VwGH 2010/09/0166

VwGH2010/09/01669.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde 1. der Dr. Hannelies H und 2. des Dr. Hans H, beide in L, beide vertreten durch Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Fabrikstraße 3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom 29. Juni 2010, Zl. BMUKK-24.403/0010-IV/3/2009, betreffend Unterschutzstellung nach dem DMSG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
DMSG 1923 §1 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
DMSG 1923 §1 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, sohin als das Gebäude auf dem Grundstück Nr. 72 (EZ 54), GB XY O, mit Ausnahme des Inneren des Gebäudes in die Unterschutzstellung des Ensembles "L-Straße und Z-Platzl" in Y, Ger.- und pol. Bez. X, Oberösterreich, einbezogen wurde.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz vom 27. September 2007 wurde festgestellt, dass die Erhaltung des Ensembles "L-Straße und Z-Platzl" in Y, Ger.- und pol. Bez. X, Oberösterreich, auf den Grundstücken .85 (EZ 67), .84 (EZ 66), .68/1 und 128/6 (EZ 142), .82 (EZ 64), .81 (EZ 63), .71 (EZ 53), .80/1 (EZ 62), .72 (EZ 54), .79/1 (EZ 549), .78/1 (EZ 745), .75 (EZ 57 - Außenerscheinung, Erschließungsbereiche, gewölbter Keller), .145/1 (EZ 143), .145/2 (EZ 152), .150 (EZ 35), .151/1 (EZ 34), .152 (EZ 33), 8 (EZ 184 - ausgenommen Ziegelboden), .148/3 (EZ 36), .148/2 (EZ 144), .148/1 (EZ 161), GB XY O, gemäß §§ 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. September 1923, BGBl. Nr. 533/23 (DMSG), in der Fassung BGBl. I Nr. 170/1999, als Einheit im öffentlichen Interesse gelegen sei.

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der von der Unterschutzstellung zum Teil betroffenen Liegenschaft Gst. Nr. 72 (EZ 54), GB XY O mit der Adresse L-Straße 14.

Auf Grund der gegen die Einbeziehung dieser Liegenschaft in die Unterschutzstellung des Ensembles "L-Straße und Z-Platzl" erhobenen Berufung der Beschwerdeführer erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 29. Juni 2010, mit dem sie der Berufung insofern Folge gab, als betreffend das berufungsgegenständliche Gebäude L-Straße 14 "das Innere des Gebäudes von der erstinstanzlichen Unterschutzstellung ausgenommen" wurde.

Nach Zusammenfassung des erstinstanzlichen Verwaltungsgeschehens gab die belangte Behörde das den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebrachte Ergebnis des von der Berufungsbehörde am 17. September 2009 durchgeführten Augenscheins wieder und fasste die Stellungnahme der Beschwerdeführer wie folgt zusammen (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof, Schreibfehler im Original):

"'Das gegenständliche Gebäude wurde eingehend von außen und in seinem Inneren besichtigt. Eingangs erklärte der Amtssachverständige wodurch das gegenständliche Ensemble charakterisiert sei. Y sei ein historischer, auf eine alte Marktgründung zurückgehender Ort. Er sei geprägt durch seine alte Bausubstanz. So sei z.B. die Bausubstanz der Gebäude am Marktplatz zu einem Großteil in das 15./16. Jahrhundert zu datieren. Bei der L-Straße handle es sich um einen markanten Straßenzug, welcher vom Marktplatz wegführe. Die Bausubstanz der Gebäude gehe hier im Kern in das 16. Jahrhundert zurück. In der Barockzeit seien die Gebäude aufgestockt worden. Prägend für das Ensemble sei insbesondere der Brand von 1899 gewesen. Folglich stammen die Fassadierungen wie auch die Dachstühle aus dem 19./20. Jahrhundert.

