VwGH 2010/21/0231

VwGH2010/21/023121.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Villach vom 17. Juni 2010, Zl. 1-1013389/02/FRB/10, betreffend Versagung der Ausstellung einer "Karte für Geduldete" gemäß § 46a Abs. 2 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §52;
FrÄG 2009;
FrPolG 2005 §46a Abs1 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z1 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z2 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z3 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs2 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs3 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §85;
FrPolGDV 2005 AnlA;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 2005 §52;
FrÄG 2009;
FrPolG 2005 §46a Abs1 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z1 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z2 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z3 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs2 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §46a Abs3 idF 2009/I/122;
FrPolG 2005 §85;
FrPolGDV 2005 AnlA;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein (seinen ersten Angaben zufolge) armenischer Staatsangehöriger, reiste im Dezember 2001 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde im Instanzenzug mit Berufungsbescheid vom 13. April 2007 rechtskräftig abgewiesen und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien zulässig sei. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 2007 abgelehnt.

Hierauf wurde der Beschwerdeführer von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten gemäß § 53 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. Februar 2008 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. Februar 2009 als unbegründet ab.

Nachdem ein am 6. April 2009 eingelangter Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Abs. 3 FPG (idF vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 - FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122) mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Villach vom 29. April 2009 abgewiesen worden war, hielt die genannte Behörde sodann in einem Aktenvermerk vom 29. April 2010 fest, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 46a Abs. 1 FPG eine "Duldung", und zwar vorerst bis 31. Dezember 2010, gewährt werde. Im Fremdeninformationssystem des Bundesministeriums für Inneres wurde ein entsprechender Zusatz zur eingetragenen Ausweisung gespeichert.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 17. Juni 2010 wies die Bundespolizeidirektion Villach (die belangte Behörde) den am 10. Februar 2010 eingelangten Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer "Karte für Geduldete" gemäß § 46a Abs. 2 FPG ab und sie sprach überdies ausdrücklich aus, dass dem Beschwerdeführer die Ausstellung einer "Karte für Geduldete" versagt werde.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung "zum geduldeten Aufenthalt gemäß § 46a Abs. 1 FPG" aus, nach mehrmaligen erfolglosen Versuchen, über die Botschaft der Republik Armenien für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat zu erlangen, müsse sie zur Kenntnis nehmen, dass ein solches Dokument nicht ausgestellt werde, weil die Identität des Beschwerdeführers nicht habe festgestellt werden können. Die letzte diesbezügliche Mitteilung der Botschaft sei am 29. Jänner 2010 erfolgt. Die belangte Behörde habe daher davon auszugehen gehabt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers aus tatsächlichen Gründen unmöglich sei. Dass diese Unmöglichkeit vom Beschwerdeführer zu vertreten sei, könne derzeit nicht nachgewiesen werden.

Danach stellte die belangte Behörde im Rahmen der Begründung "zur Versagung der Ausstellung der Karte für Geduldete" dar, der Beschwerdeführer sei von der "Duldung" mit Schreiben vom 29. April 2010 in Kenntnis gesetzt und unter einem ersucht worden, allenfalls vorhandene Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorzulegen. Die Ausstellung der dem Nachweis der Identität dienenden "Karte für Geduldete" sei nämlich "laut Rechtsansicht bzw. genereller Weisung des BMI" zu versagen, wenn die Identität des Fremden nicht geklärt sei. Eine weitere Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen, die geeignet seien, die Identität des Beschwerdeführers nachzuweisen, sei im Zuge der Ladung für den 14. Juni 2010 ergangen. Bei diesem Termin habe der Beschwerdeführer sodann angegeben, keine Identitätsdokumente vorlegen zu können. Der Reisepass sei ihm anlässlich der illegalen Einreise vom Schlepper abgenommen worden. Der Beschwerdeführer sei nochmals darüber unterrichtet worden, dass die Ausstellung einer "Karte für Geduldete" eine geklärte Identität erfordere.

