Normen
DBAbk-EntlastungsV 2005 §5 Abs1 Z4;
DBAbk-EntlastungsV 2005 §5 Abs3;
EStG §100 Abs2;
EStG §98 Abs1 Z3;
EStG §99 Abs1 Z5;
EStG §99 Abs2 Z1;
EStG 1988 §99 Abs2 Z2 idF 2007/I/099;
DBAbk-EntlastungsV 2005 §5 Abs1 Z4;
DBAbk-EntlastungsV 2005 §5 Abs3;
EStG §100 Abs2;
EStG §98 Abs1 Z3;
EStG §99 Abs1 Z5;
EStG §99 Abs2 Z1;
EStG 1988 §99 Abs2 Z2 idF 2007/I/099;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine im Baugewerbe tätige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, beschäftigte während der ersten Hälfte des Jahres 2008 Arbeitnehmer, die durch eine in Polen ansässige Gesellschaft gestellt wurden, und leistete dieser Gesellschaft dafür Entgelte.
Mit Bescheid vom 29. Juli 2009 machte das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin die Haftung für die Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 für den Zeitraum Jänner bis Juni 2008 über eine Summe von 415.272,58 EUR (einschließlich Säumniszuschlag) geltend und verwies zur Begründung auf den Bericht über eine bei der Beschwerdeführerin durchgeführte Außenprüfung.
Die Beschwerdeführerin berief mit Schriftsatz vom 6. August 2009 gegen den angeführten Haftungsbescheid und brachte in der Berufung u.a. vor, sie habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die polnische Gesellschaft in Österreich veranlagt werde "und überhaupt kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass diese ihre Abgabenschuld nicht gemäß den Abgabenvorschriften entrichten wird. Bei eigener Veranlagung der polnischen Empfängerin der Beträge bleibt kein Raum mehr für eine Abzugsteuer, die Steuerfestsetzung erfolgt dem Grunde und der Höhe nach von dem für die Veranlagung zuständigen Finanzamt und stellt dies jedenfalls dem Grund und der Höhe nach eine Vorfrage dar, ob/wie weit eine Haftung überhaupt in Betracht kommt. Denn die Haftung für eine Steuerschuld kann zwangslogisch nicht weiter gehen als die im Veranlagungsverfahren zu ermittelnde tatsächliche Steuerschuld selbst." In einer ergänzenden Mitteilung vom 18. März 2011 brachte die Beschwerdeführerin vor, die polnische Gesellschaft, welche die gegenständlichen Einkünfte bezogen habe, sei zwischenzeitig in Österreich zur Körperschaftsteuer 2008 veranlagt worden und habe den aus der Arbeitskräftegestellung resultierenden Steuerbetrag beglichen. Der Mitteilung lag der Körperschaftsteuerbescheid 2008 der polnischen Gesellschaft vom 23. Februar 2011 bei, der einen Steuerbetrag von 4.333,46 EUR ausweist.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger, die Einkünfte aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung erzielten, gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 durch Steuerabzug erhoben werde (Abzugsteuer). Schuldner der Abzugsteuer sei nach § 100 Abs. 2 EStG 1988 der Empfänger der Einkünfte gemäß § 99 Abs. 1 EStG 1988 (polnische Gesellschaft), wobei der Schuldner dieser Einkünfte (Beschwerdeführerin) für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge im Sinne des § 99 leg. cit. hafte. Die Heranziehung des Primärschuldners oder des Haftenden liege im Ermessen der Abgabenbehörde. Da die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung, Abzugsteuer einzubehalten und abzuführen, nicht nachgekommen sei, "ist dem Finanzamt aus der Tatsache, dass es den Schuldner der Abzugsteuer (die polnische Gesellschaft) nicht primär herangezogen hat, kein Ermessensfehler anzulasten". Dass keine Grundlage dafür bestehe, die Beschwerdeführerin in Anspruch zu nehmen, weil die polnische Gesellschaft ohnedies in Österreich veranlagt worden sei, treffe nicht zu, zumal die nachträgliche Veranlagung der Empfängerin der Einkünfte (polnische Gesellschaft) nichts daran ändere, dass die Abzugsteuer nicht einbehalten und rechtzeitig an das Finanzamt abgeführt worden sei. Dass es zu einer "Risikoverlagerung auf die Finanzverwaltung komme", wenn der Empfänger der Einkünfte die Betriebsausgaben selbst im Veranlagungswege geltend mache, stimme nicht. "Denn Grundvoraussetzung der Risikoverlagerung von der (Beschwerdeführerin) an die Finanzverwaltung wäre", dass die polnische Gesellschaft die Ausgaben der Beschwerdeführerin schriftlich mitgeteilt hätte. Eine solche schriftliche Mitteilung der polnischen Gesellschaft habe nicht vorgelegen, weshalb die Abzugsteuer vom Bruttobetrag der Einkünfte zu berechnen und an das Finanzamt abzuführen gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Verwaltungsakten vorgelegt, u.a. auch den - über Antrag der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren angeforderten - Veranlagungsakt der polnischen Gesellschaft. Im Veranlagungsakt liegt ein Fragebogen betreffend die steuerliche Erfassung einer nach ausländischem Recht gegründeten Körperschaft ein, in dem zur wirtschaftlichen Tätigkeit der polnischen Gesellschaft in Österreich ausgeführt wird: "(Die polnische Gesellschaft) selbst führt in Ö keine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Sie entsendet allerdings einige ihrer Mitarbeiter zur Werkleistung auf österreichische Baustellen. Sie verfügt auch über keine Betriebsstätte in Österreich!" Die Körperschaftsteuerklärung der polnischen Gesellschaft für das Jahr 2008 enthält zudem folgende Erläuterung: "Die Gesellschaft hat keinen Sitz und auch keinen ständigen Vertreter in Österreich. Diese Veranlagung basiert auf dem § 98 (1) Z 3 letzter Satz EStG gemäß dem zur Veranlagung in Ö bei Arbeitskräftegestellung kein österreichischer Sitz notwendig ist."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988 (§ 98 Abs. 1 Z 3 und Z 4, § 99 Abs. 1 Z 5 und Abs. 2, § 100 Abs. 1 und Abs. 2, jeweils in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung) lauten auszugsweise wie folgt:
"Einkünfte bei beschränkter Steuerpflicht
§ 98. (1) Der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3) unterliegen nur die folgenden Einkünfte:
(...)
3. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23),
- für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten
wird oder
- für den im Inland ein ständiger Vertreter bestellt
ist oder
- bei dem im Inland unbewegliches Vermögen vorliegt.
Einkünfte
(...)
- aus der Gestellung von Arbeitskräften zur
inländischen Arbeitsausübung (...)
(...)
sind jedoch auch dann steuerpflichtig, wenn keine inländische
Betriebsstätte unterhalten wird und kein ständiger Vertreter im
Inland bestellt ist.
4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25), die
- im Inland (...) ausgeübt oder verwertet wird oder
worden ist (Z 2), (...)
(...)
Eine Erfassung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
nach dieser Ziffer hat zu unterbleiben, wenn die Einkünfte
wirtschaftlich bereits nach Z 3 erfaßt wurden.
(...)
Steuerabzug in besonderen Fällen
§ 99. (1) Die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger wird durch Steuerabzug erhoben (Abzugsteuer):
(...)
5. Bei Einkünften aus (...) der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung.
(...)
(2) 1. Der Abzugsteuer unterliegt der volle Betrag der Einnahmen (Betriebseinnahmen) oder Gewinnanteile. Vom Schuldner übernommene Abzugsteuer unterliegt als weiterer Vorteil ebenfalls dem Steuerabzug.
2. Mit den Einnahmen (Betriebseinnahmen) unmittelbar zusammenhängende Ausgaben (Betriebsausgaben oder Werbungskosten) können vom vollen Betrag der Einnahmen (Betriebseinnahmen) abgezogen werden, wenn sie ein in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes ansässiger beschränkt Steuerpflichtiger vor dem Zufließen der Einkünfte dem Schuldner der Einkünfte schriftlich mitgeteilt hat.
(...)
Höhe und Einbehaltung der Steuer
§ 100. (1) Die Abzugsteuer gemäß § 99 beträgt generell 20 % und 25 % bei Einkünften gemäß § 99 Abs. 1 Z 6. In den Fällen des § 99 Abs. 2 Z 2 beträgt die Abzugsteuer 35%, wenn der Steuerpflichtige eine natürliche Person ist, sonst 25 %.
(2) Schuldner der Abzugsteuer ist der Empfänger der Einkünfte gemäß § 99 Abs. 1. Der Schuldner dieser Einkünfte (...) haftet für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge im Sinne des § 99."
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid - dem Finanzamt folgend - davon aus, dass die Beschwerdeführerin in der ersten Hälfte des Jahres 2008 Arbeitnehmer beschäftigt hat, die durch eine in Polen ansässige Gesellschaft gestellt wurden. Dagegen wendet sich die Beschwerde nicht.
Gemäß § 98 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 unterliegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23) der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3). Einkünfte aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung sind auch dann steuerpflichtig, wenn vom Gesteller der Arbeitskräfte keine inländische Betriebsstätte unterhalten wird und kein ständiger Vertreter im Inland bestellt ist.
§ 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 normiert bei Einkünften aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung eine Abzugsteuerpflicht, wobei der Schuldner dieser Einkünfte (die Beschwerdeführerin) nach § 101 Abs. 2 EStG 1988 für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge haftet.