Zu dem Haus L-Straße 14 führte der Amtssachverständige in Anlehnung an das erstinstanzliche Gutachten aus, dass das Gebäude Teil des Ensembles sei. Vor allem die Lage des Gebäudes als markantes Eckhaus sei für den Straßenzug bestimmend. Bereits im franziszeischen Kataster von 1825 sei das Gebäude als Eckhaus eingezeichnet gewesen. Aufgrund der wissenschaftlichen Literatur (Dehio) sei die Bausubstanz des Gebäudes in Teilen noch spätmittelalterlich. Das Gebäude sei somit ein Bestandteil des Ensembles. Zu der Bezeichnung 'Altes Rathaus' erklärte der Amtssachverständige, dass es sich hierbei nicht um die Beschreibung der Funktion des Gebäudes handle, sondern um die Bezeichnung, wie sie sich im entsprechenden Grundbuchsauszug finde. Eine Bedeutung werde daraus nicht abgeleitet. Die Veränderungen an der äußeren Erscheinung betreffen die Fenster, welche erneuert wurden. Zum Teil sei auch das Eingangsportal neu eingebaut worden und Steingewände hierher versetzt worden.

Hinsichtlich des Inneren wurde festgestellt, dass aufgrund der Nutzung zu Wohnzwecken starke Veränderungen erfolgt sind. So wurde der Dachbereich ausgebaut. Auch im ersten und zweiten Obergeschoss sind Wohnungen eingebaut worden. Ein Lift führt vom Erdgeschoss in das Dachgeschoss. Der Amtssachverständige erklärte zum Inneren, dass das Stiegenhaus in seiner historischen Substanz erhalten sei und aus dem 19. Jahrhundert stamme. Im Erdgeschoss befinde sich ein Tonnengewölbe, doch sei die Datierung strittig. Es stamme wohl nicht aus dem Spätmittelalter. Im Keller befinde sich ebenfalls ein Tonnengewölbe. Aufgrund der Abdrücke der Schalung und des weitgespannten Gewölbes sei eine Datierung in das 16. Jahrhundert anzunehmen.

Der (Beschwerdeführer) erklärte, dass die äußere Erscheinung des Gebäudes von ihm gestaltet worden sei. Auch stehe fest, dass die Gewölbe im Inneren nicht aus dem Spätmittelalter stammen. Die Datierung im Gutachten sei unrichtig. Überdies handle es sich bei dem Gebäude nicht um das alte Rathaus. Im Inneren seien die Kehlheimer Platten rezent versetzt worden. Die Ausführungen zu dem Gebäude im Dehio seien bloß abgeschrieben, und eine Bedeutung des Gebäudes sei nicht bewiesen.'

Zu diesen Ermittlungsergebnissen nahmen die (Beschwerdeführer) mit Schreiben vom 21. Oktober 2009 Stellung und brachten vor, die Niederschrift vom 8. Oktober 2009 sei unvollständig, da einige rechtlich erhebliche und zur Sache gehörige Inhalte der Verhandlung weggelassen worden seien. Im Wesentlichen wird vorgebracht, dass im Verfahren 24.403/5-IV/3/95 die Einzeldenkmalfrage negativ entschieden worden sei. Die geringe Bedeutung ergebe sich auch, da in der Nachbarschaft keine wichtigen Bauten seien. Weiters sei zum Beweis der teilweise spätmittelalterlichen Bausubstanz auf den Dehio verwiesen worden, der die Hausbeschreibung des gegenständlichen Gebäudes wörtlich aus einer lokalen Festschrift von PB (1928), einem örtlichen Hobbyhistoriker, übernommen habe. Bezüglich der äußeren Erscheinung betreffend der erneuerten Fenster habe der Amtssachverständige zusätzlich erklärt, dass die gegenwärtige Fassade nicht die 'prägend für das Ensemble ... Brand 1899' Fassade sei. Von der sei nichts erhalten als ein Teil der Tür. Die vollständige Fassadenneugestaltung sei 1995 festgestellt worden. Zum Stiegenhaus habe der Amtssachverständige auch ausgeführt, dass es vom Keller ins EG örtlich verlegt und neu in Beton gemacht worden sei (1993), beim Stiegenhaus vom EG ins 1. OG die Durchgangshöhe angepasst worden sei (1994), das Stiegenhaus vom 1. ins 2. OG im oberen Drittel seit 1994 neu sei, das Stiegenhaus vom