Daran anknüpfend wiederholte die belangte Behörde in der weiteren Bescheidbegründung, da diese Karte "eben der Identifizierung dienen soll", müsse die Identität des Fremden feststehen, was jedoch im konkreten Fall nicht zutreffe. Im Hinblick auf die Eintragung der Duldung im Fremdeninformationssystem sei der Beschwerdeführer bei polizeilichen Kontrollen "als vorläufig geduldeter Fremder mit entsprechender Verfahrensidentität" erkennbar. Dem Antragsvorbringen sei zwar insoweit zuzustimmen, dass die Ausstellung einer solchen Karte nach den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien nicht nur im Interesse des Fremden, sondern auch im Interesse der Behörde liege. Berücksichtige man aber die aus dem Gesetzeswortlaut hervorgehende Absicht des Gesetzgebers, wonach die "Karte für Geduldete" dem Nachweis der Identität des Fremden diene, folge "daraus wohl", dass diese Karte bei nicht festgestellter Identität oder bloßer Verfahrensidentität nicht ausgestellt werden dürfe. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers sei somit nicht in jedem Fall mit der Gewährung der "Duldung" die Ausstellung der "Karte für Geduldete" verbunden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die sich gegen die Auffassung der belangten Behörde wendet, die Ausstellung der "Karte für Geduldete" setze die geklärte Identität des Fremden voraus. Das lasse sich dem Wortlaut des § 46a Abs. 2 FPG nicht entnehmen. Aber auch auf die Gesetzesmaterialien lasse sich die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht nicht stützen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass die gegenständliche Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zulässig ist, weil nach § 9 Abs. 2 dritter Satz FPG gegen die Versagung der Ausstellung einer "Karte für Geduldete" eine Berufung nicht zulässig ist.

2.1. Nach dem bis zum 31. Dezember 2009 in Geltung gestandenen, durch das FrÄG 2009 aufgehobenen § 46 Abs. 3 FPG war die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie gemäß § 50 FPG unzulässig war oder wenn sie aus tatsächlichen Gründen unmöglich schien. Den Entfall des Instituts des Abschiebungsaufschubes begründete der Gesetzgeber in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (ErläutRV) zum FrÄG 2009 (330 BlgNR 24. GP 29) insbesondere mit der Neuregelung des § 46a FPG. Diese durch das FrÄG 2009 eingefügte Bestimmung lautet samt Überschrift:

"Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist geduldet, solange deren Abschiebung gemäß

  1. 1. §§ 50 und 51 oder
  2. 2. §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist oder
  3. 3. aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich scheint,

    es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt.

(2) Die Behörde kann Fremden, deren Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet ist, eine Karte für Geduldete ausstellen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden und hat insbesondere die Bezeichnungen 'Republik Österreich' und 'Karte für Geduldete', weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(3) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn

  1. 1. deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;
  2. 2. eine Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegt;

    3. das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder

    4. andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.

    Der Fremde hat die Karte unverzüglich der Behörde vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und die Behörde ermächtigt, die Karte abzunehmen. Abgenommene Karten sind unverzüglich der Behörde vorzulegen, in deren örtlichen Wirkungsbereich das Organ eingeschritten ist. Diese hat die Karte an die zuständige Behörde weiterzuleiten."

2.2. Zu dieser Bestimmung wird im Allgemeinen Teil der ErläutRV des FrÄG 2009 (aaO 5) ausgeführt:

"Da es, wie oben beschrieben, künftig die Möglichkeit geben soll, subsidiär Schutzberechtigten ihren Status abzuerkennen, auch wenn eine Abschiebung in ihren Herkunftsstaat nicht zulässig ist, wird normiert, dass der Aufenthalt dieser Personen im Bundesgebiet geduldet ist. Ihnen ist eine Karte für Geduldete, die lediglich dem Nachweis der Identität dient und mit der ansonsten keine weiteren Rechte verbunden sind, auszustellen (§ 46a)."

Im Besonderen Teil (aaO 29 f) wird die Neuregelung im § 46a FPG (auszugsweise) wie folgt erläutert:

"Insbesondere im Hinblick auf die mit vorliegendem Entwurf vorgeschlagenen Ausschluss- und Aberkennungsmöglichkeiten betreffend den Status des subsidiär Schutzberechtigten (§§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005) und zur systematischen Neustrukturierung soll ein neuer § 46a eingeführt werden. Dieser bestimmt in seinem Abs. 1, dass der Aufenthalt von Personen geduldet ist, solange deren Abschiebung gemäß §§ 50 und 51 FPG (Z 1) oder §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 (Z 2) unzulässig ist oder aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich scheint (Z 3). Die Unzulässigkeit der Abschiebung bezieht sich naturgemäß nur auf den Entscheidungszeitpunkt. Die Abschiebung ist daher solange unzulässig, als sich die Umstände nicht entscheidungsrelevant geändert haben. Diese Prüfung ist in den in Abs. 1 genannten Fällen von der zuständigen Fremdenpolizeibehörde von Amts wegen wahrzunehmen. Die asylgesetzlichen Bestimmungen sind auf Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde (§ 9 Abs. 2 AsylG 2005) oder von dem der Fremde ausgeschlossen wurde (§ 8 Abs. 3a AsylG 2005), nicht mehr anwendbar. Die tatsächliche Unmöglichkeit soll naturgemäß nur dann zu einer Duldung führen, wenn die Hinderungsgründe nicht im Einflussbereich des Fremden liegen. Abs. 1 Z 3 wird demnach beispielsweise auf Fremde, die ihren Herkunftsstaat verheimlichen, um die Abschiebung zu verhindern, nicht anwendbar sein. § 31 Abs. 1a bestimmt ausdrücklich, dass es sich bei einer Duldung nicht um einen rechtmäßigen Aufenthalt handelt. Die Duldung soll damit klarerweise kein Aufenthaltsrecht darstellen, sondern lediglich zum Ausdruck bringen, dass der Fremde nicht abgeschoben werden kann. Eine Duldung kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn es sich bei dem Fremden um einen 'Dublin-Fall' handelt, d.h. nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt. ...

