VwGH 2011/09/0187

VwGH2011/09/018731.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Zens und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des JD in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Stadtschulrat für Wien vom 8. September 2011, Zl. DZ 1/2008, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung nach dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §93 Abs1 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §93;
LDG 1984 §70 Abs1;
LDG 1984 §71 idF 2008/I/147;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34 Abs1 Z11;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
BDG 1979 §93 Abs1 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §93;
LDG 1984 §70 Abs1;
LDG 1984 §71 idF 2008/I/147;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34 Abs1 Z11;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1959 geborene Beschwerdeführer war bis zu seiner mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Entlassung als Berufsschuloberlehrer (BOL) in einem öffentlichen Dienstverhältnis zur Bundeshauptstadt Wien und als Lehrer an der Berufsschule für L in Wien tätig.

Auf Grund von Beschwerden einer Schülerin und von deren

Lehrberechtigten wurden von der Dienstbehörde in einer mit

Niederschrift vom 4. September 1996 festgehaltenen Amtshandlung

"erhebliche Dienstpflichtverletzungen durch den

Beschwerdeführer durch oftmaliges körperliches Berühren der

Schülerin sowie durch anzügliche, oft zweideutige, Äußerungen dem

Mädchen gegenüber festgestellt" und der Beschwerdeführer auf Grund

dieser Dienstpflichtverletzungen "ausdrücklich ermahnt". Weiters

wurde dem Beschwerdeführer "die Weisung erteilt,

- zukünftig jeden Körperkontakt zu Schülern zu

unterlassen.

- sein Sprachverhalten seiner beruflichen Situation

als Lehrer anzupassen.

- auch bei allfälligen privaten Kontakten mit Schülern

seine Dienstpflichten und Vorbildfunktion als Lehrer genauestens zu beachten und jeglichen Missbrauch seiner Position auf Grund der Lehrertätigkeit zu vermeiden."

Der Beschwerdeführer wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei einem weiteren derartigen Vorfall mit sofortiger Kündigung seitens der Dienstbehörde vorgegangen werde. Hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung wurde bemerkt, dass die Methodenvielfalt durch den Beschwerdeführer schwer vernachlässigt worden sei und schwere Mängel bei der Leistungsbeurteilung der Schüler durch Bevorzugung der weiblichen Schüler und Nichtbeachtung der einschlägigen Rechtsvorschriften festgestellt worden seien. Auch im Hinblick darauf wurde der Beschwerdeführer ausdrücklich ermahnt.

Im Oktober 2007 wurden neuerlich Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer bekannt, er habe weibliche Schülerinnen im Unterricht und hinsichtlich der Benotung bevorzugt und Schülerinnen körperlich berührt und umarmt.

Mit Disziplinarverfügung vom 28. März 2008 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe "als Lehrer der Klasse 3Z der Berufsschule für L in Wien … Schülerinnen in der Leistungsbeurteilung bevorzugt, umarmt, auf den Oberschenkel gegriffen und sei ihnen grundsätzlich zu nahe gekommen". Er habe dadurch gegen die in § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 normierten Dienstpflichten verstoßen. In der Begründung dieses Bescheides wurde näher präzisiert, dass in Beschwerden gegen den Beschwerdeführer vom Oktober 2007 angegeben worden sei, dass der Beschwerdeführer Berufsschülerinnen in seiner Leistungsbeurteilung bevorzuge, eine Schülerin am Oberschenkel berührt habe und Schülerinnen körperlich ungewöhnlich nahe komme. Dies sei bei weiteren Befragungen von Schülern und Schülerinnen am 8. Oktober 2007 bestätigt worden.

Im Hinblick auf weitere Vorwürfe wurde der Beschwerdeführer bei einer niederschriftlich festgehaltenen, vom Landesschulinspektor geleiteten Amtshandlung am 23. April 2008 angehalten, sein Unterrichtsverhalten an dem Lehrverhalten der Kolleg/innen zu orientieren und in Zukunft seine gesamte Arbeitstätigkeit so auszurichten, dass es zu keinen Schülerbeschwerden kommen werde. Er solle seine Kenntnisse über die rechtlichen Grundlagen und pädagogischen Aspekte der Leistungsbeurteilung an Hand des Buches von Hans Neuweg - Trauner Verlag verbessern und mit der Direktion besprechen.