2. ins 3. OG seit 1994 zur Gänze neu sei, ebenso wie der Dachbodenaufstieg und der Dachausstieg. Zum Kellertonnengewölbe ergänzen die (Beschwerdeführer), dass es auf einer Länge von ca. 4 m im Scheitel und ca. 3 m im Bodenbereich alt (Kellerzugang) sei. Bezüglich des Betonverputzes im Hauptgewölbe habe der Amtssachverständige erklärt, dass er von einem heute vergessenen, ihm unbekannten technischen Verfahren komme. Der Sachverständige glaube nicht, dass der Betonverputz gemeinsam mit dem EG Gewölbe gemacht worden sei. Die (Beschwerdeführer) gelangen zu dem Ergebnis, dass das Gebäude bedeutungslos für die geschichtliche Dokumentation des Ensembles sei. Als Gründe werden genannt:

Dachstuhlbrand 1899 mit damaliger Neufassadierung, die nicht mehr bestehe; falsch im Bescheid angegebenes, als Ensemblekriterium angeführtes Alter der Bausubstanz mit 16./17. Jahrhundert; geschichtlich bedeutungslose Verwendung des Gebäudes als Wohn- und unspezifisches Handwerkshaus und künstlerische Bedeutungslosigkeit des Hauses für das Ensemble (ergebe sich beides aus dem Amtssachverständigengutachten vom 17. September 2009); völlig neu und anders gestaltete Fassade aus Kunststoffverputz;

nachweisliche Neuzusammenstellung des angeblich barocken Rechteckportals aus Verputz

mit unterschiedlich dicken, nicht zusammengehörigen Steinsäulen;

der erst 1995 erfolgte Einbau von 4 zugekauften Steinfensterstöcken; die Eigenschaft als angebliches ehemaliges Rathaus habe nachweislich aufgrund des Amtssachverständigengutachtens vom 17. September 2009 nicht bestanden; keine Beziehung zu anderen Teilen des vorgesehenen Ensembleschutzgebietes sowie bloß geringe Bedeutung als südliches Ende des Ensembleschutzgebietes."

Die belangte Behörde gab sodann die hier maßgeblichen Rechtsnormen und Auszüge aus der hg. Rechtsprechung wieder und führte anschließend aus:

"Das berufungsgegenständliche Objekt wurde nicht als Einzeldenkmal, sondern als Teil eines Ensembles unter Schutz gestellt. Gemäß § 1 Abs. 3 DMSG können Gruppen von unbeweglichen Gegenständen (Ensembles) wegen ihres geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Zusammenhanges einschließlich ihrer Lage ein Ganzes bilden und ihre Erhaltung dieses Zusammenhanges wegen als Einheit im öffentlichen Interesse gelegen sein. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass die Gegenstände als Einheit geschaffen worden sind, sondern die Einheit kann auch gewachsen sein (siehe Bazil - Binder-Krieglstein - Kraft, Denkmalschutzrecht 2004, § 1 Anm. 24 m.w.N.).

Die Berufungsbehörde hält daher fest, dass in dem gegenständlichen Verfahren unerheblich ist, ob dem Gebäude Bedeutung als Einzeldenkmal zukommt. Prüfungsmaßstab bei einer Ensembleunterschutzstellung ist nicht, ob die Erhaltung eines Objektes als solches im öffentlichen Interesse gelegen ist, sondern ob das Objekt einen Teil des Ensembles darstellt und ob die Erhaltung des Ensembles im öffentlichen Interesse gelegen ist. Die Ausführungen der (Beschwerdeführer) betreffend die Verneinung der Denkmaleigenschaft als Einzeldenkmal gehen damit ins Leere.

