VwGH 2011/06/0156

VwGH2011/06/015611.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des A B in R, vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 11, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. Juli 2011, Zl. RoBau-8-2/60/14-2011, betreffend Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:

Normen

VVG §2;
VVG §4 Abs2;
VVG §4;
VVG §2;
VVG §4 Abs2;
VVG §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 23. September 2010, Zl. 2010/06/0120, zu entnehmen. Es geht um die Vollstreckung des rechtskräftigen baupolizeilichen Auftrages des Bürgermeisters der Gemeinde R vom 27. September 2004, ein konsenswidrig errichtetes Gebäude entsprechend der ursprünglichen Baugenehmigung umzubauen und der konsentierten Raumnutzung zuzuführen.

Mit Schreiben vom 3. April 2008 ersuchte der Bürgermeister die Bezirkshauptmannschaft I (kurz: BH) um Vollstreckung des Titelbescheides vom 27. September 2004.

Mit Erledigung der BH vom 28. April 2008 wurde die Ersatzvornahme angedroht (Frist bis 30. Mai 2008 für den Beginn der Bauarbeiten), dann abermals mit Erledigung vom 27. Oktober 2008 (Beginn der Umbauarbeiten bis 30. November 2008).

In den Verwaltungsakten der BH befindet sich ein Leistungsverzeichnis (zweifach) mit einer näheren Aufstellung der voraussichtlichen Arbeiten und des erforderlichen Materials nach Volumen, Fläche und Stückanzahl (ohne Kostenschätzung). Die Kostenschätzung eines bestimmten Unternehmens vom 22. Oktober 2008 nennt pauschal (ohne nähere Aufschlüsselung) einen geschätzten Betrag von brutto EUR 165.000,--.

Mit dem erstinstanzlichen, als Vollstreckungsverfügung bezeichneten Bescheid der BH vom 29. Juni 2009 wurde einerseits gemäß § 4 Abs. 1 VVG die Vollstreckung des Titelbescheides im Wege der Ersatzvornahme angeordnet sowie andererseits gemäß § 4 Abs. 2 VVG der Beschwerdeführer aufgefordert, "vor Beginn der Ersatzvornahme" die für die Beseitigung anfallenden Kosten in der Höhe von EUR 165.000,-- mittels eines beiliegenden Erlagscheines auf das Konto der BH einzuzahlen. In der Begründung wird zum Kostenvorauszahlungsauftrag auf § 4 Abs. 2 VVG verwiesen; eine weitere Begründung hiezu enthält dieser erstinstanzliche Bescheid nicht.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den erstinstanzlichen Bescheid Berufung. Hinsichtlich des Kostenvorauszahlungsauftrages führte er, soweit für das Beschwerdeverfahren noch erheblich, aus, die Behörde erster Instanz habe es unterlassen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen, Parteiengehör sei nicht gewährt worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, dass eine amtliche Kostenschätzung jedenfalls so aufgeschlüsselt sein müsse, dass dem Verpflichteten die Möglichkeit der Überprüfung eingeräumt werde. Dies habe die Behörde erster Instanz im Beschwerdefall gänzlich außer Acht gelassen. Für den Beschwerdeführer sei in keiner Weise nachvollziehbar, wie die erstinstanzliche Behörde auf den Betrag von EUR 165.000,-- komme. In der Begründung des bekämpften Bescheides fänden sich keinerlei Beschreibung von Baumaßnahmen, keinerlei Hinweis auf Kostenvoranschläge und keinerlei Kalkulationen. Ihm sei im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren keine Gelegenheit geboten worden, die Angemessenheit des Betrages, für den er nun aufkommen solle, zu überprüfen und hiezu Stellung zu nehmen. Hätte die Behörde erster Instanz ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, so hätte sich herausgestellt, dass der Betrag von EUR 165.000,-- weit überhöht sei.

Mit Bescheid vom 29. März 2010 wies die belangte Behörde die Berufung gegen die Vollstreckungsverfügung als unbegründet ab und behielt die Entscheidung betreffend die auferlegte Kostenvorauszahlung einem gesonderten Bescheid vor. Die Beschwerde gegen die Bestätigung der Vollstreckungsverfügung wurde mit dem eingangs genannten hg. Erkenntnis vom 23. September 2010, Zl. 2010/06/0120, als unbegründet abgewiesen.

Nun hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung auch hinsichtlich des Kostenvorauszahlungsauftrages als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung heißt es nach Darstellung des Verfahrensganges, der Kostenvorauszahlungsauftrag im Sinne des § 4 Abs. 2 VVG sei ein im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergehender verfahrensrechtlicher Bescheid, auf den die Bestimmungen des AVG voll anzuwenden seien. Er diene nicht der Herstellung des bescheidgemäßen Zustandes, sondern nur der Schadloshaltung der Behörde.

