diese Bauplatzerklärungsbescheide bzw. deren Änderungen keine Berufung erhoben habe, seien die Bescheide auch bezüglich des Grundstücks Nr. 370/10 ihr gegenüber in Rechtskraft erwachsen, weil in den Bauplatzbescheiden ausdrücklich auf die Planbeilagen Bezug genommen worden sei und sich aus diesen die tatsächliche Situierung des Bauplatzes ergebe.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis berechtigt.

Gemäß § 22 lit. a und § 24 Abs. 3 i.V.m. § 12a Abs. 2 BGG müssen Anträge auf Aufhebung und Änderung einer Bauplatzerklärung von allen Eigentümern der in Betracht kommenden Grundflächen gestellt werden. Dabei handelt es sich um eine Antragsvoraussetzung. Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 25. Februar 1985, VfSlg 10347/1985, für den gegenständlichen Fall nicht maßgeblich. Gegenstand dieser Entscheidung des VfGH war die Frage der Eigentümereigenschaft der Beschwerdeführerin an einer Liegenschaft und davon abgeleitet ihre Parteistellung gemäß § 12 Abs. 4 BGG im Bauplatzerklärungsverfahren. Da die Behörde die Eigentümereigenschaft der Beschwerdeführerin am Grundstück verneinte, kam dieser auch keine Parteistellung im Bauplatzerklärungsverfahren zu, und die Behörde stellte das Verfahren betreffend ihren Antrag auf Teilung eines bestehenden Bauplatzes ein. Ein Sachverhalt, wonach eine Behörde die Parteistellung eines Antragstellers verneinte und deshalb über den Antrag keine Sachentscheidung traf, ist nicht vergleichbar damit, dass die Antragsvoraussetzungen - nämlich die Antragstellung durch alle Grundeigentümer - nicht erfüllt werden.

Da - wie oben ausgeführt - der Eingabe der Mitbeteiligten vom 21. Oktober 2011 die Antragsvoraussetzung der Unterschrift der Beschwerdeführerin fehlte, wies die BH diese mit Bescheid vom 18. Mai 2012 im Ergebnis zu Recht zurück.

Gemäß § 42 Abs. 3a Verwaltungsgerichtshofgesetz - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Es lag daher im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis, dass der Verwaltungsgerichtshof selbst den Spruch des erstangefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 3a VwGG entsprechend abänderte.

Zu der zur Zl. 2013/06/0230 protokollierten Beschwerde:

Der zweitangefochtene Bescheid erging unter der Annahme, dass das Verfahren nach der Behebung durch den Bescheid vom 9. August 2012 fortzusetzen sei. Angesichts der oben ausgeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache selbst besteht für dieses Verfahren keine Rechtsgrundlage mehr. Da auch in diesem Fall die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3a VwGG, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Entscheidungen über den Aufwandersatz gründen sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am 26. Juni 2014

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