Aus dem erstinstanzlichen Gutachten sowie den Ermittlungen anlässlich des von der Berufungsbehörde durchgeführten Augenscheins ergibt sich, dass der Markt Y 1148 erstmals urkundlich erwähnt wurde und als Handels- und Umschlagplatz Ausgangspunkt der Straßen nach W, L und B war. Die historischen Grenzen des Marktortes lassen sich am ehemaligen Befestigungsring ablesen, welcher dem Verlauf der Straßen 'Am G' und 'T' entspricht. Im historischen Ortskern befindet sich das Ensemble 'L-Straße und Z-Platzl'. Bei der L-Straße handelt es sich um einen markanten Straßenzug, welcher vom Markplatz wegführt. Die Bausubstanz der Gebäude geht im Kern in das 16. Jahrhundert zurück. In der Barockzeit sind die Gebäude aufgestockt worden. Prägend für das Ensemble ist insbesondere ein Großbrand von 1899 gewesen. Folglich stammen die Fassadierungen wie auch die Dachstühle aus dem 19./20. Jahrhundert. Charakteristika des Ensembles sind zum einen die Grundstrukturen aus dem 16./17. Jahrhundert, andererseits die Fassadengestaltung des späten 19. Jahrhunderts und schließlich die einen zusammenhängenden Straßenzug bildende Lage der Gebäude. Dem Ensemble kommt somit (bau-)künstlerische, geschichtliche und kulturelle Bedeutung zu.

In einem weiteren Schritt hatte die Behörde zu prüfen, ob das berufungsgegenständliche Objekt als Teil des Ensembles anzusehen ist. Aufgrund des Amtssachverständigengutachtens sowie des Augenscheins steht fest, dass das Objekt L-Straße 14 als markantes Eckhaus für den Straßenzug bestimmend ist. Bereits im franziszeischen Kataster von 1825 ist das gegenständliche Gebäude als Eckhaus eingezeichnet gewesen. Die Bausubstanz des Gebäudes ist in Teilen noch spätmittelalterlich. Anlässlich des Augenscheins konnte festgestellt werden und wurde vom Amtssachverständigen schlüssig dargelegt, dass im Keller spätmittelalterliche Bausubstanz (Tonnengewölbe) vorhanden ist. Die spätmittelalterliche Bausubstanz des gegenständlichen Gebäudes wird zudem durch wissenschaftliche Literatur (Dehio) belegt. Es entspricht den Vorgaben des DMSG, dass bei der Bewertung eines Gebäudes auf die vom Bundesdenkmalamt geführten Denkmalverzeichnisse (z.B. Dehio) Rücksicht genommen wird (vgl. § 1 Abs. 5 DMSG). Auch ergibt sich grundsätzlich die Bedeutung aus der in der Fachwelt vorherrschenden Wertschätzung (Bazil - Binder-Krieglstein - Kraft, Denkmalschutzrecht, Wien 2004, § 1 Anm. 9). Seitens der (Beschwerdeführer) wurden keine auf selbem fachlichem Niveau stehenden Argumente vorgebracht, welche die chronologische Einordnung der Entstehung dieses Gebäudes hätten entkräften können. Das berufungsgegenständliche Gebäude ist daher aufgrund seiner teilweise noch vorhandenen spätmittelalterlichen Bausubstanz und seiner Lage ein bedeutender Teil des Ensembles. Es bildet eine wesentliche Grundlage für den geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Zusammenhang des Ensembles 'L-Straße und Z-Platzl'.

