Normen
AVG §8;
LStG NÖ 1999 §11;
LStG NÖ 1999 §4 Z6;
LStG NÖ 1999 §5;
AVG §8;
LStG NÖ 1999 §11;
LStG NÖ 1999 §4 Z6;
LStG NÖ 1999 §5;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Im Beschwerdefall geht es um die geplante Errichtung einer Bahnunterführung und eines Kreisverkehrs im Gemeindegebiet der Stadt K, wobei es sich um Landesstraßen handelt. Für die Realisierung des Vorhabens werden Grundflächen des Beschwerdeführers benötigt.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters vom 5. Juni 2009 wurde einerseits (Spruchpunkt I) die straßenrechtliche und andererseits (Spruchpunkt II) die wasserrechtliche Bewilligung erteilt.
Der Beschwerdeführer berief mit Schriftsatz vom 16. Juni 2009.
Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. September 2009 die Berufung hinsichtlich Spruchpunkt I des Bescheides vom 5. Juni 2009 (straßenrechtliche Bewilligung) als unbegründet ab. (Anzumerken ist, dass nach Erlassung des nun hier angefochtenen Enteignungsbescheides der Landeshauptmann von Niederösterreich, der im wasserrechtlichen Verfahren als Berufungsbehörde einzuschreiten hatte, mit Bescheid vom 7. Juni 2010 über die Berufung zurückweisend entschied; dieser Bescheid ist Gegenstand des hg. Beschwerdeverfahrens Zl. 2011/06/0195.)
Mit Eingabe vom 4. Dezember 2009 beantragte die mitbeteiligte Partei die Enteignung von Grundflächen des Beschwerdeführers zur Realisierung des Straßenbauvorhabens. Der nun rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer erhob Einwendungen gegen die beabsichtigte Enteignung. Nach Durchführung einer Enteignungsverhandlung am 20. April 2010 und weiteren Verfahrensschritten hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid (vom 26. Mai 2010) antragsgemäß entschieden, eine Enteignungsentschädigung zuerkannt und weitere Anordnungen im Zusammenhang mit diesen Aussprüchen getroffen.
In der Begründung heißt es einleitend, mit Bescheid vom 5. Juni 2009 sei (unter anderem) dem Land Niederösterreich die Straßenbaubewilligung für dieses Vorhaben erteilt worden. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. September 2009 als unbegründet abgewiesen worden. Es liege ein rechtskräftiger Straßenbaubewilligungsbescheid vor.
Nach Wiedergabe verschiedener Gutachten und Stellungnahmen im Straßenbaubewilligungsverfahren und Darstellung des Verlaufes des Enteignungsverfahrens (in dem unter anderem die mitbeteiligte Partei vorgebracht habe, der Umstand, dass die Stadt K ein Ablöseangebot gestellt habe, habe seinen Grund darin, dass es eine Verpflichtung der Stadt K gegenüber dem Land gebe, die Ablösekosten für das Vorhaben zu tragen) und nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, dass Fragen der Trassenführung nach Abschluss eines straßenrechtlichen Bewilligungsverfahrens nicht mehr zu prüfen seien. Im Enteignungsverfahren habe vielmehr eine Interessenabwägung oder eine Prüfung der Notwendigkeit des Vorhabens nicht mehr zu erfolgen. Auch wenn man dieser Judikatur nicht folgen sollte, sei auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen zu verweisen, der auf das rechtskräftig genehmigte Vorhaben eingegangen sei. Daraus ergebe sich, dass das Vorhaben sehr wichtigen (näher bezeichneten) öffentlichen Interessen gerecht werde, sodass auch aus diesem Blickwinkel eine Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfiele. Da das Straßenvorhaben rechtskräftig bewilligt worden und der Beschwerdeführer auch Partei des Straßenbaubewilligungsverfahrens gewesen sei, sei die Notwendigkeit des Vorhabens zu bejahen und könne im Enteignungsverfahren nicht mehr geprüft werden.
Abschließend befasste sich die belangte Behörde mit Fragen der Höhe der Entschädigung.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 5. Oktober 2011, B 908/10-14, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes verbesserten (ergänzten) Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Nö StraßenG 1999, LGBl. 8500-0, in der Fassung der ersten Novelle, LGBl. 8500-1 (im Folgenden: Nö StrG 1999), anzuwenden.
Die im vorliegenden Fall insbesondere maßgeblichen Bestimmungen dieses Gesetzes (teilweise auszugsweise) lauten wie folgt:
"§ 4
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als
…
6. Straßenerhalter: das Land oder die Gemeinde als
Träger von Privatrechten, dem der Bau und die Erhaltung einer
Straße oder eines Bestandteiles derselben obliegt;
..."
"§ 5
Landesstraßen
(1) Die Landesregierung hat durch Verordnung
(NÖ Landesstraßenverzeichnis) die durch das Land zu bauenden oder
zu erhaltenden Straßen
o zu Landesstraßen zu erklären, überdies
o deren Verlauf zu beschreiben und
o bei deren Ausführung als Naturstraßen sie als solche
zu bezeichnen.
