VwGH 2011/07/0232

VwGH2011/07/023210.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, in der Beschwerdesache 1. der W B und 2. des G B, beide in G, beide vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Mai 2011, Zl. Wa-2011-305879/2-Mül/Ka, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, über den Antrag der mitbeteiligten Partei G Wohnungsgenossenschaft in L, vertreten durch Holter-Wildfellner Rechtsanwälte OG, 4710 Grieskirchen, Roßmarkt 21, ihr gegen die Versäumung der mit hg. Verfügung vom 2. August 2011, Zlen. 2011/07/0186-4, AW 2011/07/0044-4, gesetzten Frist zur Abgabe einer Stellungnahme in dem durch hg. Beschluss vom 8. September 2011, Zl. AW 2011/07/0044-6, abgeschlossenen Verfahren die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, den Beschluss

Normen

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

gefasst:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Begründung

I.

1. Mit dem zur hg. Zl. 2011/07/0186 in Beschwerde gezogenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Mai 2011 wurden der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Wohnanlage auf näher genannten Grundstücken im Hochwasserabflussbereich der T erteilt und die (u.a.) von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Einwendungen abgewiesen.

Die Beschwerdeführer stellten mit ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde den zur hg. Zl. AW 2011/07/0044 protokollierten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Begründung machten sie u.a. zusammengefasst geltend, dass bei Errichtung der Wohnanlage ihre Grundstücke, die sich jedenfalls im 30-jährlichen Hochwasserabflussbereich der T befänden, überschwemmt und durch Verfrachtungen auf ihre Grundstücke nachteilig beeinträchtigt würden, wodurch für sie ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen würde. Bei Errichtung der Baulichkeiten würde ein Abfluss der Hochwässer nicht mehr funktionieren, und es würden diese auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer gelangen.

Sowohl der belangten Behörde als auch der mitbeteiligten Partei wurde mit hg. Verfügung des Berichters (§ 14 Abs. 2 VwGG) vom 2. August 2011 unter Hinweis auf § 30 Abs. 2 VwGG die Gelegenheit gegeben, zu diesem Antrag der Beschwerdeführer binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde sprach sich in ihrem Schreiben vom 16. August 2011 gegen eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus. Dazu brachte sie vor, die Gemeinde G habe auf Anfrage mitgeteilt, dass eine sehr große Nachfrage nach den geplanten Wohnungen bestehe. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass das öffentliche Interesse an der baldigen Ausführung des Bauvorhabens das Interesse der Beschwerdeführer am Aufschub des Bauvorhabens bzw. an der Vermeidung der befürchteten Auswirkungen des Bauvorhabens auf deren Liegenschaften im Hochwasserfall und auf deren Wasserversorgungsanlagen - wenn es zu diesen Auswirkungen wider Erwarten kommen sollte - überwiege.

Die mitbeteiligte Partei gab keine Äußerung zum Aufschiebungsantrag der Beschwerdeführer ab.

Mit hg. Beschluss vom 8. September 2011, Zl. AW 2011/07/0044- 6, wurde dem Aufschiebungsantrag der Beschwerdeführer stattgegeben. Dieser Beschluss wurde am 26. September 2011 an die mitbeteiligte Partei zugestellt.

2. Mit dem am 7. Oktober 2011 zur Post gegebenen Schriftsatz stellte die mitbeteiligte Partei (u.a.) "den Antrag auf Wiedereinsetzung in die im Beschluss vom 2.8.2011 gesetzte, versäumte 3-wöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme" und begründete dies im Wesentlichen damit, dass auf Seite 1 der genannten Beschwerde Beilagen angeführt seien und auf diese in der Beschwerde Bezug genommen werde. Die Beilagen seien ihr (der mitbeteiligten Partei) jedoch nicht mit der genannten hg. Verfügung zugestellt worden. Sie sei daher "schon formal" gar nicht in der Lage gewesen, zum gesamten Antragsvorbringen fristgerecht "vollständig" Stellung zu nehmen. Dieses Hindernis sei erst den nunmehr eingeschalteten Rechtsvertretern der mitbeteiligten Partei aufgefallen, und diese sei schuldlos an der fristgerechten Erstattung einer - vollständigen - Stellungnahme zum Aufschiebungsantrag gehindert worden. Darüber hinaus habe der Obmann der mitbeteiligten Partei nach Erhalt der genannten Verfügung vom 2. August 2011 mit der belangten Behörde Kontakt aufgenommen, wo ihm mitgeteilt worden sei, dass diese eine Stellungnahme zum Aufschiebungsantrag einbringen werde. Eine zusätzliche Stellungnahme der mitbeteiligten Partei habe die belangte Behörde auf Anfrage ausdrücklich nicht für erforderlich gehalten, weshalb keine Stellungnahme zum Aufschiebungsantrag von der mitbeteiligten Partei erstattet worden sei. Zum damaligen Zeitpunkt sei diese noch nicht rechtsanwaltlich vertreten gewesen, weshalb sie auf die Richtigkeit der Aussage der belangten Behörde habe vertrauen dürfen. Auf Grund dieses Rechtsirrtums sei sie an der Wahrung der in der genannten Verfügung gesetzten Frist gehindert gewesen. Die unvertretene mitbeteiligte Partei treffe an der Versäumung der Äußerungsfrist auch kein Verschulden, zumal in der genannten Verfügung vom 2. August 2011 selbst nicht darauf hingewiesen worden sei, "dass bei Unterlassung der Einbringung einer Stellungnahme der VwGH ohne weitere inhaltliche Prüfung dem Antrag stattgeben wird". Erst durch die Zustellung des Beschlusses vom 8. September 2011 an die mitbeteiligte Partei am 26. September 2011 sei das Hindernis weggefallen.

