VwGH 2011/08/0130

VwGH2011/08/013015.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der T Handelsgesellschaft mbH in S, vertreten durch Dr. Raimund Danner und Mag. Albert H. Reiterer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48/1, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 4. Mai 2011, Zl. 20305-V/14.841/4-2011, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse in 5020 Salzburg, Engelbert-Weiß-Weg 10), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1152;
ASVG §4 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2011080130.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in Höhe von EUR 1.300,-- vorgeschrieben.

M S. sei im Zuge einer Kontrolle durch Beamte der KIAB-Salzburg am 20. Juni 2010 um ca. 12.05 Uhr auf der Baustelle der beschwerdeführenden Partei in F. entgeltlich arbeitend angetroffen worden, ohne zur Sozialversicherung gemeldet gewesen zu sein. Er habe mit anderen Arbeitern Vorbereitungsarbeiten zur Anbringung von Gipskartonwänden durchgeführt. Die Angaben der beschwerdeführenden Partei, dass M S. "nur ein kleinwenig helfen wollte und kleinere unentgeltliche Tätigkeit im familiären Sinn erledigte", entspreche nicht den Tatsachen. M S. habe unentgeltlich bei seinem Schwager (dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei) gewohnt und sei unentgeltlich verpflegt worden. M S. sei weisungs- und kontrollunterworfen gewesen. Er habe mit Betriebsmitteln der beschwerdeführenden Partei gearbeitet. Den gegenteiligen Angaben (des Geschäftsführers) der beschwerdeführenden Partei werde kein Glauben geschenkt. Der Tatbestand des § 113 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG sei erfüllt. Gründe für eine Herabsetzung oder einen Entfall des Beitragszuschlages iSd § 113 Abs. 2 ASVG lägen nicht vor und seien von der beschwerdeführenden Partei auch nicht geltend gemacht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Die beschwerdeführende Partei hat mit Schriftsatz vom 12. April 2012 einen Bescheid des Magistrats der Stadt Salzburg vom 10. April 2012 vorgelegt, mit dem das gegen M W. (den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei) eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren eingestellt worden sei, da die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bilde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Ob durch eine Zuwendung eine erbrachte oder noch zu erbringende Dienstleistung abgegolten werden solle, hänge "allein vom Willen der Parteien des Dienstverhältnisses ab". Solle daher eine Zuwendung des Dienstgebers an den Dienstnehmer (hier: freie Unterkunft und Verpflegung) nach dem Parteiwillen nicht der Abgeltung der Arbeitsleistung des Dienstnehmers, sondern anderen Zwecken dienen, so falle sie nicht unter den Begriff des Entgelts nach § 49 Abs. 1 ASVG und sei somit auch bei der Feststellung der Beitragsgrundlagen gemäß § 44 Abs. 1 ASVG nicht zu berücksichtigen. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, worin sich die Entgeltlichkeit iSd § 49 Abs. 1 ASVG manifestiere.

1.2. Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2010/08/0089, mwN). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die dies bestreitende Partei ein ausreichend substanziiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte.

2.1. Die beschwerdeführende Partei hat sich damit verantwortet, dass es sich bei M S. um den Schwager des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei handle, welcher seit fünf bis sechs Jahren in Griechenland wohnhaft sei und in Österreich über keinen Wohnsitz verfüge. M S. habe in Österreich seinen Urlaub verbracht und während dieses Österreichaufenthaltes bei seinem Schwager genächtigt, und er sei von diesem auch verköstigt worden. M S. habe seinem Schwager "auf Grund bestehender Verwandtschaft" geholfen. Er habe am 20. Juni 2010 (Sonntag) von sich aus seine Hilfe bekundet, nur seinem Schwager zur Hand gehen wollen und mit den anderen auf der Baustelle tätigen Arbeitern nichts zu tun gehabt. Bei den Zuwendungen an M S. habe es sich nicht "um entgeltliche Zuwendungen" gehandelt. Im Ergebnis macht die beschwerdeführende Partei sohin geltend, dass ihr M S. einen Gefälligkeitsdienst geleistet habe.

2.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der beschwerdeführenden Partei um eine Kapitalgesellschaft mit Rechtspersönlichkeit handelt, weshalb die von M S. für dieses Unternehmen erbrachte Leistung nicht als im Rahmen eines Gefälligkeits- bzw. Freundschaftsdienstes gegenüber seinem Schwager - ungeachtet dessen Geschäftsführerfunktion - erbracht angesehen werden kann, zumal es sich bei den Arbeiten um solche für den Geschäftsbetrieb und nicht um solche für ein privates Umfeld gehandelt hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. September 2011, Zl. 2009/08/0181, vom 19. Dezember 2012, Zl. 2012/08/0165, und vom 14. Februar 2013, Zl. 2012/08/0167).

3. Unter Entgelt iSd § 49 Abs. 1 ASVG sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten enthält. Für die Bemessung der Beiträge ist nicht lediglich das tatsächlich bezahlte Entgelt (Geld- und Sachbezüge) maßgebend, sondern, wenn es das tatsächlich bezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrags ein Rechtsanspruch bestand. Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom 16. Juni 2004, Zl. 2001/08/0028, VwSlg. Nr. 16.382 A/2004, mwN).

Für das Vorliegen der Entgeltlichkeit kommt es nicht darauf an, ob ausdrücklich ein Entgelt (allenfalls in einer bestimmten Höhe) vereinbart wurde oder eine solche Vereinbarung unterblieb. Im Zweifel gilt für die Erbringung von Dienstleistungen ein angemessenes Entgelt als bedungen (vgl. § 1152 ABGB). Eine Beschäftigung unter nahen Angehörigen (Ehegatten, Lebensgefährten, Kinder), die im Zweifel nicht auf ein (entgeltliches) Dienstverhältnis, sondern auf die Erfüllung familiärer Beistands- und Mitwirkungspflichten hindeutet (vgl. §§ 90 und 98 ABGB), liegt nicht vor.

Wurde die Höhe des Entgelts nicht festgelegt, so ist ein angemessener Lohn zu zahlen. Demnach ist die Unentgeltlichkeit der Verwendung nicht schon bei Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten, sondern diese muss ausdrücklich und erwiesenermaßen - wenigstens nach den Umständen konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf sachliche Rechtfertigung (im Zusammenhang mit behaupteten Gefälligkeits- oder Freundschaftsdiensten: siehe oben) standhalten. Die beschwerdeführende Partei hat nicht einmal behauptet, mit M S. die Unentgeltlichkeit der Dienstleistungen ausdrücklich oder konkludent vereinbart zu haben. Die belangte Behörde ist zutreffend von einer Entgeltlichkeit der Tätigkeit von M S. ausgegangen, ohne die tatsächliche Leistung von Entgelt prüfen zu müssen (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2012/08/0165).

Die beschwerdeführende Partei bestreitet auch nicht, die Anmeldung des Pflichtversicherten beim zuständigen Krankenversicherungsträger iSd § 33 Abs. 1 ASVG unterlassen zu haben. Die belangte Behörde hat den der Höhe nach nicht bestrittenen Beitragszuschlag zu Recht vorgeschrieben. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. Mai 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte