VwGH 2012/05/0154

VwGH2012/05/015426.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, in der Beschwerdesache des ES in Wien, vertreten durch Fux Neulinger Mitrofanova Rechtsanwälte OG in 1020 Wien, Taborstraße 11b, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 20. Juni 2012, Zl. BOB - 198/12, betreffend Bauauftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: WM in Wien, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Winkler Pramberger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Neutorgasse 12), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilte mit Bescheid vom 26. März 2012 gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (BO) dem Beschwerdeführer als Miteigentümer der Baulichkeit und Liegenschaft W. Straße 123 etliche baupolizeiliche Aufträge. Hinsichtlich des beschwerdegegenständlichen Punktes (Punkt 9) wurde hingegen ausschließlich der mitbeteiligten Partei als Miteigentümerin des Holzbalkons der Auftrag erteilt, binnen einer Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides den ohne Baubewilligung gartenseitig errichteten, ca. 2,7 m x 5 m großen, ca. 2 m über Niveau auf Stützen liegenden Balkon zu beseitigen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer - soweit beschwerdegegenständlich - vor, dass er Alleineigentümer des gegenständlichen Wohnhauses, die mitbeteiligte Partei jedoch Eigentümer (nicht Miteigentümer) des Holzbalkons sei, weshalb der Beseitigungsauftrag an die mitbeteiligte Partei als Eigentümerin zu richten sei.

Die mitbeteiligte Partei brachte ebenfalls eine Berufung ein, in der sie im Wesentlichen ausführte, dass sich die belangte Behörde nicht mit der Frage der Eigentümereigenschaft am gegenständlichen Balkon auseinandergesetzt habe. Die mitbeteiligte Partei sei Bestandnehmer der Liegenschaft. Der Bestandnehmer eines Grundstückes könne zwar Eigentümer des von ihm errichteten Gebäudes sein, sofern es sich um ein Superädifikat handle. Sei der vom Grundeigentümer verschiedene Adressat eines baubehördlichen Beseitigungsauftrages jedoch nicht Superädifikatseigentümer, sei eine Auftragserteilung an ihn rechtswidrig. Die erstinstanzliche Behörde sei offensichtlich ungeprüft davon ausgegangen, dass die mitbeteiligte Partei "Miteigentümer" des Holzbalkons sei. Der Holzbalkon sei ein Bestandteil des gesamten Gebäudes auf der gegenständlichen Liegenschaft und kein Superädifikat, weshalb die Behörde den Beseitigungsauftrag nicht an die mitbeteiligte Partei, sondern an den Liegenschaftseigentümer hätte richten müssen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde - soweit beschwerdegegenständlich - der Auftrag betreffend die Entfernung des Holzbalkons (Punkt 9) gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Zustellverfügung des angefochtenen Bescheides könne entnommen werden, dass der Auftrag zur Entfernung des Balkons an die mitbeteiligte Partei als Eigentümerin (fälschlich "Miteigentümer") gerichtet worden sei. Der Mitbeteiligte sei Mieter der Wohnung, von der aus der Balkon betreten werden könne. Eigentümer der Liegenschaft sei laut Grundbuchauszug der Beschwerdeführer. Die mitbeteiligte Partei könnte, da sie nicht Grundeigentümerin sei, nur dann Eigentümerin des Balkons sein, wenn es sich um ein sonderrechtsfähiges Superädifikat handelte. Dies sei nicht der Fall. Zunächst sei der Balkon, auch wenn er auf Stützen stehe, als unselbständiger Bestandteil des Gebäudes anzusehen, sodass eine Sonderrechtsfähigkeit, wie sie für die Annahme eines Superädifikates Voraussetzung wäre, nicht vorliege. Entscheidend dafür sei, dass ein selbständiger Bestandteil nur dann vorliege, wenn sich die Bestandteile technisch und wirtschaftlich trennen ließen. Die Abtrennung sei dann regelmäßig unwirtschaftlich, wenn Teil- und Restsache zusammen weniger wert seien als die ungeteilte Sache. Werde durch die Absonderung das Wesen der Hauptsache oder des Bestandteiles so verändert, dass die nach der Absonderung verbliebene Hauptsache oder der abgelöste Bestandteil wirtschaftlich als etwas anderes anzusehen wäre als vor der Absonderung, dann sei ein unselbständiger Bauteil gegeben. Davon ausgehend sei der gegenständliche Balkon als unselbständiger Bestandteil des Gebäudes anzusehen, weil der abgelöste Bauteil nur mehr eine Holzkonstruktion darstelle, die wirtschaftlich als etwas völlig anderes und im Wert Geringeres anzusehen sei, als ein Balkon. Es liege auch kein die Annahme eines Superädifikates rechtfertigendes Grundnutzungsverhältnis zwischen dem Eigentümer der Liegenschaft und der mitbeteiligten Partei vor. Vermietet worden sei lediglich der Innenraum der Wohnung Top Nr. 1 und 2, nicht das Grundstück oder Teile davon mit dem Recht, darauf Gebäude zu errichten. Es sei daher nicht zu erkennen, dass der gegenständliche Balkon als Superädifikat im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehe. Daraus folge, dass der auf § 129 Abs. 10 BO gestützte Auftrag auch nicht an die mitbeteiligte Partei zu richten sei. Der Auftrag der Beseitigung des Balkons sei daher, weil er nur an die (passiv nicht legitimierte) mitbeteiligte Partei gerichtet sei, zu beheben.

