Normen
MRK Art8;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
MRK Art8;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste am 2. September 2006 illegal nach Österreich ein. Der von ihm gleich nach seiner Einreise gestellte Asylantrag wurde im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. April 2008 rechtskräftig abgewiesen; unter einem wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers verfügt. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 6. Juli 2010 ab.
Am 19. Juli 2010 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Diesen begründete er mit seiner beruflichen Selbständigkeit als unbeschränkt haftender Gesellschafter eines Gastronomiebetriebes seit beinahe zwei Jahren samt ordnungsgemäßer Krankenversicherung, der Lebensgemeinschaft mit einer armenischen Asylwerberin in Österreich, seiner ortsüblichen Wohnung, seinem langjährigen Aufenthalt in Österreich sowie intensiven Kontakten mit österreichischen Staatsbürgern, etwa im Rahmen eines Vortrags in einer Schule; dazu legte er auch eine Unterschriftenliste sowie Unterstützungsschreiben von Personen vor. Nach Aufforderung reichte der Beschwerdeführer im Verfahren u.a. auch ein Zeugnis über eine bestandene Deutschprüfung, Niveau A2, vom 27. August 2010 nach.
In ihrer Stellungnahme vom 3. August 2010 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, dass fremdenpolizeiliche Maßnahmen im Hinblick auf Art. 8 EMRK aufgrund des noch offenen Asylverfahrens der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers vorübergehend unzulässig seien.
Die erstinstanzliche Aufenthaltsbehörde (Landeshauptmann von Oberösterreich) wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 23. September 2010 gemäß § 43 Abs. 2 und § 44b NAG zurück. Die dagegen eingebrachte Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 43 Abs. 2 und § 44b Abs. 1 NAG ab.
In ihrer Begründung bezog sich die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der im Spruch genannten Bestimmungen rudimentär auf die vom Beschwerdeführer im Antrag geltend gemachte vertiefte Integration und führte dazu lediglich aus, dass der Beschwerdeführer das Sprachdiplom A2 Grundstufe Deutsch erst am 2. September 2010 vorgelegt habe, womit die Erfüllung der entsprechenden Integrationsvereinbarung bei Antragstellung nicht gegeben gewesen sei.
Die vom Beschwerdeführer zur Begründung seiner Antragstellung ins Treffen geführten Umstände seien bereits in der rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung berücksichtigt und einer Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK unterzogen worden; dennoch sei eine Ausweisung für zulässig erachtet worden. Unter Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK sei - so die belangte Behörde abschließend - aus den allgemeinen Ausführungen des Beschwerdeführers zu seiner Antragsbegründung sowie in seinem Berufungsschreiben kein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit der zweitinstanzlichen asylrechtlichen Ausweisungsentscheidung "ab 24.8.2008 bis heute" erkennbar.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides (März 2011) das NAG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 111/2010 und der KM BGBl. I Nr. 16/2011 anzuwenden ist.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. April 2008 rechtskräftig ausgewiesen wurde. Im Hinblick darauf wies die erstinstanzliche Aufenthaltsbehörde den gegenständlichen Antrag nach § 43 Abs. 2 NAG gemäß § 44b (zu ergänzen: Abs. 1 Z 1) NAG mit Bescheid vom 23. September 2010 zurück; die belangte Behörde bestätigte diese Zurückweisung mit dem angefochtenen Bescheid. Dabei hat sie zunächst nicht erkannt, dass im Fall einer Antragszurückweisung durch die erstinstanzliche Behörde "Sache" des Berufungsverfahrens nur die Frage ist, ob die Zurückweisung des Antrages durch die erstinstanzliche Behörde zu Recht erfolgte, und dementsprechend erst nach der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Umstände von der Berufungsbehörde nicht mehr zu berücksichtigen sind (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2010/21/0142).
Entscheidungswesentlich aber hat sie außer Acht gelassen, dass nach dem herangezogenen § 44b Abs. 1 Z 1 NAG mit einer Antragszurückweisung nur dann vorgegangen werden darf, wenn im Hinblick auf das Antragsvorbringen im Verhältnis zur bereits erlassenen Ausweisung eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht erforderlich ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 2011, Zlen. 2011/22/0035 bis 0039). Davon war aber fallbezogen nicht auszugehen. Vielmehr machten die vom Beschwerdeführer geltend gemachten, nach der Ausweisungsentscheidung eingetretenen Umstände - seine erfolgreiche selbständige berufliche Tätigkeit, die erfolgreiche Absolvierung des Deutsch-Grundkurses der Stufe A2 sowie seine Lebensgemeinschaft mit einer Asylwerberin in Österreich, in Verbindung mit dem seit der Ausweisung verstrichenen Zeitraum und damit längeren Aufenthalt des Beschwerdeführers von ca. 2,5 Jahren im Zeitpunkt der Zurückweisung durch die Behörde erster Instanz - eine Neubeurteilung der Situation des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK notwendig.
Damit hat aber die belangte Behörde die Rechtslage dahin verkannt, dass sie dann die in erster Instanz ausgesprochene Antragszurückweisung nicht hätte bestätigen dürfen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/22/0188).
Da die belangte Behörde somit zu Unrecht davon ausging, eine Konstellation wie die vorliegende rechtfertige die Antragszurückweisung, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 29. Mai 2013
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