VwGH 2010/13/0119

VwGH2010/13/011925.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie den Senatspräsidenten Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der Wohnungseigentümergemeinschaft L in W, vertreten durch die Leissner Kovaricek Rechtsanwälte OG in 1070 Wien, Zieglergasse 12/9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 27. Mai 2010, Zl. RV/0862- W/06, miterl. RV/0863-W/06, betreffend u.a. Umsatzsteuer für das Jahr 2005, zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art28 Abs2 litj idF 32000L0017;
32000L0017 Nov-31977L0388;
62005CJ0251 Talacre Beach Caravan Sales VORAB;
UStG 1994 §10 Abs2 Z4 lita;
UStG 1994 §10 Abs2 Z4 litd;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2010130119.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer Außenprüfung bei der beschwerdeführenden Wohnungseigentümergemeinschaft (im Folgenden: Beschwerdeführerin) wurde unter Tz. 1 des Prüfungsberichtes zur "Garagierung" festgestellt, die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zu Wohnzwecken und die Leistungen von Wohnungseigentumsgemeinschaften im Zusammenhang mit Wohnungen unterlägen auf Grund einer "Vereinbarung im Beitrittsvertrag" dem ermäßigten Steuersatz. Als nicht zu Wohnzwecken vermietet gelte allerdings die Garagierung, sodass diese dem Normalsteuersatz zu unterziehen sei. Ein gesondertes Entgelt werde für die Garagierung nicht verrechnet. Die Aufwendungen für die Garagierung (Reparaturen der Garagentore, Beleuchtung, Begutachtungen u.a.m.) würden über die Betriebskosten abgerechnet und seien bisher zur Gänze dem ermäßigten Steuersatz unterzogen worden. Nach Ansicht des Prüfers seien die Betriebskostenzahlungen und die Entnahmen aus dem Reparaturfonds durch die Hauseigentümer im Verhältnis der Nutzwerte (Wohnzwecke - Garagierung) aufzuteilen. Von den vereinnahmten Betriebskosten und Entnahmen aus dem Reparaturfonds sei daher ein Anteil von 6,51 % als auf die Garagierung entfallend dem Normalsteuersatz von 20 % zu unterwerfen.

Diese Beurteilung legte das Finanzamt in der Folge u.a. dem Bescheid hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2005 zu Grunde. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin blieb erfolglos.

Im angefochtenen Bescheid wird u.a. ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe in der Berufung die Anwendung des Normalsteuersatzes im Zusammenhang mit der Garagierung bekämpft. Die Garagen seien in den grundbücherlichen Nutzwerten nicht enthalten und demgemäß als allgemeiner Teil des Hauses zu qualifizieren, was wiederum bedeute, dass jeder Wohnungseigentümer - unabhängig vom Besitz eines Garagenplatzes - im Verhältnis der für seine Wohnung festgestellten Nutzwerte zu den Kosten der Garagen beitrage. Aus dem Umstand, dass die Garage wie ein sonstiger allgemeiner Teil des Hauses zu betrachten sei und demgemäß die Aufwendungen auch nach dem allgemeinen Aufteilungsschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen seien, sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin abzuleiten, dass der ermäßigte Steuersatz von 10 % zur Anwendung komme. Selbst unter Aufteilung eines einheitlichen Entgelts "im Sinne der Umsatzsteuerrichtlinien" ergebe sich auf Grund der Tatsache, dass für die Nutzung der Garagen "weder direkt, noch indirekt" ein Entgelt anfalle, für die Gesamtheit der Garagenkosten die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Dies folge auch aus der Rechtsprechung des EuGH, der sich mit der Frage der Befreiung der Vermietung einer Garagenanlage von der Mehrwertsteuer auseinander gesetzt habe und im Urteil vom 13. Juli 1989, Rs 173/88, Henriksen, festgestellt habe, dass der Begriff der "Vermietung von Grundstücken" neben den Gegenständen, die den Hauptgegenstand bilden, notwendigerweise auch deren Zubehör umfasse. Könne nach dieser Entscheidung demnach die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen nicht von der Mehrwertsteuerbefreiung ausgenommen werden, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von Grundstücken für Wohn- bzw. gewerbliche Zwecke derart eng verbunden sei, sodass von einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang gesprochen werden könne, bedeute dies "umgelegt auf die österreichische Situation", dass anstelle der Befreiung nur die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes in Betracht komme. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes hätte die Behörde "nur zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gelangen müssen".