Der Erlassung eines Auftrages zur Kostenvorauszahlung habe ein Ermittlungsverfahren vorauszugehen, in dem die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme im Wege einer Schätzung festgestellt werden müssten. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müsse eine derartige amtliche Kostenschätzung jedenfalls so aufgeschlüsselt sein, dass dem Verpflichteten die Möglichkeit der Überprüfung und damit der Konkretisierung der preislichen Unangemessenheit eingeräumt werde.

Da drei befugte Gewerbetreibende der Erstattung eines Kostenvoranschlages Folge geleistet hätten, diese im Akt lägen und Berufung erhoben worden sei, sei das Argument der Verletzung des Parteiengehörs nicht zutreffend, weil nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durch die Möglichkeit der Berufungseinbringung eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs saniert sei.

In der Berufung seien gegen die Kostenvorschreibung lediglich allgemeine Ausführungen getätigt und nicht, wie vom Verwaltungsgerichtshof vorgesehen, die Möglichkeit genutzt worden, die preisliche Angemessenheit zu überprüfen bzw. dazu auf die konkreten Voranschläge hin eine Stellungnahme abzugeben.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 26. September 2011, B 1062/11-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes verbesserten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wenn eine Ersatzvornahme zwangsweise durchzusetzen ist, kann die Vollstreckungsbehörde gemäß § 4 Abs. 2 VVG dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.

Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben. Dem erstinstanzlichen Bescheid sei lediglich ein Leistungsverzeichnis ohne Kostenschätzung sowie eine Kostenschätzung vom 22. September 2008, die pauschal ohne nähere Aufschlüsselung den Betrag von brutto EUR 165.000,-- beziffere, zugrunde gelegt worden. Die belangte Behörde hätte die erforderlichen Ermittlungen durchführen, sich mit dem Berufungsvorbringen hinsichtlich des Kostenvoranschlages auseinandersetzen oder auch die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen gehabt. Im angefochtenen Bescheid führe die belangte Behörde lediglich aus, dass drei befugte Gewerbetreibende der Erstattung eines Kostenvoranschlages Folge geleistet hätten. Diese Kostenvoranschläge seien dem Beschwerdeführer jedoch nicht zur Kenntnis gebracht und es sei ihm demnach keine Möglichkeit gegeben worden, Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, diese drei Kostenschätzungen aufzuschlüsseln. Ein Sachverständiger sei dem Verfahren nicht beigezogen worden.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Zutreffend hat auch die belangte Behörde darauf verwiesen, dass eine amtliche Kostenschätzung der voraussichtlichen Kostenersatzvornahme jedenfalls so aufgeschlüsselt sein muss, dass dem Verpflichteten die Möglichkeit der Überprüfung und damit der Konkretisierung der preislichen Unangemessenheit gegeben ist (siehe dazu beispielsweise die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, bei E 169 ff zu § 4 VVG wiedergegebene hg. Judikatur). Richtig ist auch, dass die Vollstreckungsbehörde zur Ermittlung der voraussichtlich anfallenden Kosten anstelle eines Sachverständigengutachtens auch Anbote von Unternehmen einholen kann, denn bei beiden Vorgangsweisen handelt es sich um durchaus gleichwertige Methoden zur Bestimmung der voraussichtlichen Kosten (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2005, Zl. 2003/06/0191). Nur ist im Beschwerdefall nicht ersichtlich, dass es entsprechende, nachvollziehbare Anbote gäbe. Schon im eingangs genannten Vorerkenntnis vom 23. September 2010 wurde darauf verwiesen, dass sich im Akt lediglich ein Leistungsverzeichnis (ohne Kosten) sowie ein pauschaler Kostenvoranschlag befinden. Daran hat sich nichts geändert. Der Vorhalt der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit gehabt, in der Berufung seinen Standpunkt darzulegen, geht fehl, weil der erstinstanzliche Bescheid zur Höhe der Kostenvorauszahlung bar jeglicher Begründung war (den Verwaltungsakten zufolge wurde auch zuvor kein Parteiengehör gewährt), woraufhin der Beschwerdeführer in der Berufung nur die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Angemessenheit des Betrages geltend machen konnte und dies auch getan hat. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, darauf einzugehen. Die belangte Behörde spricht zwar im angefochtenen Bescheid davon, dass drei befugte Gewerbetreibende Angebote gelegt hätten; wo sich die zwei weiteren Anbote befinden und welchen Inhalt sie haben sollen, sagt sie aber nicht, ganz abgesehen davon, dass hiezu auch kein Parteiengehör gewährt wurde. Zur Höhe der auferlegten Kostenvorauszahlung mangelt es vielmehr weiterhin an einer nachvollziehbaren Begründung.

Dadurch belastete die belangte Behörde das Verfahren und den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG entfallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 11. Jänner 2012

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