VwGH 2011/06/0023

VwGH2011/06/002318.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des Dr. N B und 2. der E B, beide in U, beide vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Graz vom 22. Dezember 2010, Zl. 019301/2007/0040, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: W GmbH in G; weitere Partei:

Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauRallg;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben der Stadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der W GmbH (Bauwerberin) wurde mit Bescheid vom 2. März 2008 die Baubewilligung unter anderem für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit acht Wohneinheiten erteilt. Für diese Baubewilligung wurden mit Bescheiden vom 19. August 2009 sowie vom 26. November 2009 Änderungen bewilligt. Mit dem nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag vom 25. Juni 2010 beantragte die Bauwerberin folgende weiteren Änderungen der bereits bewilligten Wohnhausanlage:

"Neue Grundstückskonfiguration durch Grundstücksteilung, Geringfügige Änderung der Gebäudehöhe, Geringfügige Änderung der Fenster, Entfall einer Außentreppe, Geringfügige Lageveränderung auf Grund durchgeführter Grundgrenzvermessung, dadurch bedingte geringfügige Änderung der Grundgrenzabstände sowie geringfügige Grundrissvergrößerung."

Das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien grenzt südlich an das Bauvorhaben. Sie wandten sich in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2010 gegen die beantragten Änderungen, indem sie sich den Einwendungen einer anderen Nachbarin anschlossen. Diese wandte sich zunächst gegen die Grundstücksteilung während der Bauausführung, weil dadurch eine massive Erhöhung der Bebauungsdichte erfolge, wobei die Bebauungsdichte bereits jetzt überschritten sei. Auch die Gebäudehöhe des ostseitigen Hofgebäudes sei schrittweise um insgesamt 58 cm gegenüber der ursprünglich eingereichten Höhe angehoben worden. Auf Grund der Lageveränderung sei der Abstand zur Grundgrenze zu überprüfen; im Fall der Unterschreitung erhebe sie einen Einwand gemäß § 26 Stmk BauG. Des Weiteren wurde die Zulässigkeit der Änderung der Grundstücksgröße in Zweifel gezogen.

Mit Bescheid vom 21. September 2010 genehmigte der Stadtsenat der Stadt Graz die beantragten Änderungen unter Vorschreibung diverser Auflagen. Zu den Einwendungen der beschwerdeführenden Parteien führte die Behörde aus, diese seien als unzulässig zurückzuweisen, sofern damit keine der in § 26 Stmk BauG taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte geltend gemacht würden. Nur hinsichtlich der Grenz- und Gebäudeabstandsänderungen werde ein solches Nachbarrecht geltend gemacht. Unter Hinweis auf § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Z 29 Stmk BauG kam die Behörde erster Instanz zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung von Abstandsvorschriften bzw. Nachbarrechten durch die geplante Baumaßnahme nicht gegeben sei.

Dagegen beriefen - neben anderen Nachbarinnen - auch die beschwerdeführenden Parteien mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2010. Sie rügten ein Abgehen vom rechtlich nicht verbindlichen räumlichen Leitbild, eine Erhöhung der Bebauungsdichte, die Befreiung von der Pflicht, PKW-Abstellflächen zu errichten sowie, dass die Festlegung der maximalen Gebäudehöhe von ca. 6,20 m bzw. an der höchsten Stelle 6,60 m weder beim Hofgebäude noch beim Straßengebäude eingehalten werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Zu den gerügten Abstandsvorschriften führte sie unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 und 2 Stmk BauG aus, im Ergebnis liege keine Abstandsverletzung vor. Das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien grenze in südlicher Richtung an den Bauplatz, ihnen komme daher nur ein Mitspracherecht hinsichtlich der Abstandsvorschriften zu ihrer Grundgrenze zu. Hinsichtlich des Berufungsvorbringens betreffend das städteplanerische Gutachten, die Bebauungsleitlinien, die Bebauungsdichte, den Bebauungsgrad und die Abstellflächen seien die beschwerdeführenden Parteien präkludiert bzw. sei dieses Vorbringen dem Mitspracherecht der Nachbarn entzogen. Die Rüge betreffend die Gebäudehöhe stelle ebenfalls kein Nachbarrecht dar, sodass die Behörde erster Instanz dieses Vorbringen zu Recht als unzulässig zurückgewiesen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit zu beheben und den Antrag abzuweisen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, und viele andere).

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 49/2010, anzuwenden.

"§ 4

Begriffsbestimmungen

  1. 1.
  2. 29. Gebäudefront: Außenwandfläche eines Gebäudes ohne vorspringende Bauteile, wie z.B. Balkone, Erker, Vordächer jeweils in gewöhnlichen Ausmaßen; an Gebäudeseiten ohne Außenwände gilt die Vertikalebene entlang des Dachrandes als Gebäudefront;

    30. …

    § 13

    Abstände

(1) ...

