VwGH 2010/05/0003

VwGH2010/05/000331.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des S K in Wien, vertreten durch Dr. Harry Fretska, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 22/5, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 30. Oktober 2009, Zl. MA 54-2815/2009, betreffend Gebrauchserlaubnis (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 30. Oktober 2008 beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung zur Aufstellung eines transportablen Verkaufsstandes (Größe: 1,48 m x 3,50 m; Höhe:

2,79 m) und einer Warenausräumung (Größe: 1,20 m x 0,85 m) auf dem öffentlichen Gut in Wien 1., Opernring vor ONr. 3, unter Vorlage von Planunterlagen. Der projektierte Standort befindet sich auf einer langen Verkehrsinsel, die sich zwischen einem Abgang zur Opernpassage einerseits und einem (damaligen) Abgang zur (zwischenzeitig umgebauten) Albertinapassage erstreckt; der Verkaufsstand soll im Bereich des (damaligen) Abganges zur Albertinapassage errichtet werden.

Mit Schreiben (Email) vom 12. Dezember 2008 teilte die Wiener GesmbH & Co KG mit, dass nach einem Lokalaugenschein vor Ort ihrerseits kein Einwand gegen das Vorhaben bestehe. Die Überprüfung hätte ergeben, dass sich der Verkaufsstand einerseits auf der Höhe der Autobushaltestelle des Badner-Bahn-Busses befände, bei welchem es kein dichtes Intervall gebe, andererseits im hinteren Teil der Doppelhaltestelle der Straßenbahn liege, wobei es auf Grund der VSLA-Schaltung (Schaltung der Verkehrsampel) nur selten vorkomme, dass zwei Züge gleichzeitig hielten. Gegebenenfalls könne abweichend vom Plan der Kiosk noch um einen Meter in Richtung Passagenabgang verschoben werden. Der Ausschank solle vorzugsweise über die flache Stirnseite des Kiosks erfolgen. Eine Ladetätigkeit dürfe nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erfolgen, also weder über die Gleisanlagen oder die Bushaltestelle während der Betriebszeiten.

Die Stellungnahme der Wiener Linien wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, woraufhin dieser mit Schreiben vom 9. Jänner 2009, dem ein korrigierter Lageplan beigelegt war, mitteilte, dass der beantragte Standort des Verkaufsstandes um einen Meter in Richtung Passagenabgang (Anm.: zur Albertinapassage) verschoben werde und er damit einverstanden sei, dass der Ausschank vorzugsweise über die flachen Stirnseiten des Kiosks erfolge.

Im Rahmen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens erstattete der Amtssachverständige der Magistratsabteilung (MA) 19, nachdem am 21. Jänner 2009 eine Ortsaugenscheinverhandlung abgehalten worden war, eine fachkundige Stellungnahme vom 10. Dezember 2008 (eingelangt bei der MA 59 am 23. Jänner 2009). Nach einer (allgemein gehaltenen) "Einleitung" heißt es:

"Befund:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gebrauchsabgabengesetztes 1966 für Wien (GAG) lauten auszugsweise:

"§ 1 Gebrauchserlaubnis

(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den zugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt.

(2) Jeder in der Sondernutzung (Abs. 1) nicht angegebene Gebrauch, der über die bestimmungsgemäße Benützung der Verkehrsflächen nach den straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Bestimmungen hinausgeht, bedarf der privatrechtlichen Zustimmung der Stadt Wien als Grundeigentümerin.

§ 2 Erteilung der Gebrauchserlaubnis

(1) Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist nur auf Antrag zulässig. …

(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie insbesondere Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes, entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist."

Die belangte Behörde begründete die Versagung der Gebrauchserlaubnis damit, dass der Bewilligung sowohl "Gesichtspunkte des Stadtbildes" als auch "öffentliche Interessen an der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs" entgegenstünden.

Im Zuge des behördlichen Verfahrens ist gemäß § 2 Abs. 2 GAG festzustellen, ob einer beantragten Gebrauchserlaubnis Gesichtspunkte des Stadtbildes oder Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entgegenstehen. Diese Feststellung ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige. Dem Sachverständigen obliegt es hiebei auf Grund seines Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Gestützt auf das Sachverständigengutachten hat sodann die Behörde begründet darzulegen, ob die beantragte Gebrauchserlaubnis eine diesbezügliche Wirkung entfaltet, oder ob dies nicht der Fall ist. Äußerungen, die nur unüberprüfbare Behauptungen enthalten und nicht die Erwägungen aufzeigen, auf Grund derer der Sachverständige zu seinem Gutachten gelangt ist, können nicht als taugliches Gutachten eines Sachverständigen angesehen werden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0013 und 23. Februar 2010, Zl. 2009/05/0169).

Ein Gutachten hat zuerst einen Befund zu enthalten, in dem die örtlichen Gegebenheiten dargestellt werden. Erst auf Grund dieses Befundes hat der Gutachter auf Grund seines Fachwissens ein Urteil abzugeben, inwieweit das beantragte Vorhaben eine Wirkung auf das Stadtbild oder die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entfaltet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. September 1998, Zl. 98/05/0066, und 23. Februar 2010, Zl. 2009/05/0169 ).