Hinsichtlich der eingewandten Tatsachenwidrigkeiten betreffend das Amtssachverständigengutachten und in weiterer Folge den Bescheid ist anzumerken, dass es für die Bedeutung des gegenständlichen Hauses für das Ensemble irrelevant ist, ob die Verschmälerung der Verbauung erst 16 m nach dem nordöstlichen Hauseck des gegenständlichen Objektes oder bei dem gegenständlichen Objekt beginnt. Wesentlich ist vielmehr, dass das Gebäude aufgrund seiner Lage einen wesentlichen Bestandteil des Straßenzuges bildet. Diese Tatsache war aufgrund des Augenscheins offenkundig. Auch wurde anlässlich des Augenscheins näher dargelegt, dass es sich bei der Bezeichnung 'Altes Rathaus' nicht um die Beschreibung der Funktion des Gebäudes handelt, sondern um die Bezeichnung, wie sie sich im entsprechenden Grundbuchsauszug findet. Eine Bedeutung wird daraus aber nicht abgeleitet. Weiters werden in den Augenscheinsergebnissen die in jüngerer Zeit vorgenommenen Veränderungen des gegenständlichen Gebäudes (insbesondere betreffend die äußere Erscheinung des Hauses - Fenster und Eingangsportal) berücksichtigt.

Das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Denkmals ist gemäß § 1 Abs. 2 DMSG dann anzunehmen, wenn es sich aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann.

Das öffentliche Interesse ist ausschließlich anhand der Bedeutung zu prüfen (Bazil - Binder-Krieglstein - Kraft, Denkmalschutzrecht 2004, § 1 Anm. 15). Ein öffentliches Interesse an der Erhaltung besteht jedenfalls dann, wenn ein Denkmal einmalig oder selten ist, über ähnliche Denkmale deutlich hinausragt oder ein besonders gutes oder gut erhaltenes Beispiel seiner Art ist (Regierungsvorlage 1999, 1769 der Beilage zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XX. GP).

Aufgrund der Ermittlungen steht fest, dass sich anhand der aussagekräftig erhaltenen Verbauung der L-Straße und des Z-Platzls sowie der guten Erhaltung des überlieferten Erscheinungsbildes die Bau- und Siedlungsgeschichte von Y ablesen lässt. Die Ermittlungsergebnisse zeigten, dass das Gebäude den von § 1 Abs. 3 DMDG geforderten Kriterien für eine Ensemblezugehörigkeit entspricht, da ein geschichtlicher, kultureller Zusammenhang besteht und auch die Lage des gegenständlichen Gebäudes dazu beiträgt, in der L-Straße mit dem Z-Platzl ein Ganzes zu sehen. Die Berufungsbehörde stellt daher fest, dass die Erhaltung des Ensembles 'L-Straße und Z-Platzl', zu welchem unter anderem das markante Eckhaus L-Straße 14 zählt, im öffentlichen Interesse gelegen ist. Spätere Veränderungen, wie sie anlässlich des Augenscheins festgestellt wurden, aber auch seitens der (Beschwerdeführer) vorgebracht wurden, sind für die Ensembleeigenschaft des gegenständlichen Gebäudes nicht abträglich. So ist es gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für das öffentliche Interesse nicht wesentlich, dass das Denkmal in allen Details im Originalzustand erhalten ist (VwGH 20. November 2001, Zl. 2001/09/0072). Entscheidend ist im gegenständlichen Fall vielmehr die Bausubstanz, der Umfang und die Lage des Gebäudes.

Gemäß § 1 Abs. 8 DMSG besteht die Möglichkeit, eine Teilunterschutzstellung vorzunehmen. Anlässlich des Augenscheins konnte festgestellt werden, dass im Gegensatz zum äußeren Erscheinungsbild, das Innere des gegenständlichen Objektes aufgrund der Nutzung zu Wohnzwecken tiefgreifend verändert wurde. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Stiegenhaus ist zwar in seiner historischen Substanz noch erhalten, die Datierung des Tonnengewölbes im Erdgeschoss ist aber strittig. Der Dachbereich wurde ausgebaut und im ersten sowie im zweiten Obergeschoss Wohnungen eingebaut. Ein Lift führt vom Erdgeschoss in das Dachgeschoss. Die Berufungsbehörde gelangt aufgrund dieser Ermittlungsergebnisse zu dem Schluss, dass das Innere des Gebäudes nicht repräsentativ für die Charakteristika des Ensembles ist. Es ist daher von der Unterschutzstellung auszunehmen. Die Berufungsbehörde merkt jedoch an, dass eine Teilunterschutzstellung stets auch jene Teile umfasst, die Voraussetzung für den weiteren Bestand jener Teile sind, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht."