Am 29. November 2010 wurde neuerlich durch eine Schülerin gegen den Beschwerdeführer Beschwerde erhoben, dass er sie im Unterricht an der Hüfte umarmt und auf einen Punsch eingeladen habe und dass sie dies als äußerst unangenehm empfunden habe. Wegen dieser Vorgangsweise wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 30. November 2010 gemäß § 80 Abs. 1 LDG 1984 vorläufig suspendiert. Die Suspendierung des Beschwerdeführers wurde von der Disziplinarkommission beim Stadtschulrat für Wien mit Bescheid vom 21. Februar 2011 gemäß § 80 Abs. 3 LDG 1984 aufrecht erhalten.

Mit Schreiben vom 31. Jänner 2011 erstattete die Dienstbehörde wegen im Einzelnen näher dargelegter Verhaltensweisen Disziplinaranzeige.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2011 hat die Disziplinarkommission beim Stadtschulrat für Wien gemäß § 92 LDG 1984 beschlossen, ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer einzuleiten, und zugleich gemäß § 93 LDG 1984 eine mündliche Verhandlung anberaumt.

Die Disziplinarkommission beim Stadtschulrat für Wien führte die Verhandlung an insgesamt vier Tagen durch. Neben dem Beschwerdeführer wurden dabei insgesamt 23 Zeugen befragt.

Mit Bescheid vom 30. Juni 2011 wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig erkannt und bestraft (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Der Beschwerdeführer ist schuldig,

er hat als Lehrer an der Berufsschule für L in Wien, … seine

Dienstpflichten gem. § 29 Abs.1 und 2 §§ 30, 31 und 33 LDG, sowie

§§17, 47 Abs.3 und 51 SCHUG verletzt und sich nicht an die

Bestimmungen der LBVO gehalten in dem er im Zeitraum vom Beginn

des Schuljahres 2009/2010 bis zum 22.11.2010

a.) Schülerinnen dadurch sittlich belästigt hat, dass

er sie um die Hüfte fasste und an sich zog, sie auf dem

Oberschenkel berührte, ihnen die Hand auf die Schulter legte bzw.

über die Haare und den Kopf streichelte

b.) Den Schülerinnen auffällig auf ihr Gesäß und ihren

Ausschnitt starrte, was den Schülerinnen sehr unangenehm war

c.) Sexistische Äußerungen machte

d.) Die Schülerin N K auf einen Punsch einlud

f.) Schüler beschimpfte, indem er sie als 'Trottel',

'Dummkopf', oder 'Idiot' bezeichnet hat bzw. zu ihnen ' halt die

Klappe' bzw. ' halten sie das Maul' sagte

f 1.) 1 Teil Die Schülerin G N H seinem Lehrerkollegen

H V gegenüber als 'Depperte' bezeichnete

g.) 1. Teil Bei der Leistungsbeurteilung Schülerinnen

bevorzugte

i.) Sich gegenüber seiner Kollegin G A dahingehend

äußerte, dass die Schülerin T F sehr hübsch wäre und er sich ihr

gegenüber zurückhalten müsse, dass er ihr nichts tut, was von G A

so verstanden wurde, dass er körperlichen Kontakt suchen würde

j.) 1.Teil Die Amtsverschwiegenheit gebrochen hat, in

dem er sich über ein Werkstück eines Schülers lustig gemacht hat

k.) Die Weisung des damaligen LSI P vom 23.4.2008

nicht befolgte

Er hat dadurch gegen seine Dienstpflichten nach § 29 Abs.1

und 2 LDG in Verbindung mit den §§ 17,47 Abs.3 und 51 Abs.1 SCHUG,

sowie §§ 30,31 und 33 LDG verstoßen und damit eine

Dienstpflichtverletzung gem. § 69 LDG begangen.

Wegen der begangenen Dienstpflichtverletzungen wird über den Beschwerdeführer gem. § 70 Abs.1 Ziffer 3 in Verbindung mit § 95 Abs.2 LDG eine Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage

verhängt."