Die Gutachten der MA 19 enthalten zwar einen Befundteil, in welchem die örtlichen Gegebenheiten sowie das Gestaltungskonzept iSd Stadtentwicklungsplans 2005 - STEP 05 dargestellt werden und die Bedeutung des Standorts als UNESCO- Weltkulturerbe und Schutzzone gemäß § 7 der Bauordnung für Wien hervorgehoben werden. Aus den Gutachten geht jedoch nicht hervor, auf Grund welcher (fallbezogenen konkreten) Erwägungen der Sachverständige zu den unter der Überschrift "Gutachten" gezogenen Schlussfolgerungen gelangt ist. So werden die Äußerungen, durch den vom Beschwerdeführer beantragten Verkaufsstand käme es zu einer "unerwünschten Überfrachtung bzw. optischen Verdichtung des öffentlichen Raumes" und "die im STEP geforderte Hebung der 'Flanierqualität' (Barrierefreiheit, Gehsteigbreiten)" sowie die "Vermeidung zusätzlicher Kommerzialisierung des öffentlichen Freiraumes" würden nicht erfüllt, im Gutachten ohne weiterführende, auf den konkreten Verkaufsstand bezugnehmende Begründungen in den Raum gestellt. Wie etwa die Errichtung eines Straßenstandes auf dieser Verkehrsinsel "die Qualität im Hinblick auf die besondere Bedeutung des UNESCO-Weltkulturerbes" vermindere, wird nicht näher dargelegt. Im Gutachten wird behauptet, dass durch die Erzeugung eines "Angstraumes" den Prinzipien des "Gender Mainstreaming" widersprochen werde; was damit konkret gemeint ist und wodurch der erwähnte "Angstraum" überhaupt erzeugt werde, bleibt völlig offen. Darüber hinaus hätte auf die behaupteten Störungen der Überblickbarkeit des betreffenden Stadtraumes, der visuellen Freiräume und der Blickverbindungen näher eingegangen werden müssen. Von welchem Standpunkt aus die angesprochenen Blickverbindungen und Freiräume aus beeinträchtigt werden, ist auch in Zusammenschau mit den Einreichplänen und dem vorgelegten Fotomaterial nicht nachvollziehbar.

Im Gutachten wird behauptet, dass ein "Angstraum" entstünde, nach dem Zusammenhang im ergänzenden Gutachten möglicherweise durch eine "visuelle Enge". Was damit konkret gemeint ist, wird aber nicht dargelegt. Dass die Errichtung des Kioskes am vorgesehenen Standort überhaupt "Angstgefühle" auslösen könnte (noch dazu angesichts der planlich dargestellten Breite des Gehsteiges), ist ohne eingehende nähere Begründung nicht nachvollziehbar. Nicht minder ist nicht nachvollziehbar, weshalb den "Prinzipien des Gendermainstreaming" widersprochen werde (und was damit gemeint ist).

Aus welchen konkreten Gründen es zu den besagten Einflussnahmen auf das Stadtbild kommt, ist aus dem Gutachten sohin insgesamt nicht ableitbar.

Die Gutachten der MA 46 können gleichfalls nicht als ausreichend angesehen werden. Sie gehen nicht auf die Stellungnahme der Wiener Linien vom 12. Dezember 2008 ein, die inhaltlich von einer geringeren Fahrgastfrequenz im Bereich des projektierten Standortes ausgeht, zumal (im Sinne dieser Stellungnahme) zu bedenken ist, dass sich die Stationen der Badner Bahn und der Linie 62 auf der anderen Seite der Kärntner Straße befinden, somit die Fahrgastströme von und zu diesen Linien sowie auch den U-Bahn-Linien wohl verstärkt im Bereich der Verkehrsinsel zur Opernpassage (und nicht zur Albertinapassage) auftreten werden. Wie sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, gestützt durch den Lageplan und die Fotobeilage zum Privatgutachten vom 10. Juli 2009 ergibt, befindet sich in diesem Bereich der Verkehrsinsel (zur Opernpassage) eine lange (so die Bezeichnung im Lageplan) "Wartehalle" (wohl für die wartenden Fahrgäste der Ringlinien einerseits und der Linie 59 A andererseits), die als Baulichkeit naturgemäß ein Hindernis für die Fahrgastströme darstellt, wobei auch die Frage unbeantwortet offen ist, ob es durch diese "Wartehalle" nicht auch zu Ansammlungen von Personen kommt (wie von der MA 46 beim Kiosk angenommen) und es überhaupt durch den geplanten Kiosk unter diesem Blickwinkel zu einer relevanten (zusätzlichen) Behinderung der Fahrgastströme kommt.

Die Gründe, die zur Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs führen sollen, werden somit in diesen Gutachten nicht schlüssig dargelegt.

Ausgehend von diesen Erwägungen vermag der Verwaltungsgerichtshof die Auffassungen der belangten Behörde, aus den Sachverständigengutachten hätten sich schlüssig die Gründe für eine Verweigerung der Bewilligung des beantragten Verkaufsstandes ergeben, nicht zu teilen.

Da die belangte Behörde die Versagung der beantragten Bewilligung auf unzureichende Gutachten gestützt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 31. Juli 2012

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