VwGH 2010/15/0129

VwGH2010/15/012924.10.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des EL in G, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 22. Jänner 2010, Zl. RV/0346-G/09, betreffend

u. a. Einkommensteuer 1999, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §6;
EStG §6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich Einkommensteuer 1999, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beim Beschwerdeführer fand für die Jahre 1998 bis 2000 eine abgabenbehördliche Prüfung statt, die zu verschiedenen Feststellungen führte. Im nunmehrigen Beschwerdeverfahren verblieb als einziger Streitpunkt die Frage, ob der Beschwerdeführer im Jahr 1999 einen Spekulationsgewinn erzielt hat.

Zu diesem Punkt wird im Prüfungsbericht ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Jahr 1999 rund 75% einer 1996 erworbenen Liegenschaft veräußert. Ein Spekulationsgewinn im Sinne des § 30 Abs. 4 EStG 1988 sei nicht erklärt worden, weil der Beschwerdeführer eine Zahlung von 3,322.064,91 S, welche auf eine zugunsten des seinerzeitigen Verkäufers B abgegebene Garantieerklärung zurückzuführen sei, als Gegenleistung für den Erwerb der Liegenschaft angesehen habe. Diese Zahlung könne bei der Ermittlung des Spekulationsgewinnes jedoch nicht berücksichtigt werden, weil sie laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. August 2001, 98/16/0319, in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Liegenschaft stehe.

Das Finanzamt schloss sich der Beurteilung des Prüfers an und setzte in einem geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 sonstige Einkünfte in Höhe von 2,043.927 S an.

In seiner u.a. gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 gerichteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass es zwar richtig sei, dass die ursprünglich (im Jahr 1990) zu Gunsten des B abgegebene Bürgschafts- bzw. Garantieerklärung nicht im Hinblick auf den 1996 stattgefundenen Grundstückserwerb erfolgt sei. Doch habe der Beschwerdeführer, der 1995 aus der abgegebenen Garantieerklärung mit einem Betrag von 3,322.064,91 S in Anspruch genommen worden sei, im Zuge des Liegenschaftserwerbs auf seinen Regressanspruch gegenüber B, dem Veräußerer der Liegenschaft, verzichtet. Daraus ergebe sich ein eindeutiger Zusammenhang mit der Eigentumsübertragung der Liegenschaft, zumal für den Beschwerdeführer auch die Möglichkeit bestanden hätte, seine Regressforderung aus der Bürgschaftsübernahme für den minderjährigen B durch eine Zwangsversteigerung der Liegenschaft abzudecken.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. November 2004, Zl. RV/0072-G/04, wurde der Berufung teilweise, nicht jedoch in der Frage des Spekulationsgewinns 1999 Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde zu diesem Punkt aus, für die Beurteilung, ob ein bestimmter Aufwand dafür geleistet werde, um ein bestimmtes Wirtschaftsgut zu erwerben, sei der Verpflichtungsgrund für die betreffende Zahlung ausschlaggebend. Dadurch sei gewährleistet, dass nicht jegliche Zahlung in zeitlicher Nähe zum Anschaffungsvorgang mit diesem in Beziehung gebracht werde. Für die Annahme, dass die Garantieerklärung mit der Absicht abgegeben worden wäre, später das Grundstück zu erwerben, fehle aber, wie der Verwaltungsgerichtshof in dem die Grunderwerbsteuer betreffenden Erkenntnis vom 9. August 2001, 98/16/0319, ausgeführt habe, jeglicher Anhaltspunkt. Dem Einwand, dass dieses Erkenntnis zur Grunderwerbsteuer ergangen sei, komme insofern keine Berechtigung zu, als es auf Sachverhaltsebene sehr wohl für den vorliegenden Fall heranzuziehen sei, zumal das Vorbringen im gegenständlichen Verfahren keine Divergenz in sachverhaltsmäßiger Hinsicht erkennen lasse. Hinzu komme, dass unbestritten nicht nur der Beschwerdeführer allein, sondern auch dessen Eltern die gegenständliche Bürgschafts-/Garantieerklärung abgegeben hätten.

