VwGH 2011/16/0214

VwGH2011/16/021418.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der B Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Johannes Pepelnik, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Czerninplatz 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 11. Mai 2011, Zl. RV/2241-W/07, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

GebG 1957 §16 Abs1 Z1 litb;
GebG 1957 §16 Abs1 Z2 lita;
GebG 1957 §20 Z6;
GebG 1957 §31 Abs2;
GebG 1957 §33 TP20;
GebG 1957;
GGG 1984;
JN §1;
VwGG §23 Abs4;
ZPO §577 idF 2006/I/007;
ZPO §578;
ZPO §605;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft m.b.H.

(Beschwerdeführerin) schloss vor einem Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Wien mit Dfkm. D eine Vergleichsvereinbarung iSd § 1380 ABGB.

Daraufhin setzte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. a GebG für außergerichtliche Vergleiche fest und führte dazu näher aus:

Im Beschwerdefall sei lediglich strittig, ob es sich bei einem Schiedsgericht der Wirtschaftskammer um ein Gericht iSd Gebührengesetzes 1957 handle.

Die Bestimmung des § 33 TP 20 GebG sei als eine jener Regelungen des Gebührengesetzes aufzufassen, die auf die Aufteilung des Gebührengefälles auf die Gerichtsgebühren und Justizverwaltungsgebühren einerseits und die Stempel- und Rechtsgebühren anderseits gerichtet seien (vgl. beispielsweise § 14 TP 1 Abs. 1, TP 4, TP 6 GebG). Diese Intention komme insbesondere in § 33 TP 20 GebG zum Ausdruck, wonach der Tarif auf anhängige Rechtsstreitigkeiten Rücksicht nehme, weswegen daher auch Schiedsvergleiche von der Gebührenpflicht gemäß § 33 TP 20 GebG erfasst seien.

Es liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, aus bestimmten Gründen bestimmte Vereinbarungen von der Vergebührung auszuschließen. Im Beschwerdefall seien eben nur gerichtliche Vergleiche, welche der Gebühr des Gerichtsgebührengesetzes, GGG, BGBl. Nr. 501/1984, unterliegen würden, als Vergleiche von der Vergebührung gemäß § 33 TP 20 GebG ausgeschlossen.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 20. September 2011, B 787/11-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

In dem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom 10. November 2011 erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht "auf Unterlassung einer Gebührenvorschreibung gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit A GebG" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 33 TP 20 Abs. 1 GebG lautet:

"20 (1) Vergleiche (außergerichtliche),

a) wenn der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird

 

……….................................................................

............. 1 vH,

b) sonst

....................................................................

......... 2 vH

vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen."

§ 1 Jurisdiktionsnorm (JN) lautet:

"§ 1. Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen wird, soweit dieselben nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen sind, durch Bezirksgerichte, Bezirksgerichte für Handelssachen, Landesgerichte, Handelsgerichte, durch Oberlandesgerichte und durch den Obersten Gerichtshof (ordentliche Gerichte) ausgeübt."

Die Beschwerdeführerin führt aus, die belangte Behörde habe § 33 TP 20 GebG in unrichtiger Weise angewandt, weil lediglich außergerichtliche Vergleiche gebührenpflichtig seien, worunter solche gemeint seien, die weder vor einem ordentlichen Gericht noch vor einem Schiedsgericht abgeschlossen worden wären. Eine Differenzierung sei daher im Wortlaut dieser Bestimmung nicht gedeckt. Die belangte Behörde könne auch nicht dem GebG einen von der übrigen Rechtsordnung völlig unterschiedlichen Gerichtsbegriff unterstellen, nur um Schiedsgerichte nicht unter Gerichte zu subsumieren.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die ordentliche Gerichtsbarkeit nach § 1 JN festgelegt wird. Schiedsgerichte sind Sondergerichte (vgl. §§ 577 ff ZPO idF des SchiedsRÄG 2006, BGBl. I Nr. 7), welchen als solche regelmäßig nicht die volle Gerichtsgewalt zukommt. Den Schiedsgerichten fehlt es an Ordnungs- und Zwangsgewalt, wodurch sie sich wesentlich von den ordentlichen Gerichten unterscheiden.

