VwGH 2009/22/0307

VwGH2009/22/030726.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Wolfgang Mekis, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 20. Juli 2009, Zl. 101.315/4-III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art13;
FremdenG 1997;
NAG 2005 §20 Abs4;
NAG 2005 §21 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ARB1/80 Art13;
FremdenG 1997;
NAG 2005 §20 Abs4;
NAG 2005 §21 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 4. Dezember 2008 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und § 21 Abs. 1 und Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Dem Beschwerdeführer sei mit 23. Dezember 1996 zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehefrau ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt worden. Er sei im Jahr 1999 ausgereist und seit "03.12.2008" wieder in Wien gemeldet.

Gemäß § 20 Abs. 4 NAG würde ein Aufenthaltstitel erlöschen, wenn sich der Fremde länger als zwölf Monate außerhalb des Gebietes der EWR aufhalte. Der Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers sei durch eine gerichtliche Verurteilung in der Türkei bzw. durch die Haftentlassung vom 9. Juni 2008 bestätigt. Er sei somit nahezu neun Jahre nicht in Österreich wohnhaft gewesen. Aus diesem Grund sei sein unbefristeter Aufenthaltstitel vom 23. Dezember 1996 erloschen und der gegenständliche Antrag vom 4. Dezember 2008 sei als Erstantrag zu werten, bei dem § 21 Abs. 1 NAG (Gebot der Auslandsantragstellung) zu beachten sei.

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 3. November 2009, B 1067/09-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Aus den Verwaltungsakten ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer über einen Befreiungsschein verfügt hat. Somit wäre die Stillhalteklausel nach Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB) zu beachten gewesen, nach der die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (und die Türkei) für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen dürfen. Bei dem in § 20 Abs. 4 NAG normierten Erlöschen eines unbefristet erteilten Aufenthaltstitels von Gesetzes wegen im Fall eines mehr als zwölfmonatigen Aufenthalts außerhalb des EWR-Gebietes handelt es sich um eine solche Neubeschränkung für den Zugang zum Arbeitsmarkt im Sinn des Art. 13 ARB (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, 2008/21/0304, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

Demzufolge wäre § 20 Abs. 4 NAG auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden gewesen, weshalb wegen Weitergeltung des von ihm innegehabten Aufenthaltstitels der vorliegende Antrag nicht als Erstantrag hätte gewertet werden dürfen, bei dem § 21 Abs. 1 NAG anwendbar wäre.

Im Fall der Annahme des Fehlens einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung wäre dann nach § 25 NAG vorzugehen gewesen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. Juni 2012

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