Normen
11997E049 EG Art49;
12003T/TXT Beitrittsvertrag Europäische Union Anh12;
12003TN10/01 Beitrittsvertrag Ungarn - 1/Freizügigkeit Art24 ;
12003TN10/01 Beitrittsvertrag Ungarn - 1/Freizügigkeit Art24 Anh10 Z5;
12003TN10/01 Beitrittsvertrag Ungarn - 1/Freizügigkeit Art24;
12010E056 AEUV Art56;
12010E057 AEUV Art57;
31996L0071 Entsende-RL Art1 Abs3 litc;
31996L0071 Entsende-RL;
61989CJ0113 Rush Portuguesa VORAB;
62003CJ0445 Kommission / Luxemburg;
62004CJ0168 Kommission / Österreich;
62009CJ0307 Vicoplus VORAB;
AÜG §4 Abs2;
AuslBG §18 Abs12;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AuslBG §32a;
EURallg;
VwRallg;
11997E049 EG Art49;
12003T/TXT Beitrittsvertrag Europäische Union Anh12;
12003TN10/01 Beitrittsvertrag Ungarn - 1/Freizügigkeit Art24 ;
12003TN10/01 Beitrittsvertrag Ungarn - 1/Freizügigkeit Art24 Anh10 Z5;
12003TN10/01 Beitrittsvertrag Ungarn - 1/Freizügigkeit Art24;
12010E056 AEUV Art56;
12010E057 AEUV Art57;
31996L0071 Entsende-RL Art1 Abs3 litc;
31996L0071 Entsende-RL;
61989CJ0113 Rush Portuguesa VORAB;
62003CJ0445 Kommission / Luxemburg;
62004CJ0168 Kommission / Österreich;
62009CJ0307 Vicoplus VORAB;
AÜG §4 Abs2;
AuslBG §18 Abs12;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AuslBG §32a;
EURallg;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin zeigte der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung des Bundesministeriums für Finanzen auf Grund eines zwischen ihr und einem namentlich genannten inländischen Unternehmen geschlossenen "Werkvertrages" die Entsendung von mehreren ungarischen Staatsangehörigen zur Erfüllung eines der Beschwerdeführerin von dem inländischen Unternehmen erteilten Auftrages für Fleischzerlegungsarbeiten in dessen Betrieb an.
Die Behörde erster Instanz untersagte mit Bescheiden vom 16. April 2009 (vormals hg. Zl. 2009/09/0159) und vom 20. April 2009 (vormals hg. Zahl 2009/09/0160) die Entsendung.
Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, es handle sich bei den angezeigten Arbeitsleistungen infolge gänzlicher Kongruenz der Unternehmensgegenstände des entsendenden Unternehmens und des Empfängerunternehmens und die Eingliederung der Arbeiter in den Betrieb des Empfängerunternehmens nicht um die Erfüllung eines Werkvertrages, sondern um Arbeitskräfteüberlassung im Sinne des § 4 Abs. 2 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG), diese sei nicht von § 18 Abs. 12 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) erfasst.
Gegen diese Bescheide richten sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet ein, die ungarischen Arbeitnehmer seien zur Erfüllung eines Werkvertrages tätig. Doch selbst wenn man von Arbeitskräfteüberlassung ausgehe, dürfe die Meldung nicht untersagt werden, weil die Dienstleistungsfreiheit auch die Überlassung von Arbeitskräften umfasse und der anlässlich des Beitritts u.a. von Ungarn zur Europäischen Gemeinschaft bedungene Vorbehalt Österreichs nicht für den gegenständlichen Bereich Fleischzerlegungsarbeiten gelte.
Anhang X der Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte der Republik Ungarn zur Europäischen Union, BGBl. III Nr. 20 vom 30. April 2004 (in der Folge: Beitrittsakte Ungarn), lautet auszugsweise:
"1. FREIZÜGIGKEIT
...
2. Abweichend von den Artikeln 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und bis zum Ende eines Zeitraums von zwei Jahren nach dem Tag des Beitritts werden die derzeitigen Mitgliedstaaten nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen anwenden, um den Zugang ungarischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln. Die derzeitigen Mitgliedstaaten können solche Maßnahmen bis zum Ende eines Zeitraums von fünf Jahren nach dem Tag des Beitritts weiter anwenden.
...
3. Vor Ende eines Zeitraums von zwei Jahren nach dem Tag des Beitritts wird der Rat die Funktionsweise der Übergangsregelungen nach Nummer 2 anhand eines Berichts der Kommission überprüfen.