Auch aus dem Einwand, der Beschwerdeführer hätte unzweifelhaft die Möglichkeit gehabt, die Liegenschaft in Form einer Zwangsversteigerung zu verwerten, um damit die bestehende Regressforderung gegenüber dem minderjährigen B zu bedecken, worauf er jedoch verzichtet habe, weil ihm die Liegenschaft übertragen worden sei, könne für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden. Denn die steuerliche Beurteilung habe sich ausschließlich am tatsächlichen Geschehen zu orientieren. Der Beschwerdeführer habe die strittige Zahlung am 5. Dezember 1995 nicht in Anrechnung auf den Kaufpreis der mit 1. März 1996 von B erworbenen Liegenschaft geleistet, sondern weil er von der Bank auf Grund seiner eingegangenen Bürgschafts-/Garantieverpflichtung klagsweise in Anspruch genommen worden sei. Damit lägen keine Kosten vor, die geleistet wurden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben. Auch so genannte vorweggenommene Anschaffungskosten lägen nicht vor, weil der dafür geforderte unmittelbare sachliche Zusammenhang mit dem Anschaffungsvorgang jedenfalls fehle. Die Tatsache, dass in weiterer Folge bei Festlegung des Barkaufpreises die vom Beschwerdeführer bereits vorher geleistete Zahlung entsprechend berücksichtigt worden sei, sei wirtschaftlich durchaus verständlich, könne aber den geforderten unmittelbaren sachlichen Zusammenhang keinesfalls herstellen.

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Berufungsentscheidung vom 12. November 2004 mit Erkenntnis vom 22. April 2009, 2004/15/0175, aus gegenständlich nicht mehr interessierenden Gründen in seinem Abspruch über Einkommensteuer für die Jahre 1998, 1999 und 2000 infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hatte, legte der Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren ein Gutachten über den Wert der streitgegenständlichen Liegenschaft vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid blieb der Berufung in dem streitgegenständlichen Punkt erneut ein Erfolg versagt. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung wie schon jene vom 12. November 2004. Die strittige Zahlung vom 5. Dezember 1995 sei vom Beschwerdeführer einzig und allein deshalb geleistet worden, weil er von der Bank auf Grund seiner im Jahr 1990 eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung klagsweise in Anspruch genommen worden sei. Daher könne eine Auseinandersetzung mit dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Verkehrswertgutachten unterbleiben, mit dem die Angemessenheit der tatsächlich geleisteten Zahlungen (unter Einbeziehung des strittigen Betrages von 3,322.064,91 S) aufgezeigt werden sollte. An dieser Beurteilung könnten auch die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, die den Verpflichtungsgrund für die strittige Zahlung völlig außer Acht ließen, nichts ändern.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 7. Juni 2010, B 342/10, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Der Verfassungsgerichtshof führte aus, dass der Wortlaut des § 203 Abs. 2 UGB einer Subsumtion von dem Anschaffungsvorgang zeitlich vorangehenden Aufwendungen unter den Anschaffungskostenbegriff nicht entgegenstünde, wenn ein hinreichender Sachzusammenhang gegeben sei. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der einzig strittigen Frage, ob die Zahlungen auf Grund der Bürgschafts- bzw. Garantieerklärung als Anschaffungskosten für die in Rede stehende Liegenschaft zu qualifizieren seien, nicht anzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde erwogen:

Nach dem Inhalt der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Anerkennung von (zusätzlichen) Anschaffungskosten für seine im Jahr 1999 innerhalb der Spekulationsfrist veräußerte Liegenschaft verletzt. Im Hinblick darauf, dass der strittige Veräußerungserlös im Jahr 1999 zugeflossen ist und die Beschwerde darüber hinaus kein weiteres Vorbringen enthält, ist der Umfang der Anfechtung mit der Einkommensteuer 1999 umschrieben.