Zusätzliche Bezeichnungen (z.B. Numerierung, Funktionsstufe)
dürfen beigefügt werden."
"§ 11
Enteignung
(1) Das Eigentum an Grundstücken und Bauwerken darf vom
Straßenerhalter durch Enteignung in Anspruch genommen werden
o für den Bau, die Umlegung, Umgestaltung und
Erhaltung einer Straße oder
o zur Umwandlung einer für den allgemeinen Verkehr
notwendigen Privatstraße nach § 7 in eine öffentliche Straße nach den §§ 5 und 6.
(2) Abs. 1 gilt auch für die dauernde Einräumung, Abtretung, Einschränkung oder Aufhebung von dinglichen Rechten. Werden Eisenbahngrundstücke für Zwecke nach Abs. 1 beansprucht, gelten hiefür die eisenbahnrechtlichen Vorschriften.
(3) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang einer Enteignung nach Abs. 1 und 2 hat die Landesregierung zu entscheiden. Die Wirtschaftlichkeit des Straßenbauvorhabens ist zu berücksichtigen. In dem Bescheid ist auch die Höhe der Entschädigung festzusetzen.
(4) …"
Der Beschwerdeführer wendet ein, die Stadt K leiste die Entschädigung, sodass hier eine Enteignung für Dritte erfolge. Die Stadt K hätte als Enteignungswerberin einschreiten müssen. Das trifft nicht zu: Es handelt sich hier um ein Straßenbauvorhaben, das Landesstraßen betrifft. Straßenerhalter ist gemäß § 4 Z. 6 Nö StrG 1999 das Land Niederösterreich (die mitbeteiligte Partei). Die Aktivlegitimation für einen Enteignungsantrag ergibt sich aus dem ersten Halbsatz des § 11 Abs. 1 leg. cit., antragslegitimiert ist demnach der Straßenerhalter, hier also die mitbeteiligte Partei. Der Umstand, dass das Land Niederösterreich und die Stadt K übereingekommen sind, dass letztere die Entschädigung leisten solle, vermag an der Aktivlegitimation und am Umstand, dass es sich hier um Landesstraßen handelt, nichts zu ändern.
Zutreffend hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf verwiesen, dass die rechtskräftig erteilte Straßenbaubewilligung Bindungswirkung für das nachfolgende Enteignungsverfahren dahingehend entfaltet, dass im Enteignungsverfahren nicht mehr die Notwendigkeit der Straße oder auch der Verlauf der Trasse, sondern im Wesentlichen nur mehr die Frage zu prüfen ist, ob die Enteignung der für die Realisierung des Straßenbauvorhabens vorgesehenen Grundstücke im beantragten Umfang erforderlich ist; das gilt auch für die hier vom Beschwerdeführer thematisierte Frage der Interessenabwägung (vgl. z.B. in jüngerer Zeit die hg. Erkenntnisse vom 8. Juni 2011, Zlen. 2010/06/0016 und 0017, mwN., und vom 6. Oktober 2011, Zl. 2010/06/0012).
Richtig ist wohl, dass der Landeshauptmann von Niederösterreich (nicht, wie der Beschwerdeführer meint, die Niederösterreichische Landesregierung), der als Berufungsbehörde im wasserrechtlichen Verfahren einzuschreiten hatte, erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides mit Bescheid vom 7. Juni 2010 über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 5. Juni 2009 zurückweisend entschieden hat. Darauf kommt es aber im Beschwerdefall nicht an, maßgeblich ist vielmehr, dass die belangte Behörde bereits mit Bescheid vom 17. September 2009 die Berufung gegen die erstinstanzliche Straßenbaubewilligung als unbegründet abgewiesen hatte. Auf die rechtskräftig erteilte Straßenbaubewilligung wurde im angefochtenen Bescheid auch mehrfach verwiesen, was auch nicht bestritten wird.
Die Frage der Notwendigkeit des Vorhabens (und damit im Zusammenhang thematisierte Richtigkeit der Interessenabwägung) wie auch die vorgesehene Trassenführung waren daher im gegenständlichen Enteignungsverfahren nicht mehr zu hinterfragen. Dass aber die enteigneten Flächen für die Realisierung des Vorhabens erforderlich sind, ist unstrittig.
Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte schon deshalb Abstand genommen werden, weil der Antrag nicht, wie von § 39 Abs. 1 Z. 1 VwGG gefordert, innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde, sondern verspätet, nämlich erst im Verbesserungsschriftsatz, gestellt wurde (siehe dazu aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2005, Zl. 2005/06/0162).
Weiters kann der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EuGH hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen (exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.
Diese Voraussetzungen liegen auch im Beschwerdefall vor: Dass die Berufung gegen die erstinstanzliche Straßenbaubewilligung bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. September 2009 abgewiesen wurde, ist unstrittig. Dass dies eine ausreichende Grundlage für die Enteignung war, ist eine Rechtsfrage (die auch im Einklang mit der bisherigen Judikatur beantwortet wurde), zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher auch im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Wien, am 11. Jänner 2012
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)