Dieser Bescheid wurde u.a. damit begründet, dass der Beschwerdeführer schon kurz nach Erlassung der gegen ihn ergangenen Disziplinarverfügung wieder Dienstverfehlungen begangen habe, indem er zahlreichen Mädchen in einer Art und Weise näher gekommen sei und sie berührt habe, indem er ihnen auf den Oberschenkel und auf die Schulter gegriffen oder über den Kopf gestrichen und damit ein Verhalten an den Tag gelegt habe, das das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner Aufgaben zu erschüttern vermocht habe, da es sich dabei um einen völlig überflüssigen und unangebrachten Körperkontakt gehandelt habe, durch den die Schülerinnen in ihrem sozialen weiblichen Recht auf Selbstbestimmung, von wem sie derartige Berührungen zulassen wollten, beeinträchtigt worden seien. Auch die beleidigenden Äußerungen des Beschwerdeführers gegenüber bestimmten Schülern seien erwiesen, diese seien nach § 47 Abs. 3 SchUG verboten.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher er geltend machte, dass er im Tatzeitraum an einem Burn-Out-Syndrom mit einer schweren seelischen Störung gelitten habe und daher nicht schuldfähig gewesen sei, es liege außerdem Suizidalität vor. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, auf Grund bestehender seelischer Störungen das Unrecht seines Handelns einzusehen bzw. entsprechend einer derartigen Einsicht zu handeln. Die ihm vorgeworfenen Handlungen bestritt der Beschwerdeführer nicht grundsätzlich und versuchte im Wesentlichen, deren nachteiligen Aspekte abzuschwächen. Im Übrigen beantragte er, die Disziplinarstrafe wegen weiterer gewichtiger Milderungsgründe herabzusetzen. Mit der Berufung legte der Beschwerdeführer einen fachärztlichen Befundbericht des Dr. KP vom 26. Juli 2011 vor, in welchem zusammenfassend ausgeführt ist, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines höhergradigen psychiatrischen Störbildes weder derzeit noch auf absehbare Zeit arbeitsfähig sei. Dieses ausgeprägte depressive, gereizte, von Sinnlosigkeitsgefühlen gekennzeichnete Störbild habe einerseits mit einem seit November 2010 laufenden Disziplinarverfahren zu tun, bestehe aber in seiner Entwicklung diesem Zeitpunkt vorangehend sicher mehrere Monate bis einzelne Jahre zuvor schon.

Auch die Disziplinaranwältin erhob gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz Berufung und stellte den Antrag, gegen den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung auszusprechen. Der Beschwerdeführer habe erwiesenermaßen Schülerinnen unsittlich belästigt, sexistische Äußerungen gemacht, Schüler entgegen den gesetzlichen Bestimmungen beschimpft und Schüler ungerecht behandelt. Man könne einem solchen Lehrer nicht mit gutem Gewissen Schülerinnen anvertrauen, ohne dass zu befürchten wäre, dass diese von ihm belästigt würden, was nach übereinstimmenden Aussagen von betroffenen Schülerinnen als außerordentlich unangenehm empfunden werde. Der Beschwerdeführer zeige auch keinerlei Schuldeinsicht und er sei nicht bereit, entsprechende Konsequenzen selbst zu ziehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Disziplinaranwältin Folge gegeben und die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 74 LDG 1984 abgewiesen. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 70 Abs. 1 Z. 4 iVm § 95 Abs. 2 LDG 1984 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach ausführlicher Darstellung der Vorgeschichte, des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften Präzisierungen und Begründungen hinsichtlich jedes einzelnen Faktums aus. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Schuldfähigkeit meinte sie, dass auch eine angenommene Burn-Out Erkrankung die angelasteten Tathandlungen nicht zu exkulpieren vermöge, ein Zusammenhang zwischen beispielsweise einem Berühren am Oberschenkel und einer Burn-Out Krise sei nicht erkennbar. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass im Sinne der Berufung der Disziplinaranwältin mit Blick auf die Vielzahl und die langdauernde Begehung gleichartiger Dienstpflichtverletzungen zu berücksichtigen sei, dass das Vertrauen des Dienstgebers und der Allgemeinheit in die Erfüllung der Dienstpflichten des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben sei. Auf Grund des schwer wiegenden und langandauernden pflichtwidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers, das auch weit über den Schulstandort hinaus Anlass zu Beschwerden gegeben habe, könnten ihm nicht weiterhin mit gutem Gewissen Schülerinnen anvertraut werden, ohne befürchten zu müssen, dass diese im Unterricht von ihm belästigt werden. Es sei daher die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes - LDG 1984, BGBl. Nr. 302 idF BGBl. I Nr. 147/2008, lauten:

"Allgemeine Dienstpflichten

§ 29. (1) Der Landeslehrer ist verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Landeslehrer hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

(3) Der Landeslehrer hat um seine berufliche Fortbildung bestrebt zu sein.

Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten

§ 30. (1) Der Landeslehrer hat die Weisungen seiner Vorgesetzten, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen.