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) …

§ 26

Nachbarrechte

(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. 2. die Abstände (§ 13);
  2. 3. den Schallschutz (§ 77 Abs. 1);
  3. 4. die brandschutztechnische Ausführung der Außenwände von Bauwerken an der Nachbargrenze (§ 52 Abs. 2);

    5. die Vermeidung einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung bzw. unzumutbaren Beeinträchtigung (§ 57 Abs. 2, § 58, § 60 Abs. 1, § 66 zweiter Satz und § 88);

    6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6).

(2) Wird von einem Nachbarn die Verletzung eines Rechtes behauptet, das ausschließlich der Wahrung öffentlicher, von der Behörde von Amts wegen wahrzunehmender Interessen dient (objektiv öffentlich rechtliche Einwendung), so hat die Behörde dieses Vorbringen zurückzuweisen.

(3) …"

Die Beschwerde bezieht sich zunächst erkennbar auf § 26 Abs. 1 Z 1 Stmk BauG und versucht, daraus ein Nachbarrecht hinsichtlich der behaupteten Überschreitung der zulässigen Bebauungsdichte durch das gegenständliche Vorhaben abzuleiten. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich nach ständiger hg. Judikatur aus dieser Bestimmung kein Nachbarrecht in Bezug auf eine einzuhaltende Bebauungsdichte ergibt. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Parteien handelt es sich dabei nämlich nicht um eine Bestimmung des Bebauungsplanes im Sinn des § 26 Abs. 1 Z 1 Stmk BauG, mit der ein Immissionsschutz verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. August 2010, Zl. 2009/06/0222, mwN). Das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien hinsichtlich zu befürchtender Lärmbelästigungen und zusätzlicher Emissionen auf Grund der behaupteten Überschreitung der Bebauungsdichte geht daher - ungeachtet einer diesbezüglich allenfalls eingetretenen Präklusion - ins Leere (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2009/06/0222).

Die beschwerdeführenden Parteien rügen darüber hinaus, es komme zu "einer massiven Verletzung der im Baugesetz normierten Abstandsvorschriften", ohne dies näher zu konkretisieren. Das gegenständliche Bauvorhaben sieht unbestritten die Errichtung von Gebäuden mit zwei Geschoßen vor; demnach ergibt sich aus § 13 Abs. 2 Stmk BauG ein erforderlicher Grenzabstand des Bauvorhabens zum Grundstück der beschwerdeführenden Parteien von mindestens 4 m. Aus dem den Verwaltungsakten beiliegenden Lageplan ergibt sich ein Grenzabstand zwischen der südlichen Gebäudefront des Bauvorhabens und der südlichen Grundgrenze (zu den beschwerdeführenden Parteien) zwischen 4 m und 4,38 m; die Balkone waren gemäß § 4 Z 29 Stmk BauG bei dieser Berechnung nicht zu berücksichtigen, weil sie ein gewöhnliches Ausmaß nicht überschreiten. Die beschwerdeführenden Parteien bestreiten dies nicht und legen auch in der Beschwerde nicht konkret dar, worin aus ihrer Sicht die massive Verletzung der gesetzlich normierten Abstandsvorschriften liegen solle. Dass die Höhe des Bauvorhabens seit dessen Erstgenehmigung im März 2008 um insgesamt 58 cm gestiegen ist, bewirkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil das Stmk BauG bei der Bestimmung des Grenzabstandes nicht auf die tatsächliche Höhe des Bauobjektes, sondern nur auf dessen Geschoßanzahl, vermehrt um 2 m, abstellt und diese Voraussetzungen - wie oben dargestellt - hier gegeben sind. Im Übrigen wurde im Rahmen der Einwendungen die Anhebung der Gebäudehöhe des ostseitigen Hofgebäudes gerügt. Diesbezüglich wies die belangte Behörde zutreffend darauf hin, dass den beschwerdeführenden Parteien ein Nachbarrecht gemäß § 13 Abs. 2 Stmk BauG nur hinsichtlich des ihrem Grundstück zugewandten Grenzabstandes zukommt. Es ist somit nicht erkennbar, wodurch die beschwerdeführenden Parteien auf ihrem südlich des Bauvorhabens gelegenen Grundstückes in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden könnten.

Die Beschwerde bringt weiter vor, durch die Veränderung der Grundstücksgrößen nach Erteilung der Baubewilligung sei es zu einer grundlegenden Lageveränderung des Projektes im Verhältnis zu den neuen Grundstücksgrenzen gekommen, was im Verfahren nur mangelhaft ermittelt worden sei. Dazu ist auszuführen, dass die beschwerdeführenden Parteien laut Niederschrift zur Grenzverhandlung vom 28. Jänner 2010 den in der Natur festgestellten Grenzverlauf durch ihre Unterschrift auf der Zustimmungserklärung ausdrücklich gebilligt haben. Dadurch verschob sich laut Lageplan die südliche Grenze des Baugrundstückes auf einer Länge von beinahe 50 Metern von Osten nach Westen verlaufend um 0 bis maximal 30 cm nach Süden. Um genau diese 30 cm verändert sich der Grenzabstand zugunsten der beschwerdeführenden Parteien. Die Beschwerde legt nicht dar, inwiefern die beschwerdeführenden Parteien dadurch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden könnten.

Da sich die Beschwerde somit als unberechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. Oktober 2012

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