Abschließend befasste sich die belangte Behörde mit Einwänden der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren.

Gegen diesen Bescheid im Umfang, als damit der Berufung der Beschwerdeführer "nicht Folge gegeben" wurde, sohin die Einbeziehung des Gebäudes L-Straße 14 mit Ausnahme von dessen Innerem in die Unterschutzstellung des Ensembles "L-Straße und Z-Platzl", richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier wesentlichen Bestimmungen des DMSG lauten:

"§ 1. (1) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung ('Denkmale') Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese Bedeutung kann den Gegenständen für sich allein zukommen, aber auch aus der Beziehung oder Lage zu anderen Gegenständen entstehen. 'Erhaltung' bedeutet Bewahrung vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland.

(2) Die Erhaltung liegt dann im öffentlichen Interesse, wenn es sich bei dem Denkmal aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann.

(3) Gruppen von unbeweglichen Gegenständen (Ensembles) und Sammlungen von beweglichen Gegenständen können wegen ihres geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Zusammenhanges einschließlich ihrer Lage ein Ganzes bilden und ihre Erhaltung dieses Zusammenhanges wegen als Einheit im öffentlichen Interesse gelegen sein. Mehrheiten unbeweglicher oder beweglicher Denkmale, die bereits von ihrer ursprünglichen oder späteren Planung und/oder Ausführung her als im Zusammenhang stehend hergestellt wurden (wie Schloss-, Hof- oder Hausanlagen mit Haupt- und Nebengebäuden aller Art, einheitlich gestaltete zusammengehörende Möbelgarnituren usw.) gelten als Einzeldenkmale. Als Teil einer Hausanlage zählen auch die mit dieser in unmittelbarer Verbindung stehenden (anschließenden) befestigten oder in anderer Weise architektonisch mit einbezogenen Freiflächen.

...

(8) Werden nur Teile eines Denkmals geschützt (Teilunterschutzstellung), so umfasst dieser Schutz auch die übrigen Teile in jenem Umfang, als dies für die denkmalgerechte Erhaltung der eigentlich geschützten Teile notwendig ist.

(9) Durch die Unterschutzstellung eines Denkmals werden auch alle seine Bestandteile und das Zubehör sowie alle übrigen mit dem Denkmal verbundenen, sein überliefertes oder gewachsenes Erscheinungsbild im Inneren oder Äußeren mitprägenden oder den Bestand (die Substanz) berührenden Teile mit einbezogen. Dazu zählt auch die auf einen besonderen spezifischen Verwendungszweck des Denkmals ausgerichtete Ausstattung oder Einrichtung, soweit sie auf Dauer eingebracht wurde.

..."

Wie dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 3 DMSG zu entnehmen ist, kann das öffentliche Interesse an der Erhaltung einer Gruppe von unbeweglichen Gegenständen als Einheit (eines Ensembles) nach der alternativen Umschreibung (arg. "oder") in einem der im Gesetz genannten Bereiche - dem geschichtlichen oder dem künstlerischen oder dem sonstigen kulturellen Zusammenhang einschließlich ihrer Lage - bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 2004, Zl. 2001/09/0113).

Geprägt wird ein Ensemble grundsätzlich von den baulichen Anlagen, welche in dem von § 1 Abs. 3 DMSG geforderten Zusammenhang stehen.