Das Schiedsverfahren vor Schiedsgerichten mit Sitz in Österreich wird in §§ 577 ff Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Aus diesen Bestimmungen ist eine Differenzierung zwischen einem Schiedsgericht und einem (ordentlichen) Gericht ableitbar. Demnach normiert beispielsweise § 578 ZPO über das Tätigwerden (ordentlicher) Gerichte im Schiedsverfahren:

"Das Gericht darf in den in diesem Abschnitt geregelten Angelegenheiten nur tätig werden, soweit dieser Abschnitt es vorsieht."

Aus der Gesetzessystematik der ZPO ist daher erkennbar, dass der Gesetzgeber für die Bezeichnung ordentlicher Gerichte den Begriff "Gericht" gewählt hat, wohingegen das Schiedsgericht explizit als solches bezeichnet wird.

Diese begriffliche Unterscheidung hat der Gesetzgeber wohl auch dem Gebührengesetz zu Grunde legen wollen, als er beispielsweise in § 20 Z 6 GebG ausdrücklich Rechtsgeschäfte von der Gebührenpflicht ausgenommen hat,

"über die eine Urkunde im Ausland errichtet wurde, solange keine andere Voraussetzung für das Entstehen der Gebührenschuld gegeben ist als die Verwendung der Urkunde (beglaubigten Abschrift) bei einem Gericht (Schiedsgericht), das nur auf Grund einer Vereinbarung eines inländischen Gerichtsstandes zuständig ist".

Ein nachgesetzter Klammerausdruck kann zwar auch der Erläuterung dienen, vielfach ersetzt er aber ein ergänzendes "oder", beispielsweise in § 16 Abs. 1 Z 1 lit. b und Z 2 lit. a GebG (Aushändigung (Übersendung)), § 20 Z 6 und § 31 Abs. 2 GebG (Urkunde (deren beglaubigte Abschrift)) sowie § 23 Abs. 4 VwGG (Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer)).

Gerade solch ein "oder" sagt der Klammerausdruck "(Schiedsgerichte)" in § 20 Z 6 GebG aus. Der Gesetzgeber wollte nur in diesem Fall die Schiedsgerichte den Gerichten gleichstellen, in den übrigen Fällen, wie im Beschwerdefall in § 33 TP 20 GebG trifft dies eben nicht zu.

Diese Ansicht steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn er lediglich vor dem Streitrichter abgeschlossene Vergleiche - unabhängig von ihrem Gegenstand - keiner Rechtsgeschäftsgebühr nach § 33 TP 20 GebG, sondern nach Maßgabe des Gerichtsgebührengesetzes einer Gebührenpflicht unterwarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1960, 920/60).

Dass Schiedsgerichte als Streitbeilegungsinstitutionen nach Maßgabe der ZPO und EO (vgl. § 1 Z 16 EO) anerkannt sind, vermag ein Abgehen von der vom Gesetzgeber getroffenen Unterscheidung nicht zu rechtfertigen.

Der Begriff des außergerichtlichen Vergleichs bezieht sich somit nicht auf einen außerhalb von gerichtlichen Verfahren geschlossenen (vgl. dazu § 605 ZPO bezüglich des Vergleichs während des Schiedsverfahrens), sondern auf einen außerhalb eines Gerichtes im Sinne des § 1 JN geschlossenen Vergleich.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, im Verfahren vor dem Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Wien werde eine der Pauschalgebühr im Sinne des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) ähnliche Gebühr vor der Streitanhängigkeit erhoben, aufgrund dessen eine unterschiedliche Behandlung in der Erhebung der Vergleichsgebühr nach § 33 TP 20 GebG nicht zu vertreten sei. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass weder das geltende GGG noch das GebG Vorschriften enthalten, die Gerichtsgebühren einerseits und Stempel- und Rechtsgebühren anderseits generell voneinander abgrenzen. Vielmehr hat das GebG lediglich in einzelnen Tarifbestimmungen eine Doppelbelastung mit Gerichtsgebühren und Gebühren nach dem GebG vermieden. Fehlt es aber an einer grundsätzlichen Abgrenzungsbestimmung, so ist davon auszugehen, dass selbst ein und derselbe Rechtsvorgang mehreren Abgabenbelastungen unterliegen kann (vgl. die hg Erkenntnisse vom 22. Mai 1996, 95/16/0021, vom 16. März 1995, 93/16/0012 sowie vom 18. November 1993, 93/16/0014). Umso mehr muss dies für eine vom Gesetzgeber vorgesehene Differenzierung zwischen Schiedsgerichten und (ordentlichen) Gerichten gelten.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. März 2013

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