Bei Abschluss dieser Überprüfung und spätestens am Ende eines Zeitraums von zwei Jahren nach dem Beitritt teilen die derzeitigen Mitgliedstaaten der Kommission mit, ob sie weiterhin nationale oder sich aus bilateralen Vereinbarungen ergebende Maßnahmen anwenden, oder ob sie künftig die Artikel 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 anwenden möchten. Erfolgt keine derartige Mitteilung, so gelten die Artikel 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 .
...
5. Ein Mitgliedstaat, der am Ende des unter Nummer 2 genannten Zeitraums von fünf Jahren nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen beibehält, kann im Falle schwerwiegender Störungen seines Arbeitsmarktes oder der Gefahr derartiger Störungen nach entsprechender Mitteilung an die Kommission diese Maßnahmen bis zum Ende des Zeitraums von sieben Jahren nach dem Tag des Beitritts weiter anwenden. Erfolgt keine derartige Mitteilung, so gelten die Artikel 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 .
...
13. Um tatsächlichen oder drohenden schwerwiegenden Störungen in bestimmten empfindlichen Dienstleistungssektoren auf ihren Arbeitsmärkten zu begegnen, die sich in bestimmten Gebieten aus der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 96/71/EG ergeben könnten, können Deutschland und Österreich, solange sie gemäß den vorstehend festgelegten Übergangsbestimmungen nationale Maßnahmen oder Maßnahmen aufgrund von bilateralen Vereinbarungen über die Freizügigkeit ungarischer Arbeitnehmer anwenden, nach Unterrichtung der Kommission von Artikel 49 Absatz 1 des EG-Vertrags abweichen, um im Bereich der Erbringung von Dienstleistungen durch in Ungarn niedergelassene Unternehmen die zeitweilige grenzüberschreitende Beschäftigung von Arbeitnehmern einzuschränken, deren Recht, in Deutschland oder Österreich eine Arbeit aufzunehmen, nationalen Maßnahmen unterliegt."
Artikel 1 der genannten Richtlinie 96/71/EG vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (in der Folge: RL) bestimmt:
"(1) Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.
(3) Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:
a) einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder
...
c) als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht."
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG lautet:
"Begriffsbestimmung
…
(2) Im Sinne dieser Richtlinie gilt als entsandter Arbeitnehmer jeder Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet."
Der vorliegende Sachverhalt gleicht in Bezug auf die Wertung der "Entsendung" als Arbeitskräfteüberlassung (mit Ausnahme des Umstandes, dass die gegenständlichen "Entsendungen" unter den im Anhang X der Liste nach Artikel 24 der Beitrittsakte (Ungarn) Z. 5 genannten Zeitraum 1. Mai 2009 bis Ende April 2011 fallen) in allen für die Entscheidung wesentlichen Aspekten jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2009, Zl. 2008/09/0261, zugrunde lag. Es wird daher zunächst gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die dortigen Entscheidungsgründe verwiesen. Mit der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27. März 1990, C-113/89 (Rush Portuguesa)) hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 15. Mai 2009, Zlen. 2006/09/0157 bis 0159, auseinandergesetzt. Auch auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
Die Beschwerdeführerin wendet sich im Wesentlichen gegen diese Vorjudikatur, sieht das Urteil des EuGH vom 27. März 1990, C- 113/89 (Rush Portuguesa) als überholt an und weist (in der ergänzenden Stellungnahme vom 10. Dezember 2009) auf ein Schreiben der Europäischen Kommission (in der Folge: EK) vom 20. August 2009 hin, die seine Ansicht teile. Die EK vertrete den Standpunkt, das Urteil Rush Portuguesa sei auf die neueren EU-Beitrittsverträge nicht mehr anwendbar, weil es vor Inkrafttreten der RL gefällt worden sei und nur Portugal betreffe. Weiters beziehe sich das geltende Übergangsarrangement für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Anhang X der Liste nach Artikel 24 der Beitrittsakte (Ungarn) Z. 13 (in der Folge: Z. 13) auf die länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 1 der RL; diese gelte auch für die Überlassung von Arbeitskräften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegenständlichen Beschwerdeverfahren bis zur Vorabentscheidung des EuGH über die Ersuchen des Raad van State in den verbundenen Rechtssachen C- 307/09 bis C-309/09 , Vicoplus u.a. sowie des unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg in der Rechtssache C-241/10 mit Beschluss vom 30. September 2010, Zlen. 2009/09/0159, 0160 (auf den gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird), ausgesetzt.