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach den Vorgaben des EU-Rechtes seien die Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken grundsätzlich (unecht) steuerfrei, eine Option zum Normalsteuersatz sei allerdings zulässig. Österreich habe sich im Beitrittsvertrag ausbedungen, bei der Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke den ermäßigten Steuersatz zur Anwendung zu bringen. Zweck der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 4 lit. d UStG 1994 sei es, eine Gleichbehandlung von Mietern und Wohnungseigentümern hinsichtlich des Steuersatzes für die Betriebskosten herbeizuführen. Strittig sei, ob die Weiterverrechnung von Betriebskosten im Zusammenhang mit der Garagennutzung eine (unselbständige) Nebenleistung im Rahmen der Erhaltung, Verwaltung oder zum Betrieb der im gemeinsamen Eigentum der Wohnungseigentumsgemeinschaft stehenden Teile und Anlagen der Liegenschaft, die Wohnzwecken dienten, bilde. Die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen sei zwar nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Henriksen" dann nicht von der Befreiung ausgeschlossen, wenn sie mit einer steuerfreien Vermietung von Grundstücken eng verbunden sei. Hinsichtlich der Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke dürfe Österreich allerdings den ermäßigten Steuersatz zur Anwendung bringen. Diese von der EU zugestandene Ausnahmeregelung sei eng auszulegen. Eine Garagenvermietung könne nicht als "Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke" angesehen werden. Dem Finanzamt könne damit nicht entgegengetreten werden, wenn dieses für die Weiterverrechnung "von Betriebskosten für Garagen" den Normalsteuersatz herangezogen habe. Gegen die vom Prüfer vorgenommene Aufteilung der Kosten im Verhältnis der Nutzwerte der Gesamtanteile der Liegenschaft zu jenen der Garagen habe die Beschwerdeführerin in der Berufung keine wesentlichen Argumente vorgebracht.

In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem Recht auf Anwendung des gemäß § 10 Abs 2 Z 4 lit d UStG ermäßigten Steuersatzes von 10 % auf sämtliche Betriebskostenzahlungen und Entnahmen aus dem Reparaturfond für verletzt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung kommt Wohnungseigentumsgemeinschaften Unternehmereigenschaft zu, weil sie einerseits im eigenen Namen nach außen auftreten, Leistungen in Auftrag geben und bezahlen und andererseits dadurch nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig werden, dass sie von den einzelnen Mit- und Wohnungseigentümern den auf sie entfallenden Anteil an den Kosten erheben (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 4. Februar 2009, Zl. 2007/15/0116, VwSlg 8409/F, und vom 24. Februar 2011, 2007/15/0129, jeweils mwN, sowie Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2, § 10 Rz 67/1, und Ruppe/Achatz, UStG4, § 10 Tz. 79).

Soweit die Beschwerde u.a. vorbringt, dass für die Nutzung der Garagen "keinerlei Entgelt - weder direkt noch indirekt -" angefallen sei, ist darauf hinzuweisen, dass bei Wohnungseigentümergemeinschaften die zur Deckung ihrer Kosten von den Wohnungseigentümern erhobenen Umlagen das Entgelt für die Leistungen der Gemeinschaft an die Mitglieder bilden. Dass jeder Wohnungseigentümer - unabhängig davon, ob er einen Garagenplatz nutzt oder nicht - zu den Kosten der Garage im Verhältnis der für seine Wohnung festgestellten Nutzwerte beizutragen hat, wird auch in der Beschwerde zum Sachverhalt vorgebracht.

Gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 lit. d UStG 1994 unterliegen die Leistungen von Personenvereinigungen zur Erhaltung, Verwaltung oder zum Betrieb der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Teile und Anlagen einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum besteht und die Wohnzwecken dienen, ausgenommen eine als Nebenleistung erbrachte Lieferung von Wärme, dem ermäßigten Steuersatz von 10 %.