In weiterer Folge legte die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2011 einen Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 2011 vor, mit dem dem Antrag eines (von den obgenannten Beschwerdeführern verschiedenen) Beschwerdeführers, dessen Beschwerde gegen einen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. August 2011 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben wurde.

II.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 46 Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen, wobei die versäumte Handlung gleichzeitig nachzuholen ist.

Nach ständiger hg. Judikatur ist ein Ereignis dann "unabwendbar" im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG (bzw. des insoweit gleichlautenden § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG), wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann; "unvorhergesehen" im Sinn dieser Gesetzesbestimmungen ist es hingegen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" unterläuft. Hiebei darf der Wiedereinsetzungswerber nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. zum Ganzen etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 71 AVG E 43, 44 und 54 zitierte Rechtsprechung).

Mit ihrem Vorbringen legt die mitbeteiligte Partei nicht dar, dass sie die im vorliegenden Fall erforderliche und ihr zumutbare Sorgfalt zur Wahrung der ihr eingeräumten Stellungnahmefrist (zum Aufschiebungsantrag der Beschwerdeführer) eingehalten habe.

Selbst wenn ihr mit dem Beschwerdeschriftsatz nicht auch die auf dessen Seite 1 genannten Beilagen übermittelt worden sein sollten, konnte das umfangreiche Beschwerdevorbringen samt dem Vorbringen zum Aufschiebungsantrag keine Zweifel darüber offenlassen, aus welchen Gründen die Beschwerdeführer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begehrten. Schon im Hinblick darauf ist nicht zu erkennen, inwieweit die mitbeteiligte Partei auf Grund einer allfälligen Unkenntnis vom Inhalt der genannten Beschwerdebeilagen an der Erstattung einer Äußerung zum Aufschiebungsantrag der Beschwerdeführer gehindert gewesen wäre.

Wenn die mitbeteiligte Partei die Auffassung vertritt, dass mit dem obzitierten Beschluss vom 8. September 2011 dem Aufschiebungsantrag der Beschwerdeführer lediglich wegen des Unterbleibens einer Stellungnahme der mitbeteiligten Partei und ohne weitere inhaltliche Prüfung stattgegeben worden sei, missversteht sie die Begründung dieses Beschlusses. So wurde in der Beschlussbegründung darauf hingewiesen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer nicht als unschlüssig angesehen werden könne und der Beschwerde deshalb die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sei. Auch irrt die Beschwerde, wenn sie der Äußerung der belangten Behörde in deren Schreiben vom 16. August 2011 unterstellt, dass darin "zwingende" öffentliche Interessen behauptet worden seien, ist doch darin lediglich davon die Rede, dass laut Mitteilung der Gemeinde G eine sehr große Nachfrage nach den geplanten Wohnungen bestehe, sodass die belangte Behörde von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses gegenüber den gegenläufigen Interessen der Beschwerdeführer ausgehe.

Der von der mitbeteiligten Partei im Wiedereinsetzungsantrag behauptete Irrtum stellt daher kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG dar und es kann keine Rede davon sein, dass sie kein Verschulden (oder nur ein minderer Grad des Versehens) an der Versäumung der Äußerungsfrist treffe.

Da somit die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen, war über den Wiedereinsetzungsantrag - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a leg. cit. gebildeten Senat (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die hg. Beschlüsse vom 29. März 2004, Zl. 2004/17/0016, und vom 29. Jänner 2010, Zl. 2009/10/0258, mwN) -

gemäß § 46 Abs. 4 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am 10. November 2011

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