Das Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-307/09 bis C-309/09 , Vicoplus u.a. erging am 10. Februar 2011. Der unabhängige Verwaltungssenat Salzburg hat am 26. April 2011 mitgeteilt, dass der Antrag in der Rechtssache C-241/10 zurückgezogen wurde. Die Gründe für die Aussetzung der Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sind damit weggefallen.
Im genannten Urteil vom 10. Februar 2011 antwortete der EuGH, dass die Art. 56 AEUV und 57 AEUV es nicht verbieten, dass ein Mitgliedstaat während der in Kapitel 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 vorgesehenen Übergangszeit die Entsendung von polnischen Arbeitnehmern im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71/EG in sein Hoheitsgebiet von der Einholung einer Beschäftigungserlaubnis abhängig macht. In den Gründen stützte sich der EuGH ausdrücklich u.a. auf das Urteil Rush Portuguesa und das Urteil vom 17. Dezember 1981, C 279/80 , Webb (vgl. Vicoplus u.a., Randnr. 27 bis 37).
Die in diesem Urteil enthaltenen Aussagen des EuGH sind auch auf die für Österreich geltenden Übergangsregelungen in der Beitrittsakte von 2003 hinsichtlich von Staatsbürgern aller neu beigetretenen Staaten in gleicher Weise anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nunmehr auch gestützt durch das genannte Urteil des EuGH vom 10. Februar 2011 aus folgenden Gründen nicht veranlasst, seine Rechtsansicht
1) zum Verhältnis von Arbeitskräfteüberlassung zum Europarecht und
2) zur (nach wie vor gegebenen) Maßgeblichkeit des Urteils des EuGH vom 27. März 1990, C-113/89 (Rush Portuguesa), auch nach dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Gemeinschaft
zu ändern und ergänzt die Ausführungen in den genannten Erkenntnissen vom 15. Mai 2009 und vom 31. Juli 2009 im Einklang mit dem genannten Urteil des EuGH vom 10. Februar 2011:
1) Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus dem nunmehrigen Urteil des EuGH, dass ungeachtet des Umstandes, dass die Tätigkeit der ungarischen Arbeitskräfte im Rahmen einer Dienstleistung, nämlich der Dienstleistung der Arbeitskräfteüberlassung, erfolgte, eine solche Tätigkeit von der Bedingung der Einholung einer Beschäftigungsbewilligung abhängig gemacht werden darf. Im Beschwerdefall handelt es sich bei der Dienstleistung der Beschwerdeführerin um eine solche, "die gerade darin besteht, dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaates Arbeitnehmer zuzuführen". Die Tätigkeit der von der Beschwerdeführerin beantragten Arbeitskräfte unterliegt daher den in den Übergangsregelungen der Beitrittsakte der Republik Ungarn zur Europäischen Union vorgesehenen Beschränkungen und ist nur zulässig, wenn eine der in § 3 Abs. 1 AuslBG angeführte Bewilligung oder Bestätigung vorliegt. Bei einer Arbeitskräfteüberlassung wie im Beschwerdefall liegt dem Urteil zufolge eine Entsendung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 lit. c RL 96/71/EG vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den zu gleichgelageren Sachverhalten ergangenen Vorerkenntnissen vom 15. Mai 2009, Zl. 2006/09/0157-0159, und vom 31. Juli 2009, Zl. 2008/09/0261, die Untersagung der Beschäftigung von von einem Arbeitgeber in einem EWR-Mitgliedstaat nach Österreich entsandten und hier überlassenen Ausländern ohne Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung oder sonstigen Zulassung zum österreichischen Arbeitsmarkt gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG für zulässig erkannt. Dieses Ergebnis ist auch im Lichte des nunmehrigen Urteiles des EuGH für die Geltungsdauer der Übergangsregelungen der Beitrittsakte Ungarn aufrecht zu erhalten.
2) Der EuGH hat bereits im Urteil vom 21. Oktober 2004,
C 445/03, Kommission gegen Luxemburg, Randnr. 39, als auch im Urteil vom 21. September 2006, C 168/04 , Kommission gegen Österreich, Randnr. 56, mit ausdrücklichem Verweis auf das Urteil Rush Portuguesa festgestellt, dass die Arbeitskräfteüberlassung nicht (ausschließlich) unter dem Gesichtspunkt des Art. 49 EG zu beurteilen ist. Letztendlich erging das bereits genannte Urteil vom 10. Februar 2011, Vicoplus u.a., im dem der EuGH seine Vorjudikatur fortführte.
