Normen
ABGB §1175;
GewO 1994 §1 Abs2;
GewO 1994 §1 Abs3;
GewO 1994 §124 Z9;
GewO 1994 §142;
GewO 1994 §366 Abs1 Z1;
VStG §44a Z1;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ABGB §1175;
GewO 1994 §1 Abs2;
GewO 1994 §1 Abs3;
GewO 1994 §124 Z9;
GewO 1994 §142;
GewO 1994 §366 Abs1 Z1;
VStG §44a Z1;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 30. März 2010 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe von 15. Juli 2008 bis 6. November 2008 an einem näher genannten Ort insofern das Handelsgewerbe in Form einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht ausgeübt, als der Betrieb geöffnet und für jedermann zugänglich gewesen sei und zahlreiche Sicherheitstüren zum Verkauf feilgeboten worden seien (wie auch auf einer näher bezeichneten Internetseite), ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) begangen, weshalb über ihn gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe von EUR 760,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen 10 Stunden) verhängt wurde.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe zur angegebenen Zeit am angegebenen Ort das Handelsgewerbe in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeübt. Der Betrieb sei geöffnet und für jedermann zugänglich gewesen und es seien zahlreiche Sicherheitstüren zum Verkauf angeboten worden (wie auch auf der Internetseite), wobei der Beschwerdeführer über keine dafür erforderliche Gewerbeberechtigung verfügt habe.
Dies sei vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahren unbestritten geblieben. In der Berufung habe er lediglich im Wesentlichen angegeben, nur zeitweise im Rahmen seiner Tätigkeit als "neuer Selbständiger" in dem Betrieb tätig zu sein, weshalb er nicht verpflichtet sei, um einen Gewerbeschein anzusuchen. Herr S verfüge über den nötigen Gewerbeschein.
Gesellschaften bürgerlichen Rechts (§ 1175 ABGB) könnten nicht als juristische Personen im Sinn des § 9 Abs. 1 GewO 1994 angesehen werden und seien auch keine Personengesellschaft des Handelsrechts, weshalb sie nicht Träger einer Gewerbeberechtigung sein könnten. Bei einer gemeinsamen Tätigkeit von mehreren Gesellschaftern bürgerlichen Rechts bedürfe daher (unabhängig davon, wer im Rahmen dieser Gesellschaft die Leistung tatsächlich erbringe) jeder Gesellschafter einer eigenen Gewerbeberechtigung (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 96/04/0102). Gleichzeitig könne (zufolge des Mangels der Gewerberechtsfähigkeit) eine Gewerbeausübung in Bezug auf eine derartige Gesellschaft nicht dieser, sondern nur unmittelbar ihren Mitgliedern zugerechnet werden.
Weise ein Vertrag die Merkmale einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf (der Beschwerdeführer habe damals ohne Meldung an der Geschäftsadresse gewohnt) und stelle die vom Gesellschafter verrichtete Tätigkeit die Erfüllung einer Verpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag dar, dann stelle die Betätigung des Gesellschafters innerhalb des Betriebes, dessen Führung Zweck der Gesellschaft ist, eine selbständige, regelmäßige, entgeltliche, auf Gewinn gerichtete Tätigkeit dar. Dieser Gesellschafter bedürfe daher einer entsprechenden Gewerbeberechtigung, dies im Hinblick auf die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise selbst dann, wenn Vertragsbestimmungen auch ein Angestelltenverhältnis begründen sollten. Das zugrunde liegende Tatbild sei somit erfüllt.
Es wäre Sache des Berufungswerbers gewesen, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung gesprochen hätte, was dieser jedoch nicht getan habe, weiters hätte er sich vor Ausübung über die das Gewerbe betreffenden Vorschriften informieren müssen.