Die belangte Behörde stützt sich im Wesentlichen auf das erstinstanzliche Gutachten und offenbar (ohne es ausdrücklich zu nennen) das anlässlich des Augenscheins vom 17. September 2009 erstellte Sachverständigengutachten. Dem Gutachten eines Sachverständigen kann auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegen getreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Die Behörde hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Ob die Behörde einen weiteren Sachverständigen für notwendig hält, ist von ihr selbst zu beurteilen. Wenn allerdings das bereits vorliegende Gutachten nicht vollständig oder nicht schlüssig wäre, müsste von Amts wegen ein anderer Sachverständiger herangezogen werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2009, Zl. 2008/12/0203).

Vorliegend hat der in zweiter Instanz beigezogene Sachverständige wesentliche Befunde zum Haus L-Straße 14 anders erhoben als der Gutachter der Behörde erster Instanz (z.B. Fassadengestaltung, Eingangstor, nachträglich zugekaufte und eingemauerte Fensterumrandungen, Innengestaltung). Die belangte Behörde hätte daher eindeutig darzulegen gehabt, welche Aussagen welches der Sachverständigen sie dem angefochtenen Bescheid zu Grunde legen wollte.

Im gegenständlichen Fall zeigen die Beschwerdeführer auf, dass dem Haus L-Straße 14 keine Bedeutung als Einzeldenkmal zukommt, wie dies in einem Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 6. Juni 1995 festgestellt worden sei. Auf Grund dieses rechtskräftigen Bescheides liege Bindungswirkung vor. Die Beschwerdeführer argumentieren u.a. mit dem diesem Bescheid zu Grunde liegenden Sachverständigengutachten, auf das die belangte Behörde nicht eingegangen sei. Auf dieses dem Einzelunterschutzstellungsverfahren zu Grunde liegende Gutachten käme es im gegenständlichen Verfahren nur dann an, wenn der/die Amtssachverständige/n im gegenständlichen Verfahren Elemente des Hauses L-Straße 14, die bereits 1995 befundet und im Gutachten dargelegt wurden, anders befundet hätte/n. Die Beschwerdeführer behaupten aber derartige Widersprüche, insbesondere was die Fassade anlangt. Die belangte Behörde geht darauf überhaupt nicht ein, der Vorakt über die Einzelunterschutzstellung des Hauses L-Straße 14 wurde zudem nicht vorgelegt.

Den Beschwerdeführern ist dahingehend zu folgen, dass Objekte, die zwar innerhalb eines Ensembles gelegen sind, denen aber weder für sich alleine betrachtet ausreichender Denkmalwert zukommt, noch zu anderen Teilen des Ensembles derart in Verbindung stehen, dass ihnen aus der Beziehung oder der Lage zu anderen Objekten begründbarer Weise ausreichende geschichtliche, künstlerische oder kulturelle Bedeutung zukommt, nicht unter Denkmalschutz gestellt werden dürfen. Es muss sich schon um einen spezifischen, durch Gutachten fassbaren Zusammenhang, der eine Einheit, ein "Ganzes" herstellt, handeln. Der Zusammenhang muss zudem auf wesentlichen Gemeinsamkeiten und nicht auf bloßen Details von Objekten beruhen, ansonsten bestünde die Gefahr, dass eine Ensembleunterschutzstellung in gewachsenen Orten ins Uferlose ausgedehnt werden könnte. Hinsichtlich der Lage ist zu beachten, dass ein örtliches Naheverhältnis gegeben sein muss. Bloß einzelne verstreut gelegene Objekte können nur in ganz speziellen Fällen ein Ensemble bilden.

Im gegenständlichen Fall stützt sich die belangte Behörde wesentlich auf die "Grundstrukturen aus dem 16./17. Jahrhundert". Was der Sachverständige darunter versteht, wird nicht näher ausgeführt. Sollte er damit die grundlegende Bausubstanz meinen, so ist bezogen auf das Haus L-Straße Nr. 14 jedoch nur mehr ein weder vom Sachverständigen noch der belangten Behörde in seinem Umfang näher bezeichnetes Tonnengewölbe im Keller (nach den im Bescheid wiedergegebenen Einwendungen der Beschwerdeführer sei es "auf einer Länge von ca. 4 m im Schweitel und da. 3 m im Bodenbereich alt"; mit dieser Umschreibung befasst sich die belangte Behörde nicht) aus dieser Zeit erhalten, woraus aber ein derartiges Gewicht, um das Haus als Teil eines Ensembles ansehen zu können, nicht zu ersehen ist. Sollte er damit den Umriss des Hauses meinen, so kann ohne nähere Begründung daraus keine Bedeutung für die Einbeziehung in ein Ensemble ersehen werden, weil sonst auch Neubauten mit gleichbleibenden Außenmaßen, aber ohne sonstigen Bezug zu benachbarten Objekten erfasst wären.