Nach der Übergangsbestimmung des Art. 28 Abs. 2 lit. j RL 77/388/EWG (6. EG-RL) idF der RL 2000/17/EG des Rates vom 30. März 2000, ABl L 84/24, darf die Republik Österreich auf die Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke unbefristet einen ermäßigten Steuersatz anwenden (vgl. nunmehr Art. 117 Mehrwertsteuersystemrichtlinie, 2006/112/EG).

Demnach bestimmt § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994, dass sich der Umsatzsteuersatz für die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke, ausgenommen eine als Nebenleistung erbrachte Lieferung von Wärme, auf 10 % ermäßigt. Dies gilt in gleicher Weise im Rahmen der Bestimmung des oben zitierten § 10 Abs. 2 Z 4 lit. d leg. cit., mit der - worauf auch die belangte Behörde zu Recht hinweist - eine Gleichbehandlung von Wohnungsmietern und Wohnungseigentümern hinsichtlich des Steuersatzes für die Betriebskosten herbeigeführt werden sollte (vgl. z.B. Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 10 Abs. 2 Z 4 Anm. 70, Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG, § 10 Rz 232, sowie zur Gleichstellung zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2014, 2009/13/0220).

Wohnzwecken dienen Grundstücke, wenn sie dazu bestimmt sind, in abgeschlossenen Räumen, einschließlich Nebenräumen, privates Leben zu ermöglichen, wenn sie Menschen somit auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft gewähren (vgl. dazu im Einzelnen das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2009, 2007/15/0116, VwSlg 8409/F, mwN, sowie z. B. Pernegger, aaO, § 10 Rz 188 f, und Ruppe/Achatz, aaO, § 10 Tz 63).

Es trifft zwar zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom 4. Februar 2009 zur Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 4 lit. d UStG 1994 ausgesprochen hat, dass die Nutzungsmöglichkeit eines Hallenbades durch die Wohnungseigentümer zu den nach dieser Norm begünstigten Wohnzwecken gezählt werden kann. Soweit in der Beschwerde die Ansicht vertreten wird, "Gleiches" müsse auch "für die gegenständliche Garage" gelten, kann dem aber nicht gefolgt werden, weil Autoabstellplätze oder Garagen nicht dazu bestimmt sind, in abgeschlossenen Räumen privates Leben zu ermöglichen und insofern den persönlichen Wohnbedürfnissen zu dienen.

Der EuGH hat im Urteil vom 6. Juli 2006, Rs C-251/05 , Talacre Beach Caravan Sales Ltd., ausgesprochen, es sei unionsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber einen aus mehreren Komponenten bestehenden einheitlichen Umsatz zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Steuersatz unterwirft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2014, 2012/15/0044, mwN, sowie in diesem Sinne bereits das hg. Erkenntnis vom 24. November 1998, 98/14/0055, VwSlg 7333/F). Insoweit wird auch der Grundsatz, dass die (unselbständige) Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, von dem Aufteilungsgebot verdrängt (vgl. z.B. das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom 24. April 2013, XI R 3/11). Unionsrechtlich beruht der ermäßigte Steuersatz (nur) für Wohnzwecke auf der der Republik Österreich ursprünglich im Beitrittsvertrag zugestandenen, oben erwähnten Übergangsbestimmung der 6. EG-RL (vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek, aaO, § 10 Abs. 2 Z 4 Anm. 28). Damit war es zulässig, unabhängig von der in der Beschwerde relevierten Frage des Vorliegens eines einheitlichen Umsatzes, den ermäßigten Steuersatz nur auf die Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke zu beziehen, wie dies im Übrigen bereits der Rechtsanwendung zur Wohnungsvermietung vor dem Beitritt Österreichs zu EU entsprach (vgl. Caganek, ÖStZ 2001/541, 279, auch mit Hinweis auf den umsatzsteuerrechtlich zu beachtenden Grundsatz der Neutralität, sowie Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, aaO, § 10 Rz 57).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandsersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 25. Juni 2014

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