(2) Der Landeslehrer kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

(3) Hält der Landeslehrer eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt. Lehramtliche Pflichten

§ 31. (1) Der Landeslehrer ist zur Erteilung regelmäßigen Unterrichtes (Unterrichtsverpflichtung bzw. Lehrverpflichtung) sowie zur Erfüllung der sonstigen aus seiner lehramtlichen Stellung sich ergebenden Obliegenheiten verpflichtet und hat die vorgeschriebene Unterrichtszeit einzuhalten.

(2) Über das Ausmaß der Jahresnorm bzw. der Lehrverpflichtung hinaus kann ein Landeslehrer nur aus zwingenden Gründen zu Mehrdienstleistungen bis zum Ausmaß von fünf Wochenstunden verhalten werden.

...

Dienstpflichtverletzungen

§ 69. Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, sind nach den Bestimmungen dieses Abschnittes zur Verantwortung zu ziehen.

Disziplinarstrafen

§ 70. (1) Disziplinarstrafen sind

1. der Verweis,

2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben

Monatsbezuges unter Ausschluß der Kinderzulage,

3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen

unter Ausschluß der Kinderzulage,

4. die Entlassung.

(2) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 ist von dem Monatsbezug auszugehen, der dem Landeslehrer auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses bzw. im Zeitpunkt der Verhängung der Disziplinarverfügung gebührt. Allfällige Kürzungen des Monatsbezuges sind bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen.

Strafbemessung

§ 71. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Landeslehrer entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landeslehrers Bedacht zu nehmen.

(2) Hat der Landeslehrer durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind."

Die in Betracht kommenden Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986 idF BGBl. I Nr. 20/2006, lauten:

"Unterrichtsarbeit

§ 17. (1) Der Lehrer hat in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Aufgabe der österreichischen Schule (§ 2 des Schulorganisationsgesetzes) zu erfüllen. In diesem Sinne und entsprechend dem Lehrplan der betreffenden Schulart hat er unter Berücksichtigung der Entwicklung der Schüler und der äußeren Gegebenheiten den Lehrstoff des Unterrichtsgegenstandes dem Stand der Wissenschaft entsprechend zu vermitteln, eine gemeinsame Bildungswirkung aller Unterrichtsgegenstände anzustreben, den Unterricht anschaulich und gegenwartsbezogen zu gestalten, die Schüler zur Selbsttätigkeit und zur Mitarbeit in der Gemeinschaft anzuleiten, jeden Schüler nach Möglichkeit zu den seinen Anlagen entsprechenden besten Leistungen zu führen, durch geeignete Methoden und durch zweckmäßigen Einsatz von Unterrichtsmitteln den Ertrag des Unterrichtes als Grundlage weiterer Bildung zu sichern und durch entsprechende Übungen zu festigen. Im Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen hat der Lehrer in eigenständiger und verantwortlicher Erziehungsarbeit die im § 2 Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes grundgelegte Aufgabe zu erfüllen.

...

Leistungsbeurteilung

§ 18. (1) Die Beurteilung der Leistungen der Schüler in den einzelnen Unterrichtsgegenständen hat der Lehrer durch Feststellung der Mitarbeit der Schüler im Unterricht sowie durch besondere in die Unterrichtsarbeit eingeordnete mündliche, schriftliche und praktische oder nach anderen Arbeitsformen ausgerichtete Leistungsfeststellungen zu gewinnen. Maßstab für die Leistungsbeurteilung sind die Forderungen des Lehrplanes unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand des Unterrichtes.

...

Mitwirkung der Schule an der Erziehung

§ 47. (1) Im Rahmen der Mitwirkung der Schule an der Erziehung der Schüler (§ 2 des Schulorganisationsgesetzes) hat der Lehrer in seiner Unterrichts- und Erziehungsarbeit die der Erziehungssituation angemessenen persönlichkeits- und gemeinschaftsbildenden Erziehungsmittel anzuwenden, die insbesondere Anerkennung, Aufforderung oder Zurechtweisung sein können. Diese Maßnahmen können auch vom Klassenvorstand und vom Schulleiter (Abteilungsvorstand), in besonderen Fällen auch von der Schulbehörde erster Instanz ausgesprochen werden. Der erste Satz gilt auch für Erzieher im Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen.

...

(3) Körperliche Züchtigung, beleidigende Äußerungen und Kollektivstrafen sind verboten.

...