Im Streitfall ist weiters die DBA-Entlastungsverordnung, BGBl. III Nr. 92/2005, als innerstaatliche Regelung zur Durchführung von Doppelbesteuerungsabkommen anwendbar. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Februar 2013, 2009/15/0175, auf dessen Entscheidungsgründe in diesem Zusammenhang gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, kann bei Vorliegen einer Abfuhrpflicht nach originär-innerstaatlichem Recht eine Abfuhr der Abzugsteuer nach § 99 EStG 1988 nur dann unterbleiben, wenn alle Voraussetzungen der DBA-Entlastungsverordnung für eine Entlastung an der Quelle in unmittelbarer Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens erfüllt sind. Da § 5 Abs. 1 Z 4 der Verordnung eine Entlastung an der Quelle für unzulässig erklärt, wenn Vergütungen für die Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung gezahlt werden, und die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines Freistellungsbescheides nach § 5 Abs. 3 der Verordnung im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat, lagen die Voraussetzungen für den Entfall des Steuerabzuges im Streitfall nicht vor.
Bemessungsgrundlage für die Abzugsteuer ist nach § 99 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 der volle Betrag der Betriebseinnahmen (im Beschwerdefall das an die polnische Gesellschaft zu zahlende Gestellungsentgelt). Nach § 99 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in der Fassung des Abgabensicherungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 99/2007, können mit den Betriebseinnahmen unmittelbar zusammenhängende Betriebsausgaben vom vollen Betrag der Betriebseinnahmen abgezogen werden, wenn sie ein in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes ansässiger beschränkt Steuerpflichtiger (im Beschwerdefall die polnische Gesellschaft) vor dem Zufließen der Einkünfte dem Schuldner der Einkünfte (im Streitfall die Beschwerdeführerin) schriftlich mitgeteilt hat (Nettobesteuerung).
Die Nettobesteuerung im Sinne des § 99 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 setzt daher nach dem klaren Gesetzeswortlaut voraus, dass die betreffenden Ausgaben dem Schuldner der Einkünfte vor dem Zufluss der Einkünfte schriftlich mittgeteilt werden (vgl. z.B. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 99 Tz 4;
Doralt/Ludwig, EStG15, § 99 Tz 27/4;
Jakom/Marschner, EStG, 2015, § 99 Rz 32). Eine solche schriftliche Mitteilung lag im Beschwerdefall unstrittig nicht vor und kann auch nicht durch Unterlagen ersetzt werden, die im Rahmen einer dem Steuerabzugsverfahren nachgelagerten Antragsveranlagung der polnischen Gesellschaft vorgelegt werden. Aus dem in der Beschwerde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 2006, 2006/14/0109, VwSlg 8172/F, und der dort referierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist für die Beschwerdeführerin schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die Frage der Berücksichtigung von Betriebsausgaben bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Abzugsteuer nach der - nach Ergehen des Erkenntnisses vom 19. Oktober 2006 - in Kraft getretenen Bestimmung des § 99 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu beurteilen ist und die Bedingungen dieser Bestimmung nach dem Gesagten nicht erfüllt sind.
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil er den erstinstanzlichen Haftungsbescheid, der keinen Hinweis auf die haftungsbegründende Norm, keine Zahlungsaufforderung oder Leistungsfrist und keinen Hinweis auf den primären Abgabenschuldner enthalte, unverändert gelassen habe, ist ihr zu erwidern, dass aus der Zusammenschau mit dem in der Bescheidbegründung verwiesenen Prüfungsbericht durchaus ersichtlich ist, auf welche Abgaben sich die geltend gemachte Haftung bezieht.
Zu den Verfahrensrügen der Beschwerde ist auszuführen, dass die seitens der Beschwerdeführerin begehrten Ermittlungen vor dem Hintergrund der obigen Rechtsausführungen zu keinem anderen Ergebnis hätten führen können, weil das ins Treffen geführte Veranlagungsverfahren der polnischen Gesellschaft für die gegenständliche Abzugsteuer bzw. die dafür geltend gemachte Haftung nicht relevant ist und eine Kürzung des Steuerbetrages schon wegen der unstrittig fehlenden rechtzeitigen schriftlichen Mitteilung der betreffenden Ausgaben nicht in Betracht kam. Da die polnische Gesellschaft - nach eigenen Angaben - in Österreich weder über eine Betriebsstätte noch über einen ständigen Vertreter verfügte, stößt das Steuerabzugsverfahren und die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung auch unter diesem Gesichtspunkt auf keine unionsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu Spies, Quellensteuer auf dem Prüfstand des EuGH, ÖStZ 2014/839; Walser, Zulässigkeit des Steuerabzugs bei der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung, SWI 2014, 431).
Schließlich vermag die Beschwerde auch das Vorliegen der behaupteten Unzuständigkeit der belangten Behörde oder der Abgabenbehörde erster Instanz nicht nachvollziehbar darzutun, zumal der erstinstanzliche Haftungsbescheid - worauf in der Gegenschrift zutreffend hingewiesen wird - vom für die Beschwerdeführerin örtlich zuständigen Finanzamt erlassen wurde.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 27. Mai 2015
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