Gegen diesen Bescheid, soweit er Punkt 9 (den Holzbalkon) betrifft, richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer bringt (neben Ausführungen zur Eigentumslage am Balkon) vor, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei insofern unrichtig, als das Eigentumsrecht an der Holzterrasse unzutreffend festgestellt worden sei. Bei der Holzterrasse handle es sich um ein Superädifikat, welches im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehe. Ausgehend von ihrer verfehlten Ansicht habe die belangte Behörde zu Unrecht Punkt 9 des erstinstanzlichen Bescheides aufgehoben. Würde der Beschwerdeführer den Bescheid nicht bekämpfen, wäre im fortgesetzten Verfahren der baubehördliche Auftrag betreffend die Holzterrasse an ihn und nicht an die mitbeteiligte Partei zu richten, wodurch dem Beschwerdeführer hohe Kosten entstünden. Der Mitbeteiligte hätte ein subjektives Recht darauf, dass der Auftrag dem Beschwerdeführer erteilt würde.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Aus der erforderlichen Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten ergibt sich, dass nicht schon die Behauptung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides an sich zur Beschwerdeerhebung berechtigt, sondern nur eine solche behauptete Rechtswidrigkeit, die den Beschwerdeführer in "seinen", d.h. ihm in der angewendeten Verwaltungsvorschrift eingeräumten, subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen kann (vgl. den hg. Beschluss vom 12. Oktober 2010, Zl. 2009/05/0202, mwH).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, denen der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der gegen die mitbeteiligte Partei erlassene baubehördliche Auftrag betreffend die Beseitigung des Holzbalkons aufgehoben. Der Beschwerdeführer kann durch die Aufhebung dieses nicht an ihn gerichteten baubehördlichen Auftrages nicht in seinen Rechten verletzt sein. Zwar ist die in Spruch und Begründung eines Aufhebungsbescheides nach § 66 Abs. 2 AVG zum Ausdruck kommende, die Behebung und Zurückverweisung tragende Rechtsansicht der Berufungsbehörde, solange die dafür maßgebende Sach- und Rechtslage keine Veränderung erfährt, sowohl für die Unterbehörde als auch (im Fall eines weiteren Rechtsganges) für die Berufungsbehörde selbst bindend (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, S. 1315 f unter E 394, E 395 und E 397 zitierte hg. Rechtsprechung). Dies gilt jedoch nicht - wie im vorliegenden Fall - bei der ersatzlosen Aufhebung eines Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG.

Darüber hinaus steht niemandem ein Rechtsanspruch auf die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zur Beseitigung gemäß § 129 Abs. 10 BO zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2011, Zl. 2008/05/0171), hier also auch nicht dem Mitbeteiligten.

Es fehlt daher mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit in der Sphäre des Beschwerdeführers an dessen Beschwerdelegitimation gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 26. Juni 2013

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