VwGH 2011/23/0560

VwGH2011/23/056020.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. April 2009, Zl. E1/518.372/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
StGB §142 Abs1;
StGB §143;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
StGB §142 Abs1;
StGB §143;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, kam nach eigenen Angaben im Februar 2001 nach Österreich. Er verfügte zunächst bis 31. Oktober 2001 über eine Aufenthaltserlaubnis als Student. Im Hinblick auf die erfolgte Adoption durch seine Tante, eine österreichische Staatsbürgerin, erhielt er in der Folge eine Niederlassungsbewilligung, die mehrfach verlängert wurde. Seit dem 4. November 2005 verfügt er über einen Niederlassungsnachweis.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. September 2008 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren rechtskräftig verurteilt. Dem gerichtlichen Schuldspruch zufolge hat der Beschwerdeführer am 30. Juli 2008 einen Bankangestellten zur Übergabe eines Geldbetrages in der Höhe von über EUR 16.000,-- genötigt, indem er eine Gaspistole auf ihn richtete und ihn mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bedrohte.

Im Hinblick darauf erließ die belangte Behörde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. April 2009 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Auf Grund der erwähnten Verurteilung sah die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG als erfüllt an. In Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gefährde das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit "in höchstem Maße", sodass sich (auch) die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Gefährdungsannahme als gerechtfertigt erweise. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer geständig gewesen sei und sich beim Raubüberfall in einem "psychischen Ausnahmezustand" befunden habe, könnte die von ihm ausgehende Gefahr nicht vermindern; dies auch deshalb, weil der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bereits seit längerer Zeit finanzielle Probleme gehabt, aber trotzdem immer wieder Geld verspielt habe.

In Ansehung des § 66 FPG nahm die belangte Behörde im Hinblick auf den achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie darauf, dass er mit seiner Adoptivmutter im gemeinsamen Haushalt lebe, einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben an. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz fremden Vermögens) dringend geboten. Die aus seinem bisherigen Aufenthalt in Österreich ableitbare Integration sei in ihrer sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt. Die Bindung des Beschwerdeführers, der ledig sei und keine Sorgepflichten habe, zu seiner Adoptivmutter werde durch seine Volljährigkeit relativiert. Bei einer Gesamtbetrachtung müssten die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten.

In Anbetracht des schwerwiegenden strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers sei - so die belangte Behörde weiter - eine Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten ausgeschlossen. Da auch nicht vorhergesehen werden könne, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund, nämlich die von ihm ausgehende Gefährdung gewichtiger öffentlicher Interessen, weggefallen sein werde, sei die vorliegende Maßnahme unbefristet zu erlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im April 2009 geltende Fassung.

Nach § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme iSd Abs. 1 rechtfertigende Tatsache (u.a.) zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.

Dass die genannte Alternative dieser Bestimmung durch die vorliegende Verurteilung erfüllt ist, liegt auf der Hand und wird auch in der Beschwerde nicht bestritten. Der Beschwerdeführer wendet sich aber gegen die Gefährdungsprognose der belangten Behörde. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass er bei Begehung der Straftat in einem psychischen Ausnahmezustand und dass er "reumütig geständig" gewesen sei, weshalb das Strafgericht (mit der Verhängung einer vierjährigen Freiheitsstrafe) auch "von der außerordentlichen Strafmilderungsmöglichkeit Gebrauch" gemacht habe. Auf Grund dieser Umstände sei die Zukunftsprognose für ihn "durchaus positiv".

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde allerdings keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Vorweg ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer wegen des ihm erteilten Niederlassungsnachweises die Rechtsstellung eines "langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen" zukommt, gegen den eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur bei Vorliegen der in § 56 FPG genannten Voraussetzungen zulässig ist (vgl. dazu das Erkenntnis vom 12. September 2012, Zl. 2011/23/0311; grundlegend zum System der abgestuften Gefährdungsprognosen im FPG siehe das Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2008/21/0603). Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid im Spruch zwar lediglich auf § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG. Dadurch wurde der Beschwerdeführer aber nicht in Rechten verletzt. Angesichts seiner Verurteilung vom 23. September 2009 wegen eines Verbrechens zu einer (unbedingten) vierjährigen Freiheitsstrafe ist nämlich die Voraussetzung des § 56 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt, was das Vorliegen einer schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 56 Abs. 1 FPG indiziert. Daran können im vorliegenden Fall auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die außerordentliche Strafmilderung durch das Strafgericht und sein Vorbringen, die Straftat in einem psychischen Ausnahmezustand begangen zu haben, nichts ändern. Maßgeblich ist nämlich, dass bei der von den Fremdenpolizeibehörden eigenständig vorzunehmenden Gefährdungsprognose in Anbetracht seines strafbaren Verhaltens (Begehung eines Bankraubes unter Einsatz einer Gaspistole, wodurch ein hohes Maß an krimineller Energie zum Ausdruck kam) jedenfalls auch das Vorliegen einer schweren Gefahr im dargestellten Sinn zu bejahen war (vgl. auch das Erkenntnis vom 12. September 2012, Zl. 2011/23/0315).

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf sein - auch im Geständnis zum Ausdruck kommendes - Unrechtsbewusstsein und auf sein Wohlverhalten in der Justizanstalt verweist, ist darauf hinzuweisen, dass ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters in erster Linie daran zu messen ist, innerhalb welchen Zeitraumes er sich nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2011/23/0311, mwN). Der Beschwerdeführer befand sich zum (maßgeblichen) Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aber noch in Haft.

Aber auch die von ihr gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung erweist sich nicht als rechtswidrig. Die belangte Behörde anerkannte ausgehend vom achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland und der Bindung zu seiner Adoptivmutter einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Sie stellte seinen persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet aber zu Recht das große öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten der vorliegenden Art gegenüber. Auch der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Umstand, "immer gearbeitet" zu haben, vermag im vorliegenden Fall zu keiner maßgeblichen Verstärkung seiner persönlichen Interessen zu führen. Es ist daher nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde als Ergebnis der Abwägung der gegenläufigen Interessenlagen die gegenständliche Maßnahme als zulässig im Sinn des § 66 FPG erachtete. Vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angesprochene Schwierigkeiten bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat sind von ihm im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Schließlich zeigt die Beschwerde auch mit ihrem Vorbringen, dass es ausreichend gewesen wäre, den Beschwerdeführer zu verwarnen, keine Gründe auf, wonach das Ermessen durch die belangte Behörde nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt worden wäre (siehe dazu das Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, Zl. 2011/23/0318). Die unbefristete Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes wird in der Beschwerde nicht bekämpft.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 20. Dezember 2012

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