Des Weiteren stützt sich die belangte Behörde auf die "Fassadengestaltung des späten 19. Jahrhunderts" (an anderer Stelle wird ausgeführt, dass die Fassadierungen wie auch die Dachstühle aus dem 19./20. Jahrhundert stammten) nach dem Brand von 1899. Beim gegenständlichen Haus sei die Fassade im Jahre 1995 vollständig (auch der Dachstuhl im Zuge eines Dachausbaus) neu gestaltet worden, wie die Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren einwendeten; auch der Sachverständige habe erklärt, dass "die gegenwärtige Fassade nicht die 'prägend für das Ensemble ... Brand 1899' Fassade sei. Von der sei nichts erhalten als ein Teil der Tür". Die belangte Behörde geht auf diesen Einwand zum Augenscheinsergebnis 17. September 2009 im angefochtenen Bescheid nicht ein. Dieser Einwand kann auch nicht damit abgetan werden, dass einem Gutachten nur auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden könne, weil der Einwand nicht das Gutachten an sich betrifft, sondern dessen Vollständigkeit auf Grund der Ergebnisse des Augenscheins. Sollte der Einwand zutreffen, so entspräche die Fassadengestaltung aber nicht derjenigen, die der Sachverständige als prägend nach dem Brand 1899 für das Ensemble ansieht (wobei anzumerken ist, dass der Sachverständige auch offen lässt, welche Art der Fassadengestaltung er als prägend versteht).

Schließlich wird die Lage des Hauses angeführt. Schon im franziszeischen Kataster von 1825 sei das Gebäude als "markantes Eckhaus" eingezeichnet gewesen. Dies hätte aber nur dann Bedeutung, wenn das Haus im Wesentlichen seither unverändert geblieben wäre, was aber selbst nach den Ausführungen des Sachverständigen zweiter Instanz nicht der Fall ist (Brand 1899 - Traufenverschwenkungen, Neugestaltung der Fassaden etc). Die Bezeichnung als "markantes Eckhaus" wäre zwar anlässlich der im Akt befindlichen Lichtbilder insoweit nicht zu beanstanden, als daraus tatsächlich ein "markantes Eckhaus" zu ersehen ist. Die auf den ersten Anschein daraus erfließende Bedeutung für das Ensemble "L-Straße - Z-Platzl" wird jedoch durch den von den Beschwerdeführern aufgezeigten Umstand relativiert, dass von den Häusern derselben Straßenseite lediglich die Häuser L-Straße 6 und 12 in das Ensemble einbezogen wurden, nicht jedoch die weiteren angrenzenden Häuser L-Straße 2, 4, 8, 10, 16 und 18. Ohne nähere Ausführungen seitens des Sachverständigen ist aber nicht nachvollziehbar, warum gerade dieses Eckhaus angesichts des ansonsten "löchrigen" Ensembles mit den übrigen Häusern ein "Ganzes" bilden solle. Die belangte Behörde befasst sich mit dieser Frage nicht.

Die belangte Behörde stützte sich daher einerseits auf ein Sachverständigengutachten der Behörde erster Instanz, das durch das in zweiter Instanz eingeholte Gutachten in wesentlichen Teilen nicht aufrecht erhalten wurde, andererseits auf ein in zweiter Instanz erstelltes unvollständiges und daher auch unschlüssiges Sachverständigengutachten.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 9. Dezember 2010

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