Lehrer

§ 51. (1) Der Lehrer hat das Recht und die Pflicht, an der Gestaltung des Schullebens mitzuwirken. Seine Hauptaufgabe ist die dem § 17 entsprechende Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Er hat den Unterricht sorgfältig vorzubereiten."

Hinsichtlich der ihm vorgeworfenen unsittlichen Berührungen von Schülerinnen macht der Beschwerdeführer geltend, dass diese von den betroffenen Schülerinnen nicht als sexuelle Belästigungen empfunden worden seien. Dies steht mit dem Inhalt von Aussagen von Schülerinnen im Widerspruch. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass die belangte Behörde in dieser Hinsicht einer Fehleinschätzung unterlegen wäre, weil er letztlich nicht die Feststellungen der belangten Behörde entkräftet, dass er in zahlreichen Fällen sich einzelnen Schülerinnen körperlich angenähert und diese auf eine Art und Weise berührt hat, die für einen Lehrer im Unterricht nicht nur ein Verhalten darstellt, das die notwendige fehlende Distanz vermissen lässt, sondern das auch sowohl in objektiver Hinsicht störend und belästigend war, als auch von den betroffenen minderjährigen Schülerinnen so empfunden wurde.

Die dem Beschwerdeführer sonst vorgeworfenen Verhaltensweisen gegenüber Schülerinnen, wie bestimmte Blicke, anzügliche Bemerkungen und ähnliche Verhaltensweisen, versucht er in seiner Beschwerde als wenig schwerwiegend darzustellen, es gelingt ihm jedoch nicht, die schlüssigen Darstellungen der belangten Behörde, die auf ausführlichen Beweiserhebungen beruhen, zu entkräften. Die belangte Behörde hat auch dieses Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber Schülerinnen auf schlüssige Weise als völlig unangemessen qualifiziert.

Auch das Vorbringen, bei den vorgeworfenen Verhaltensweisen habe es sich um isolierte Einzelfälle gehandelt, ist nicht überzeugend und vermag die Schwere der Vorwürfe nicht herabzumindern, weil sein Verhalten sehr häufig und ausreichend schwer ist, um von der belangten Behörde zutreffend als gravierend qualifiziert werden zu können, und sich aus den einzelnen Vorwürfen doch ein einheitliches Bild über das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers ergibt.

Soweit der Beschwerdeführer den Anschuldigungspunkt j in Zweifel zieht und meint, dieser Anschuldigungspunkt könne ihm nicht vorgeworfen werden, weil alle Werkstücke in der Klasse herumgezeigt worden seien, zeigt er damit ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil sich ein Lehrer jedenfalls auf die ihm vorgeworfene Weise nicht über einen Schüler lustig machen darf.

Auch die Vorwürfe, der Beschwerdeführer habe eine Schülerin zum Punsch eingeladen und die in Anschuldigungspunkt i umschriebene Verhaltensweise wurden im Kontext und im Zusammenhang mit den übrigen Verhaltensweisen zu Recht als Dienstpflichtverletzung qualifiziert und dem Beschwerdeführer als solche vorgeworfen.

Hinsichtlich der Strafbemessung ist im vorliegenden Fall auf die oben wiedergegebenen Bestimmungen des LDG 1984, nämlich § 71 LDG 1984 in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2008 hinzuweisen. Zu den entsprechenden weitgehend gleichlautenden Bestimmungen des § 93 BDG 1979 in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2008 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2011/09/0105, Folgendes ausgeführt:

"'Zu der nunmehr anzuwendenden Rechtslage ist zu bemerken, dass der erste Satz des § 93 Abs. 1 BDG 1979 durch die Dienstrechts-Novelle 2008 nicht verändert worden ist. Nach wie vor gilt als 'Maß für die Höhe der Strafe' die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der 'Strafbemessungsschuld' des Strafrechtes und für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend als auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 BlgNR 14. GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der 'Unrechtsgehalt') wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB - wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 18. September 2008, Zl. 2007/09/0320, und vom 29. April 2011, Zl. 2009/09/0132, mwN).

Es ist Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 als gravierend ins Gewicht fällt, wenn ein Beamter durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung oblag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0021). Daran hat sich auch durch die Dienstrechts-Novelle 2008 nichts geändert.

Unverändert ist durch die Dienstrechts-Novelle 2008 auch § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 geblieben, wonach bei der Strafbemessung die nach dem Strafgesetzbuch maßgebenden Gründe dem Sinne nach zu berücksichtigen sind und daher hinsichtlich des Grades des Verschuldens nach dem gemäß zu berücksichtigenden § 32 StGB darauf Bedacht zu nehmen ist, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte. Ferner sind weiterhin die Erschwerungs- und Milderungsgründe iS der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, eine Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis.

