VwGH 2011/07/0186

VwGH2011/07/018622.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, in der Beschwerdesache 1. der W B und 2. des G B, beide in G, beide vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Mai 2011, Zl. Wa-2011-305879/2-Mül/Ka, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: G Wohnungsgenossenschaft, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung in L, vertreten durch Holter-Wildfellner Rechtsanwälte OG, 4710 Grieskirchen, Roßmarkt 21), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §68 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwRallg;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §27 Abs1 lita impl;
WRG 1959 §27 Abs1 lita;
WRG 1959 §38 Abs1;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwRallg;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §27 Abs1 lita impl;
WRG 1959 §27 Abs1 lita;
WRG 1959 §38 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

I.

Mit dem vorliegend angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Mai 2011 wurden der mitbeteiligten Partei (im Folgenden: MP) gemäß § 38 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 iVm §§ 12, 50, 98, 105 und 111 leg. cit. die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Wohnanlage auf näher genannten Grundstücken im Hochwasserabflussbereich der T erteilt und die (u.a.) von den Beschwerdeführern - diese sind jeweils Hälfteeigentümer von zwei in der Nähe dieser Liegenschaften gelegenen Grundstücken - dagegen erhobenen Einwendungen abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei hat die Abweisung der Beschwerde in ihrer Gegenschrift beantragt.

Mit Schriftsatz vom 4. November 2011 teilte die MP mit, dass sie auf den gemäß § 38 WRG 1959 bescheidmäßig eingeräumten wasserrechtlichen Konsens laut dem angefochtenen Bescheid vollinhaltlich verzichtet habe, sodass die Beschwerdeführer ihrer Meinung nach klaglos gestellt seien. Dazu legte die MP als Beilage die Kopie ihres an die erstinstanzliche Behörde gerichteten Schriftsatzes vom selben Tag vor, worin sie die Erklärung abgegeben hatte,

"hiemit auf den bescheidmäßig eingeräumten wasserrechtlichen Konsens gemäß § 38 WRG laut Bescheid vom 27.1.2011 (...) der BH G, in der Fassung des (angefochtenen Bescheides) zu verzichten und davon keinen Gebrauch zu machen!".

Dazu brachte die MP in diesem Schriftsatz (u.a.) vor, dass Wasserrechte - so auch ein solches gemäß § 38 leg. cit. - nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen durch Verzicht erlöschen würden, ein Verzicht eine einseitige, bedingungsfeindliche Erklärung sei und Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Verzichtes lediglich das Zur-Kenntnis-Bringen an die Behörde sei.

Mit hg. Verfügung vom 24. November 2011 erging an die Beschwerdeführer die Anfrage, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen sie sich noch als durch den vorliegend angefochtenen Bescheid in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt erachteten.

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2011 brachten die Beschwerdeführer (u.a.) vor, auf Grund der Verzichtserklärung der MP vom 4. November 2011 nicht klaglos gestellt zu sein. So habe die MP lediglich auf den bescheidmäßig eingeräumten wasserrechtlichen Konsens verzichtet, indem sie erklärt habe, davon keinen Gebrauch zu machen, ohne dass der angefochtene Bescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt sei. Eine materielle Klaglosstellung liege dann vor, wenn durch einen behördlichen Akt dasselbe Ergebnis herbeigeführt werde, das der Beschwerdeführer mit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes anstrebe. Die MP habe auf die Durchführung der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Baumaßnahme "an sich jedoch nicht vorbehaltslos und ohne Bedingungen" verzichtet, sondern ausdrücklich erklärt, die Baumaßnahme nunmehr ohne wasserrechtlichen Konsens durchführen zu wollen, dies jedoch in der unrichtigen Annahme, dass eine wasserrechtliche Bewilligung nicht mehr erforderlich sei, weil das Bauvorhaben nunmehr nicht mehr im 30-jährlichen Hochwasserabfluss der T liege. Damit sei allerdings ein unzulässiger bloßer Verzicht auf die Ausübung des wasserrechtlichen Konsenses, allerdings mit ausdrücklichem Vorbehalt der Realisierung der Baumaßnahme ohne wasserrechtlichen Konsens, gegeben, weshalb die Beschwerdeführer nicht klaglos gestellt seien. Da nach wie vor eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht gegeben sei, könnte die Wasserrechtsbehörde einen wasserrechtlichen Alternativauftrag im Sinne des § 138 Abs. 2 WRG 1959 nicht mehr erteilen, weil einem solchen Alternativauftrag der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid entgegenstehen würde, der nach wie vor - ungeachtet des Verzichts der MP - dem Rechtsbestand zugehöre, wobei es sich um dasselbe Projekt handelte, das dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid zugrunde liege. Dasselbe Projekt könne jedoch nicht Gegenstand zweier verschiedener wasserrechtlicher Bewilligungsverfahren sein, sodass ein weiteres Verfahren gegen das "Wiederholungsverbot" verstoßen würde. Abgesehen davon würde in die Rechtskraft des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides unzulässigerweise eingegriffen werden, der von einer wasserrechtlichen Genehmigungspflicht nach § 38 WRG 1959 und davon ausgehe, dass sich das Projekt im 30-jährlichen Hochwasserabflussgebiet der T befinde. Auch werde durch die Annahme, dass das Projekt keiner (wasserrechtlichen) Bewilligungspflicht mehr unterliege, in die zum Schutz der Nachbarschaft durch Erteilung von Auflagen eingeräumten Rechte der Beschwerdeführer eingegriffen. Dementsprechend wären sie nur dann klaglos gestellt, wenn die MP auf eine Ausführung desselben Projekts schlechthin vorbehaltslos und ohne Bedingung - und nicht bloß auf den Gebrauch des wasserrechtlichen Konsenses, der mit der wasserrechtlichen Bewilligung eingeräumt worden sei - verzichteten. Ein solcher Verzicht sei jedoch von der MP nicht abgegeben worden.

