VwGH 2011/22/0070

VwGH2011/22/007013.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des C O in Graz, geboren am 17. April 1983, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 25. Jänner 2011, Zl. 158.000/2-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs2 Z2;
AsylG 2005 §40 Abs1;
AsylG 2005 §41 Abs6;
FrPolG 2005 §57;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;
VwRallg;
AsylG 2005 §10 Abs2 Z2;
AsylG 2005 §40 Abs1;
AsylG 2005 §41 Abs6;
FrPolG 2005 §57;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 20. Dezember 2010, mit dem sein Antrag vom 20. Oktober 2010 auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" zurückgewiesen worden war, gemäß § 44 Abs. 3 und § 44b Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 2. Juni 2006 illegal nach Österreich eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei am 6. Oktober 2010 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27. September 2010 "rechtskräftig negativ entschieden" worden, zugleich sei die "Durchsetzbarkeit (seiner) Ausweisung" bestätigt worden. Durch diese rechtskräftige Entscheidung sei bereits eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK erfolgt, an die die "NAG-Behörden" gebunden seien.

In seiner Berufung gegen die erstinstanzliche Antragszurückweisung habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er einer geregelten Beschäftigung nachginge und einen Deutschkurs absolviert hätte. Er wäre in Österreich, wo er bereits seit vielen Jahren lebte, sozial integriert. Eine Bestätigung über die erfolgreiche Absolvierung eines Deutschkurses sei allerdings nicht vorgelegt worden. Mit Stellungnahme vom 10. Dezember 2010 sei lediglich eine Bestätigung über die Anmeldung zu einem Deutschkurs in der Zeit vom 21. Februar 2011 bis 16. Mai 2011 übermittelt worden. Dem Antrag des Beschwerdeführers sei zwar zu entnehmen, dass er seit 26. November 2005 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, allerdings bestehe keine aufrechte Lebensgemeinschaft und werde dies auch nicht geltend gemacht. Das Vorliegen einer Ehe sei auch schon im Rahmen der Ausweisungsentscheidung gewürdigt worden.

Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers sei im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK nicht erkennbar, dass in der Zeit ab 27. September 2010 "bis heute" ein maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten wäre; eine Einbindung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark sei vor diesem Hintergrund entbehrlich gewesen.

Die Berufung des Beschwerdeführers sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unbestritten blieb, dass der Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27. September 2010 (zugestellt am 6. Oktober 2010) rechtskräftig ausgewiesen wurde.

Nach dem Wortlaut des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG (idF BGBl. I Nr. 29/2009) und den Materialien (88 BlgNR 24. GP 12 f) ist (unter anderem) ein auf § 44 Abs. 3 NAG gegründeter Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Fremden bereits eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde. Damit steht nämlich fest, dass die Ausweisung des Fremden unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK verhältnismäßig ist, was es ausschließt, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten wäre. Das ergibt sich aus dem inhaltlichen Gleichklang von § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 und § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG einerseits und § 11 Abs. 3 NAG andererseits. Mit einer Zurückweisung ist in diesem Fall nur dann nicht vorzugehen, wenn im Hinblick auf - seit der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung eingetretene - maßgebliche Sachverhaltsänderungen eine neuerliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK erforderlich ist (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 2011, 2011/22/0187, mwN).

Die belangte Behörde gelangte zu dem Ergebnis, dass eine derartige Sachverhaltsänderung nicht eingetreten sei.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen diese Auffassung. Er bringt dazu zunächst vor, dass für die Frage, ob eine Sachverhaltsänderung vorliege, nicht vom Zeitpunkt der Erlassung der zweit-, sondern der erstinstanzlichen Ausweisungsentscheidung auszugehen sei. Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Für die Ausweisung ist nämlich - entsprechend einer im Verwaltungsverfahren generell geltenden Regel (vgl. dazu etwa Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 (2009) 217 ff) - grundsätzlich die Sachlage (und Rechtslage) zum Zeitpunkt der Erlassung der letztinstanzlichen Entscheidung relevant; für maßgebliche Sachverhaltsänderungen gilt auch nicht das Neuerungsverbot des § 40 Abs. 1 AsylG 2005. Nach der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene (maßgebliche) Sachverhaltsänderungen sind daher im Rechtsmittelverfahren noch zu berücksichtigen (anderes gilt gemäß § 57 FPG und gemäß § 41 Abs. 6 AsylG 2005 (nur) dann, wenn sich der Fremde zum Zeitpunkt der Berufungs- bzw. Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält). Im Fall einer im Instanzenzug ergangenen Ausweisung kann es sich daher - abgesehen vom erwähnten Sonderfall einer Rechtsmittelentscheidung nach Ausreise des Fremden - von vornherein nur bei nach Erlassung der letztinstanzlichen Entscheidung eingetretenen Umständen um solche handeln, die maßgeblich sind und nicht schon im Ausweisungsverfahren zu berücksichtigen waren.

Im Hinblick auf eingetretene Sachverhaltsänderungen weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass er "nach wie vor aufrecht verheiratet" sei, auch wenn er aus beruflichen Gründen von seiner Ehefrau getrennt lebe. Er gehe einer Beschäftigung nach, habe Deutschkurse absolviert und seinen Lebensmittelpunkt in Österreich.

Dieses Vorbringen betrifft aber keine Umstände, die nicht schon zum Zeitpunkt der am 6. Oktober 2010 erlassenen Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes vorgelegen wären. In der seither (bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der erstinstanzlichen Antragszurückweisung am 28. Dezember 2010) vergangenen Zeit liegt für sich allein jedenfalls noch keine Sachverhaltsänderung, die eine Neubeurteilung nach Art. 8 EMRK erforderlich machen würde.

Auch die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers gehen ins Leere, legt er doch nicht dar, welche Sachverhaltsänderungen im Fall weiterer Ermittlungen und Einvernahmen durch die belangte Behörde hätten festgestellt werden können.

Die Bestätigung der von der Erstbehörde vorgenommenen Zurückweisung des gegenständlichen Antrags nach § 44 Abs. 3 NAG kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 13. September 2011

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