Aus der im genannten Urteil C 168/04 , Randnr. 56, enthaltenen Aussage "Das Verfahren der EU-Entsendebestätigung kann jedoch nicht als geeignetes Mittel zur Erreichung des von der österreichischen Regierung genannten Zieles angesehen werden", weil die Ausstellung der EU-Entsendebestätigung als vor Aufnahme der Tätigkeit einzuhaltendes Genehmigungsverfahren erachtet wurde, konnte schon vor dem Urteil vom 10. Februar 2011, Vicoplus u.a., nur geschlossen werden, dass die damals nach dem AuslBG angewendete EU-Entsendebestätigung für jenen Bereich nicht zulässig war, welcher der Dienstleistungsfreiheit unterlag.
Mit dem Urteil vom 10. Februar 2011, Vicoplus u.a., hat der EuGH jedoch klargestellt, dass diese Aussage keinesfalls so verstanden werden darf, dass damit generell die Unzulässigkeit von Beschränkungen für jede Form der Entsendung, einschließlich der Arbeitskräfteüberlassung - soweit sie nicht von der Dienstleistungsfreiheit umfasst ist - festgestellt worden wäre.
Im Gegenteil hat der EuGH in der Randnr. des genannten Urteils C 168/04 ausdrücklich ausgesprochen, ein Mitgliedstaat dürfe kontrollieren, "ob ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und von dort Arbeitnehmer aus einem Drittstaat entsendet, den Dienstleisungsverkehr nicht zu einem anderen Zweck als dem der Erbringung der betreffenden Dienstleistung nutzt, beispielsweise dazu, sein Personal kommen zu lassen, um Arbeitnehmer zu vermitteln oder Dritten zu überlassen (vgl. Urteile Rush Portuguesa, Randnr. 17 und Kommission/Luxembourg, Randnr. 39)". Das zitierte Urteil im Fall Kommission/Luxembourg enthält in Rz. 39 eine gleichlautende Aussage. Aus diesen Ausführungen und letztendlich mit den Ausführungen in Urteil vom 10. Februar 2011, Vicoplus u.a., wird deutlich, dass der EuGH - auch nach Erlassung der Dienstleistungsrichtlinie 96/71/EG - an seiner im Urteil im Fall Rush Portuguesa vertretenen Auffassung festhält, wonach die Dienstleistungsfreiheit nicht dazu berechtigt, nicht freizügigkeitsberechtigte Personen im Wege der Arbeitskräfteüberlassung dem Arbeitsmarkt des Aufnahmestaates zuzuführen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel, dass die im vorliegenden Fall angewendeten österreichischen Übergangsbestimmungen dem Gemeinschaftsrecht entsprechen.
3) Zur weiteren Anwendung der Einschränkungen für Ungarn in der "dritten Phase" (Zeitraum 1. Mai 2009 bis Ende April 2011):
3.1) Schröder/Lechner/Müller, EU-Übergangsmaßnahmen für die Freizügigkeit in den Beitrittsverträgen, ZÖR 64, 2009, S. 85-114, vertreten unter Verweis auf Rechtsprechung des EuGH, Rs 114/83, Societe d'Initiatives et de Cooperation Agricoles, Slg. 1984, 2589, Rn 17ff; Rs 289/83, G.A.A.R.M, Slg. 1984, 4295, Rn 17ff; EuG, Rs T-157/94 , Empresa Nacional Siderurgica SA/Kommission, Slg. 1999, II-707, Ls 2, folgende Ansicht: Die Verlängerungsoption 2009-2011 soll den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumen, auf drohende schwerwiegende Störungen des Arbeitsmarktes bzw. tatsächliche oder drohende schwerwiegende Störungen in bestimmten empfindlichen Dienstleistungssektoren durch die Aufrechterhaltung nationaler restriktiver Maßnahmen reagieren zu können. Bei der Inanspruchnahme dieser Option steht den Mitgliedstaaten ein Ermessen zu. Dies kann aus der Rechtsprechung zu den allgemeinen Schutzklauseln in den Art. 130 der Beitrittsakte 1979 und Art. 379 der Beitrittsakte 1985 geschlossen werden. Bei der Anwendung dieser Schutzklauseln hat die Judikatur der Kommission einen weiten Ermessensspielraum zugestanden, da die Beurteilung der Tatbestandsmerkmale "erhebliche Störungen im Agrarmarkt" bzw. "Schwierigkeiten, welche einen Wirtschaftszweig erheblich und voraussichtlich anhaltend treffen" die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Daten verlangte. Dies spricht im Fall der Übergangsmaßnahmen in Bezug auf die Freizügigkeit für einen entsprechenden Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten, weil es bei der Beurteilung von "schwerwiegenden Störungen des Arbeitsmarktes oder der Gefahr derartiger Störungen" bzw. "tatsächlichen oder drohenden schwerwiegenden Störungen in bestimmten empfindlichen Dienstleistungssektoren" ebenfalls um komplexe wirtschaftliche und soziale Fragen geht.
Aus dem Wortlaut der Verlängerungsoption 2009-2011 ist zu schließen, dass jeder einzelne Mitgliedstaat die Frage, ob eine schwerwiegende Störung vorliegt, selbständig beantworten und somit autonom über die Ausübung der Verlängerungsoption 2009-2011 entscheiden soll. Die EU-Organe sind an der Entscheidungsfindung nicht beteiligt. Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Auffassung für zutreffend.
3.2) Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (in der Folge: BMASK) legte in seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 2009 u.a. die Mitteilung Österreichs an die EK vom 24. April 2009, die vom BMASK beigefügte Korrespondenz und ein Pressebulletin des Kommissars Dr. Spidla vor.
Den Verfahrensparteien wurde zur Mitteilung Österreichs an die EK samt Beilagen Parteiengehör gewährt. Die Beschwerdeführerin führt dazu in ihrer Stellungnahme vom 10. Dezember 2009 nichts aus. Weitere Stellungnahmen sind nicht eingelangt.
Am 24. April 2009 hat Österreich der EG mitgeteilt, dass es weiterhin bis zum 30. April 2011 die genannten Einschränkungen in vollem Umfang im gesamten Bundesgebiet anwenden will. Österreich hat dazu umfangreich begründet, warum es schwerwiegende Störungen seines Arbeitsmarktes bzw. die Gefahr derartiger Störungen befürchtet. In dieser Mitteilung hat Österreich folgende Punkte eingehend dargestellt:
". Bevölkerung und Arbeitsmarktsituation von Personen mit Migrationshintergrund; spezifische österreichische Rahmenbedingungen
- Geografische Lage
- Unterschiede im Einkommensniveau
- Entwicklung und Anteil der ausländischen Bevölkerung
- Beschäftigungsintegration der ausländischen Erwerbsbevölkerung - Qualifikationsstruktur, branchenmäßige Konzentration, höhere Arbeitslosigkeit
- Erhöhter Integrationsbedarf von ansässigen AusländerInnen
- Jugendliche mit Migrationshintergrund
. Arbeitsmarktkonforme Anwendung der Übergangsregelungen
Gemeinschaftspräferenz
. Schrittweise Öffnung
- Freizügigkeitsbestätigung
. Wirkung von administrativen Vorkehrungen
. Die aktuelle Lage am österreichischen Arbeitsmarkt und die absehbare Entwicklung von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit
. Makroökonomische Aspekte der Immigration
. Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit - Entsendung von Arbeitskräften
. Arbeitslosenquoten in geschützten Bereichen."
Die EK hat die rechtzeitig eingebrachte Notifikation Österreichs ohne förmliche Beantwortung zur Kenntnis genommen.
Das BMASK wies in seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 2009 unter Hinweis auf ein beigelegtes Pressebulletin vom 9. Juni 2009 darauf hin, der zuständige Kommissar Dr. Spidla habe in der Pressekonferenz zum Rat Beschäftigung und Soziales am 8. Juni 2009 festgehalten, dass Österreich und Deutschland hinsichtlich der Gefahr schwerwiegender Arbeitsmarktstörungen durchaus realistisch argumentiert und sich an die vertraglich vorgesehenen Regeln gehalten hätten.
Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Zweifel daran, dass die in der Mitteilung Österreichs an die EK enthaltenen Gründe die Gefahr einer drohenden schwerwiegenden Störung des Arbeitsmarktes in realistischer Form aufzeigen und deshalb die Übergangsregelungen für die am 1. Mai 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Zypern und Malta weiterhin bis 30. April 2011 in Geltung standen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 30. Mai 2011
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)