II.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer Klaglosstellung nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formlose Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist. § 33 Abs. 1 VwGG ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom 26. Februar 2004, Zl. 2001/07/0186, mwN).

Die bescheidmäßige Zuerkennung einer wasserrechtlichen Bewilligung - wie im vorliegenden Beschwerdefall - ist dadurch gekennzeichnet, dass es dem Träger des Rechtes freisteht, von diesem Recht Gebrauch zu machen oder nicht (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1968, Zl. 0216/68).

Mit dem oben (I.) genannten, an die erstinstanzliche Behörde gerichteten Schriftsatz vom 4. November 2011 hat die MP gegenüber der Wasserrechtsbehörde die Erklärung abgegeben, auf den (mit dem angefochtenen Bescheid) eingeräumten wasserrechtlichen Konsens zu verzichten und davon keinen Gebrauch zu machen, wobei sie selbst darauf hingewiesen hat, dass es sich bei diesem Verzicht um eine bedingungsfeindliche Erklärung handle.

Eine ausdrückliche Bestimmung über das Erlöschen eines Wasserrechtes durch Verzicht kennt das WRG 1959 zwar nur in den Fällen eines Wasserbenutzungsrechtes (vgl. § 27 Abs. 1 lit. a leg. cit.). Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Verzicht auf andere Wasserrechte, so etwa auf eine gemäß § 38 Abs. 1 leg. cit. erteilte Bewilligung, nicht wirksam wäre. Denn auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung kann grundsätzlich auf im öffentlichen Recht wurzelnde Ansprüche verzichtet werden, sofern sich aus den gesetzlichen Bestimmungen nichts Gegenteiliges ergibt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 2011, Zl. 2009/11/0009, mwN). Dem WRG 1959 kann nun keine Regelung entnommen werden, die einen Verzicht auf ein Wasserrecht, das kein Wasserbenutzungsrecht darstellt, hindert. Der von der MP erklärte Verzicht auf die ihr mit dem angefochtenen Bescheid eingeräumte wasserrechtliche Bewilligung war somit nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zulässig und wirksam (vgl. zum Ganzen etwa Bumberger/Hinterwirth, WRG, § 27 WRG K 6; Oberleitner/Berger, WRG3, § 27 WRG Rz 2; ferner in diesem Zusammenhang etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. September 1990, Zl. 88/05/0220, und vom 17. Oktober 2003, Zl. 99/17/0200, mwN).

Bei einem solchen wirksamen Verzicht handelt es sich nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen um eine einseitige, bedingungsfeindliche, nicht annahmebedürftige, unwiderrufliche öffentlich-rechtliche Willenserklärung des Berechtigten, wobei die Motive hiefür unbeachtlich sind. Dass die MP diesen Verzicht in der Meinung erklärt hat, die Ausführung ihres Vorhabens sei nicht (mehr) bewilligungspflichtig, ändert an der Wirksamkeit des von ihr abgegebenen Verzichts daher nichts.

Ob nun die Durchführung des Vorhabens der MP einer wasserrechtlichen Bewilligung bedarf oder nicht, war im vorliegenden Zusammenhang nicht mehr zu prüfen. Diese Frage wird die Wasserrechtsbehörde zu beurteilen haben, wenn die MP ihr Vorhaben weiter ausführt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hindert der vorliegend angefochtene Bewilligungsbescheid nach dem von der MP abgegebenen Verzicht nicht die Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 WRG 1959, der im Fall einer eigenmächtigen Neuerung zu erlassen ist. Eine solche Neuerung liegt dann vor, wenn eine bewilligungspflichtige Maßnahme ohne die erforderliche Bewilligung hiefür ausgeführt wird. Bedarf nun die Verwirklichung eines Vorhabens nach einem Verzicht auf eine dafür bereits erteilte Bewilligung dennoch einer wasserrechtlichen Bewilligung, so stellt die Verwirklichung des Vorhabens den Fall einer eigenmächtigen Neuerung dar, weil ein bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung, die bereits durch Verzicht erloschen ist, ausgeführt würde. Von einem Eingriff in die Rechtskraft des diesbezüglichen wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides kann in einem solchen Fall keine Rede sein, und an einer allenfalls für das gegenständliche Vorhaben erforderlichen wasserrechtlichen Bewilligung hat daher der von der MP erklärte Verzicht nichts geändert.

Im Hinblick darauf ist nicht ersichtlich, inwieweit durch eine Aufhebung des vorliegend angefochtenen Bescheides eine Änderung in der Rechtsposition der Beschwerdeführer eintreten könnte. Solcherart sind diese durch den angefochtenen Bescheid nicht (mehr) beschwert.

Demzufolge war die Beschwerde als gegenstandslos geworden zu erklären und das Beschwerdeverfahren in Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch an die Beschwerdeführer gemäß § 56 VwGG nicht vor. Ein Zuspruch von Kosten nach § 58 Abs. 2 leg. cit. setzt voraus, dass bereits ohne unverhältnismäßigen Aufwand an Prüfungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes der fiktive Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wäre der Fall der Gegenstandslosigkeit nicht eingetreten - eindeutig ist, also entweder der angefochtene Bescheid offenkundig als rechtswidrig zu erkennen oder die Beschwerde offenkundig unbegründet ist (vgl. nochmals den bereits zitierten Beschluss, Zl. 2001/07/0186, mwN). Da die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht ohne nähere Prüfung zu lösen ist und daher die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, hat der Gerichtshof nach freier Überzeugung entschieden, dass kein Aufwandersatz zugesprochen wird (§ 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG).

Wien, am 22. Dezember 2011

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