Durch die Dienstrechts-Novelle 2008 wurde jedoch im zweiten Satz des § 93 Abs. 1 BDG die Zielsetzung 'der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken', als zusätzliches Strafbemessungskriterium in das Gesetz eingefügt. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage kommt der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Strafe bei der Bemessung daher nicht mehr eine derart wesentliche Bedeutung wie bisher zu und sind Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten. Dementsprechend enthalten die oben wiedergegebenen Gesetzeserläuterungen die Aussage, es solle nach der Novelle möglich sein, dass 'bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen allein schon aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung auszusprechen' sein werde.

Aus der Einführung von generalpräventiven Strafbemessungsgründen geht auch die in den wiedergegebenen Gesetzeserläuterungen hervorgehobene Konsequenz hervor, dass dann, wenn aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung erforderlich ist, zur Vermeidung einer Entlassung nicht mehr geprüft werden muss, ob es für den Beamten eine Verwendungsmöglichkeit gibt, in welcher er nicht in Gefahr geraten würde, weitere Dienstpflichtverletzungen zu begehen.'

Die belangte Behörde hat in diesem Sinne zutreffend im gegenständlichen Fall aus den eingangs wiedergegebenen Gründen die Schwere der mehrfachen Taten als so hoch bewertet, dass selbst angesichts der zu bejahenden Existenz von Milderungsgründen, die Disziplinarstrafe der Entlassung nicht rechtswidrig ist."

Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für die Bestimmung des § 71 LDG 1984.

Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich der Strafbemessung von besonderer Bedeutung, dass der Beschwerdeführer sein pflichtwidriges Verhalten als Lehrer wiederholt und über einen längeren Zeitraum und trotz bereits in der Vergangenheit mehrfach erfolgter Ermahnungen und einer Bestrafung unverändert fortgesetzt hat. Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde angesichts der Schwere der Dienstpflichtverletzungen, deren wesentliches Gewicht in der Beharrlichkeit und Unbelehrbarkeit des Beschwerdeführers zum Ausdruck kam, im Grunde des § 71 Abs. 1 LDG 1984 zur Beurteilung gelangte, dass die Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers als von sehr erheblicher Schwere einzuschätzen waren und dass die Verhängung einer hohen Disziplinarstrafe aus dem Katalog der in § 70 Abs. 1 LDG 1984 angeführten Disziplinarstrafen in Frage kam, und zwar sowohl um den Beschwerdeführers von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, also auch um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Landeslehrer entgegen zu wirken.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass bei ihm seit langer Zeit ein Störbild, eine deutlich affektive Starre und ein Burnout-Syndrom vorliege. Dies gehe aus einem von ihm vorgelegten fachärztlichen Befundbericht vom 26. Juli 2011 hervor. Selbst wenn angesichts dieser Tatsache seine Schuldfähigkeit gegeben gewesen sein sollte, so sei doch sein Fehlverhalten unter Umständen begangen worden, die einem Schuldausschließungsgrund nahekämen. In der Beschwerde weist der Beschwerdeführer neuerlich auf dieses Vorbringen hin und rügt, dass eine Klärung der Frage seiner Schuldfähigkeit und des Vorliegens eines aus der Erkrankung resultierenden nachhaltigen Milderungsgrundes durch ein fachärztliches Gutachten unterlassen worden sei, welches er auch beantragt habe.

Damit zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Denn nach dem gemäß § 71 Abs. 1 dritter Satz LDG 1984 anwendbaren § 34 Abs. 1 Z. 11 StGB ist auch als Milderungsgrund zu berücksichtigen, wenn der Täter die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen. In dieser Hinsicht enthält der angefochtene Bescheid keine Begründung. Die belangte Behörde hätte aber angesichts des durch eine gutachtliche Stellungnahme bestärkten Vorbringens des Beschwerdeführers doch - allenfalls nach Beiziehung eines Sachverständigen und erforderlichenfalls nach Durchführung einer auf dieses Thema beschränkten Berufungsverhandlung - Überlegungen dahingehend anstellen müssen, ob die Schuld des Beschwerdeführers durch eine psychische Beeinträchtigung gemildert war. Der angefochtene Bescheid ist in dieser Hinsicht ergänzungsbedürftig. Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 31. Mai 2012

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