Darüber hinaus legte die belangte Behörde die Gründe für die Strafbemessung näher dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 EUR zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
2. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, Herr S verfüge über eine Gewerbeberechtigung, er hingegen werde lediglich als "neuer Selbständiger" tätig. Wolle man mit der belangten Behörde davon ausgehen, dass der Betrieb in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben worden sei, so läge ein Eingriff in die ordnungsgemäße Bewilligung dieses Betriebes in Form der Gewerbeberechtigung des S vor. Überdies würde der Betrieb in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sein.
Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass sich die belangte Behörde zutreffend auf die hg. Rechtsprechung gestützt hat, wonach die Betätigung eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts innerhalb des Betriebes, dessen Führung Zweck der Gesellschaft ist, eine selbständige, regelmäßige, entgeltliche, auf Gewinn gerichtete Tätigkeit darstellt und dieser Gesellschafter daher einer entsprechenden Gewerbeberechtigung bedarf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 96/04/0102, mwN).
Diese auf den Beschwerdeführer als Gesellschafter bezogene Betrachtung hat aber keinen Einfluss auf die Tätigkeit des S, der den Feststellungen der belangten Behörde zufolge eine Gewerbeberechtigung aufweist. Von dem behaupteten Eingriff in dessen gewerbliche Tätigkeit kann daher keine Rede sein.
3. Die Beschwerde bringt weiter vor, dem Spruch des angefochtenen Bescheides fehlten entgegen § 44a Z. 1 VStG klare Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit.
Beim Erfordernis einer genauen Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z. 1 VStG kommt es darauf an, den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2011, Zl. 2011/02/0281, mwN).
Ausgehend davon erweist sich der Spruch des durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Straferkenntnisses fallbezogen als hinreichend konkret, werden dem Beschwerdeführer doch im Hinblick auf die Gewerbsmäßigkeit konkrete Tathandlungen (nämlich, dass er als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts dadurch, dass der Betrieb geöffnet und für jedermann zugänglich war und zahlreiche Sicherheitstüren zum Verkauf angeboten wurden, das Handelsgewerbe ausgeübt hat) in Verbindung mit einem längeren Tatzeitraum vorgeworfen.
4. Der Beschwerdeführer rügt weiters, die belangte Behörde habe keine mündliche Verhandlung durchgeführt und ihm damit keine Gelegenheit gegeben, zu seiner Tätigkeit als "neuer Selbständiger" Stellung zu nehmen.
Damit zeigt die Beschwerde eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:
Gemäß § 51e Abs. 3 Z. 1 VStG kann der Unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.
Der Beschwerdeführer hat, bereits rechtsanwaltlich vertreten, in seiner Berufung keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Jedoch hat er in seiner Berufung unter anderem vorgebracht, er übe als "neuer Selbständiger" ausschließlich Tätigkeiten aus, für welche keine Gewerbeberechtigung erforderlich sei. Es treffe ihn daher kein Verschulden an der Verletzung einer Verwaltungsvorschrift. Es sei ihm nie Gelegenheit gegeben worden, zu diesen Umständen Stellung zu nehmen. Als Beweis bot der Beschwerdeführer seine Vernehmung an.
Da bei diesem Vorbringen nicht angenommen werden kann, dass in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird, lagen die Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung nach § 51e Abs. 3 Z. 1 VStG nicht vor. Da fallbezogen auch keine andere Voraussetzung nach § 51e Abs. 3 VStG für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung in Frage kommt, war die belangte Behörde daher (schon zwecks Einvernahme des Beschwerdeführers) gemäß § 51e VStG verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, was der Beschwerdeführer zu Recht rügt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. April 2008, Zl. 2004/03/0056, mwN).
5. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung der mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
6. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden. Im gegebenen Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass einzig die belangte Behörde als Tribunal im Verwaltungsstrafverfahren die Anforderungen des Art. 6 EMRK erfüllen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2010/04/0123, mit Verweis auf Rechtsprechung des EGMR).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die verzeichnete Umsatzsteuer im Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Wien, am 17. April 2012
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