Abs. 2 bestimmt, dass diesen Fremden eine entsprechende 'Karte für Geduldete' ausgestellt werden kann. Eine Verpflichtung zur Ausstellung wird insbesondere dann nicht bestehen, wenn der Fremde an den für die Ausstellung der Karte notwendigen Verfahrenshandlungen nicht mitwirkt oder klar ist, dass der Aufenthalt des Fremden nur für einen sehr kurzen Zeitraum geduldet sein wird. Etwa weil das tatsächliche Abschiebehindernis in Kürze wegfallen wird. Abs. 2 regelt weiters, dass die Karte dem Nachweis der Identität des Fremden dient und welche Informationen die Karte zu enthalten hat. In einer Zusammenschau der §§ 31 Abs. 1a und 46 Abs. 1 ist auch evident, dass diese Karte kein Recht dokumentiert. Zur näheren Gestaltung der Identitätskarte sieht Abs. 2 zudem eine Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Inneres vor. Insbesondere wird in dieser Verordnung auch die Ersichtlichmachung von Auflagen gemäß § 47 auf der Karte vorgesehen werden können.

Abs. 3 regelt die Gültigkeitsdauer und normiert die Entziehungsgründe. Die Karte ist naturgemäß insbesondere dann zu entziehen, wenn die Voraussetzungen für die Duldung nicht mehr vorliegen (Z 2). Die vorgesehene Verlängerung der Karte ist auf Grund der technischen Gegebenheiten als Neuausstellung des Dokuments zu verstehen. Für die Karte ist eine Gebühr in der Höhe von 26,30 Euro zu entrichten. Siehe dazu § 14 Tarifpost 8 Abs. 5c Z 1 GebG.

Mit der Einführung dieser Karte soll gewährleistet werden, dass diese Fremden zumindest über ein Identitätsdokument verfügen und damit nicht ohne gültigen Ausweis von der Fremdenpolizeibehörde aufgegriffen werden. Dies vermeidet Probleme, die mit einer Nichtfeststellbarkeit der Identität einhergehen, was sowohl im Sinne des Fremden, als auch im Interesse der Behörde ist. Siehe dazu auch die in § 94a vorgeschlagene Identitätskarte für Fremde."

3.1. Der oben wiedergegebene Gesetzestext des § 46a Abs. 2 FPG enthält keine ausdrückliche Anordnung des Inhalts, Voraussetzung für die Ausstellung einer "Karte für Geduldete" sei die geklärte Identität des Fremden. Als einzige Bedingung ist lediglich normiert, dass der Aufenthalt des Fremden im Sinne des § 46a Abs. 1 FPG geduldet ist, was nur das alternative Vorliegen der in den Z 1 bis 3 genannten Tatbestände voraussetzt. Auch bei der Verlängerung der Gültigkeitsdauer dieser Karte knüpft das Gesetz im ersten Satz des § 46a Abs. 3 FPG nur an das (weitere) Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen für die Aufenthaltsduldung an. Sind diese erfüllt, ist die genannte Karte, aus der sich auch die Duldung des Aufenthalts der dort genannten Person ergibt (vgl. das Kartenmuster Anlage A der FPG-DV), auszustellen bzw. zu verlängern. Da die belangte Behörde davon ausgegangen ist, die Abschiebung des Beschwerdeführers scheine im Sinne des Tatbestandes der Z 3 des § 46a Abs. 1 FPG aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich und demnach sei sein Aufenthalt geduldet, wäre ihm nach dem Wortlaut des Gesetzes auch die "Karte für Geduldete" auszustellen gewesen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass (nachträglich entstandene) bloße Zweifel an der Richtigkeit der behaupteten Identität nach § 46a Abs. 3 FPG auch keinen Grund für die Entziehung der Karte bilden.