Der Beschwerdeführer verweist auf den Kaufvertrag vom 1. März 1996, in dem durch die völlige Schad- und Klagloshaltung des minderjährigen B alle von ihm im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Liegenschaft an die X- sowie an die Y-Bank bezahlten Beträge wirtschaftlich vom Kaufpreis in Abzug gebracht worden seien. Ohne Übernahme der Schulden und Lasten durch den Beschwerdeführer (Verzicht auf alle Regressansprüche gegenüber B) wäre auch keine Genehmigung des sehr geringen "Nettokaufpreises von ATS 200.000,00" durch das Pflegschaftsgericht möglich gewesen, weil das Pflegschaftsgericht einem für den Minderjährigen wirtschaftlich nachteiligen Geschäft nicht zustimmen dürfe. Aus dem im fortgesetzten Verfahren vorgelegten Gutachten ergebe sich unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse ein Anschaffungswert von 591.000 EUR (8,132.337,30 S). Die Realisierung der streitgegenständlichen Regressforderung sei auf Grund der reinen Sachhaftung des Minderjährigen nur durch Exekution in die Liegenschaft möglich gewesen. Aus dem Versteigerungserlös hätte der Minderjährige sowohl die Regressforderung des Beschwerdeführers als auch die Verbindlichkeit der Y-Bank begleichen müssen, was schon allein für ein gleiches einkommensteuerliches Schicksal beider Aspekte der Kaufpreisaufbringung spreche.

Anschaffungskosten sind alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Zu den Anschaffungskosten gehören daher Kosten, die dem Anschaffungsvorgang dienen (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 6 allgemein Tz 8, und das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2005, 2002/14/0039).

Die Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes können auch den Verzicht auf Rechtsansprüche umfassen (vgl. zum betrieblichen Bereich das hg. Erkenntnis vom 5. August 1992, 90/13/0138). Der Begriff der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist im betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich gleich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 1994, 91/13/0111).

Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde ausschließlich mit der Frage befasst, ob die Garantieerklärung des Beschwerdeführers aus dem Jahr 1990 in der Absicht abgegeben worden sei, später die Liegenschaft zu erwerben. Da dies unbestritten nicht zugetroffen habe und die strittige Zahlung von 3,322.064,91 S im Jahr 1995 einzig und allein deshalb geleistet worden sei, weil der Beschwerdeführer von der Bank auf Grund seiner eingegangenen Bürgschafts- bzw. Garantieverpflichtung klagsweise in Anspruch genommen worden sei, lägen keine Kosten vor, die geleistet worden seien, um die Liegenschaft zu erwerben. Die Tatsache, dass in weiterer Folge bei Festlegung des Barkaufpreises die vom Beschwerdeführer bereits vorher, ohne jeglichen sachlichen Zusammenhang mit dem späteren Anschaffungsvorgang geleistete Zahlung entsprechend kaufpreismindernd berücksichtigt worden sei, sei wirtschaftlich zwar verständlich, könne aber den für die steuerliche Anerkennung als Anschaffungskosten geforderten unmittelbaren sachlichen Zusammenhang nicht herstellen.

Diese Erwägungen der belangten Behörde gehen an dem Einwand des Beschwerdeführers vorbei, wonach er im Rahmen des Liegenschaftserwerbes auf seine Regressforderung gegenüber dem minderjährigen B verzichtet habe. In Fixierung auf den Verpflichtungsgrund der Zahlung hat die belangte Behörde keinerlei Feststellungen zum Inhalt des Kaufvertrages vom 1. März 1996 getroffen. Folgt man den Sachverhaltswiedergaben im hg. Erkenntnis vom 9. August 2001, 98/16/0319, ist das Bestehen einer Regressforderung des Beschwerdeführers dort nicht konkret angesprochen, doch sollten nach Pkt. X der Vereinbarung mit der Unterfertigung und pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Verbindlichkeiten erloschen sein. Ausgehend vom Vorliegen einer derartigen Vertragsgestaltung wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, Feststellungen darüber zu treffen, ob die behauptete Regressforderung bei Abschluss des Kaufvertrages tatsächlich (noch) bestanden hat. Geht man mit dem Beschwerdeführer davon aus, dass dies der Fall war und den Minderjährigen eine reine Sachhaftung mit der vom Beschwerdeführer erworbenen Liegenschaft getroffen hat, ist mit dem Erwerb der Liegenschaft durch den Beschwerdeführer die Regressforderung in Wegfall gekommen. Es liegen - soweit die Regressforderung durch den (seinerzeitigen) Verkehrswert der Liegenschaft unter Berücksichtigung weiterer Pfandrechte - gedeckt war, Kosten des Beschwerdeführers vor, die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Liegenschaft stehen.

In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde die erforderlichen Feststellungen zum Inhalt des Kaufvertrages und zum Bestehen und möglichen Wegfall einer Regressforderung des Beschwerdeführers nicht getroffen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. Oktober 2013

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