3.2. Von der Verpflichtung zur Ausstellung einer "Karte für Geduldete" soll trotz Duldung des Aufenthalts - nach dem dargestellten Inhalt der ErläutRV - zwar insbesondere dann eine Ausnahme bestehen, wenn der Fremde an den für die Ausstellung der Karte notwendigen Verfahrenshandlungen nicht mitwirkt. Abgesehen davon, dass diese Einschränkung nur durch die Verwendung des Wortes "kann" im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommt, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Antragsabweisung nicht auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers, sondern auf das Fehlen von Nachweisen für seine Identitätsangaben gegründet. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer an "für die Ausstellung der Karte notwendigen Verfahrenshandlungen" nicht mitgewirkt hätte.

3.3. Entgegen der Meinung der belangten Behörde ergibt sich die Voraussetzung "geklärte" bzw. "nachgewiesene Identität" für die Ausstellung der "Karte für Geduldete" auch nicht aus dem im Gesetz normierten Zweck, dass sie dem Nachweis der Identität des Fremden diene. Daraus lässt sich lediglich folgern, dass die Karte bei erwiesen falschen Identitätsangaben nicht ausgestellt werden soll (vgl. in diesem Sinn zum Lichtbildausweis für Fremde nach § 85 FrG 1997 das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2003, Zl. 2000/21/0207, und daran anschließend das Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2003/21/0033). Dass auch in dem - hier gegebenen - Fall bloßer Zweifel an den Identitätsangaben des Beschwerdeführers, ohne dass jedoch ihre Unrichtigkeit feststeht, der Zweck der Karte als Identitätsnachweis die Versagung ihrer Ausstellung rechtfertigt, lässt sich jedoch nicht zwingend ableiten. Angesichts des Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung kommt die Versagung der Ausstellung einer "Karte für Geduldete" mit der Begründung, es bestehe nur eine "Verfahrensidentität", somit nicht in Betracht.

3.4. Für dieses Ergebnis spricht auch die in den ErläutRV zum Ausdruck gebrachte Absicht, mit der Einführung dieser Karte zu gewährleisten, dass diese Fremden zumindest über ein Identitätsdokument verfügen und damit nicht ohne gültigen Ausweis von der Fremdenpolizeibehörde aufgegriffen werden. Das soll Probleme, die mit einer Nichtfeststellbarkeit der Identität einhergehen, vermeiden und ist - wie die ErläutRV ausführen - nicht nur im Sinne des Fremden, sondern auch im Interesse der Behörde. Verlangte man für die Ausstellung der "Karte für Geduldete" jedoch die geklärte, durch Dokumente belegte Identität, so werden diese Personen zumeist ohnehin über ein Identitätsdokument verfügen und bei Personen, die nur eine sogenannte "Verfahrensidentität" haben, würden die zu vermeidenden Probleme bei der Feststellung der Identität im Falle eines fremdenpolizeilichen Aufgriffs weiter bestehen. Das erklärte Ziel, geduldeten Personen ohne eigenen Ausweis den Nachweis ihrer Identität zu ermöglichen, könnte diesfalls wohl kaum erreicht werden. Dieses Manko bei der Identitätsfeststellung kann - anders als die belangte Behörde meint - auch nicht durch die Eintragung der Aufenthaltsduldung im Fremdeninformationssystem ausgeglichen werden.

3.5. Schließlich soll die "Karte für Geduldete" nach den wiedergegebenen ErläutRV im Falle der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten die diesem auszustellende "Karte für subsidiär Schutzberechtigte" nach § 52 AsylG 2005, die denselben Zweck hat, ersetzen. Zu dieser Bestimmung führen die ErläutRV zum Fremdenrechtspaket (952 BlgNR 22. GP 69) aus, die "Karte für subsidiär Schutzberechtigte" diene dem Nachweis der Identität; dies sei erforderlich, um Menschen, die oftmals kein Dokument ihres Herkunftsstaates besitzen, aber lange Zeit oder gar auf Dauer in Österreich seien, die Teilnahme am Rechtsleben zu ermöglichen. Diese Karte soll daher offenbar auch bei bloßer "Verfahrensidentität" ausgestellt werden. Es ist aber nicht zu erkennen, weshalb an die Ausstellung der "Karte für Geduldete" insoweit ein anderer Maßstab anzulegen wäre. Vielmehr gehen auch die oben wiedergegebenen ErläutRV im Allgemeinen Teil (330 BlgNR 24. GP 5) davon aus, dass dem Fremden in diesem Fall die "Karte für Geduldete" auszustellen ist.

4.1. Zusammenfassend ergibt sich daher, dass dem angefochtenen Bescheid eine mit dem Gesetz nicht im Einklang stehende Rechtsauffassung zugrundegelegt wurde, sodass er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

4.2. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 21. Dezember 2010

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