VwGH 2009/22/0092

VwGH2009/22/009214.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 25. Februar 2009, Zl. Fr - 628/3/08 (neu: E1/643/2009), betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §61 Z3;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;
StGB §40;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §61 Z3;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;
StGB §40;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer seit 2002 insgesamt acht Mal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden sei. Weiters stellte sie das diesen Verurteilungen zu Grunde liegende Verhalten fest. Dabei handelt es sich - beginnend mit im Herbst 2000 gesetztem Verhalten - um (von der belangten Behörde im einzelnen umfänglich dargestellte) strafbare Handlungen wegen Veruntreuung, Diebstahls, Urkundenunterdrückung, widerrechtlicher Verwendung eines unbaren Zahlungsmittels, Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung und schwerer Körperverletzung, sexueller Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlung, Sachbeschädigung, Nötigung sowie Übertretung des Suchmittelgesetzes (SMG), wobei etliche dieser Delikte vom Beschwerdeführer mehrfach begangen wurden.

Zuletzt sei - so die belangte Behörde in ihrer weiteren Begründung - der Beschwerdeführer am 20. Dezember 2007 vom Landesgericht Salzburg wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und der Vergehen nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von 28 Monaten verurteilt worden. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von Sommer 2004 bis Juli 2007 eine unbekannte Menge an Substitol-Tabletten, Heroin und Cannabisprodukte erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen habe sowie im selben Zeitraum - in zahlreichen im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Angriffen - gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt habe, wobei die Taten in Beziehung auf ein Suchtgift begangen worden seien, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (entsprechend insgesamt 1.667 "Substitol 200 mg-Tabletten") ausgemacht habe.

Ausgehend von den Verurteilungen erachtete die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG für erfüllt. Weiters führte die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung aus, die gravierende Verurteilung nach dem SMG vom 20. Dezember 2007 rechtfertige die Annahme, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zum Schutz der Volksgesundheit und zur Verhinderung strafbarer Handlungen dringend geboten. Auf Grund der Begehung des "schwerwiegenden Suchgiftdeliktes (Gewerbsmäßige Beziehung von großen Mengen an Suchtgift und in Verkehr setzen durch Verkauf)" habe der Beschwerdeführer seine besondere Gefährlichkeit für die Gesellschaft deutlich zum Ausdruck gebracht. Es sei insoweit auch ein Grundinteresse der Gemeinschaft berührt, als der Handel mit großen Mengen Suchtgift eine große und manifeste Gefahr für die Volksgesundheit darstelle, zumal der Beschwerdeführer mehr als 1.670 Stück Substitol-Tabletten, Heroin und Cannabis-Produkte in einem Zeitraum von zumindest drei Jahren widerrechtlich im Bundesgebiet in Verkehr gesetzt habe. Dabei habe der zu dieser Zeit bereits erwachsene Beschwerdeführer auch nicht davor zurückgeschreckt, das Suchtgift an minderjährige Personen zu verkaufen. Die Drogengeschäfte des Beschwerdeführers seien auch nicht allein getätigt worden, um die eigene Sucht zu finanzieren. Er habe die Substitol-Tabletten für 8 Euro pro Stück erworben und zum Preis von etwa 30 bis 35 Euro pro Tablette weiterverkauft. Aus dem Gerichtsurteil ergebe sich, dass jedenfalls keine Rede davon sein könne, dass der Beschwerdeführer sich lediglich Suchtmittel für den eigenen Missbrauch verschafft hätte. Auch habe dem Urteil entnommen werden können, dass dem Beschwerdeführer bereits mehrfach die Rechtswohltat einer bedingten Strafnachsicht zuteil geworden sei, er diese Chance jedoch nicht zu nützen vermocht habe, weshalb die zuletzt verhängte (Zusatz-)Freiheitsstrafe von 28 Monaten unbedingt auszusprechen gewesen sei. Im Fall des Beschwerdeführers könne daher nicht von einen günstigen Zukunftsprognose ausgegangen werden. Dies gelte umso mehr, als er das Suchtgift um etwa den vierfachen Einkaufspreis weiterverkauft habe und somit der Verlockung einer enorm hohen Gewinnspanne erlegen sei. Die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers werde auch durch die gemeinsamen Suchtgiftkonsume mit seiner Freundin unterstrichen. Er habe mit dieser zuerst nur fallweise Suchtgift konsumiert und sie vorerst - zumindest teilweise - auf das von ihr benötigte Suchtgift eingeladen. Jedoch seien der Suchtgiftkonsum seiner Freundin durch das Verhalten des Beschwerdeführers kontinuierlich gestiegen und die von ihm verabreichten Dosen erhöht worden. Im Übrigen - so die belangte Behörde abschließend - stelle das Verhalten des Beschwerdeführers letztlich auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Zur Abwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 1982 in Bosnien geboren worden, seinen Angaben zufolge im Alter von 3 Monaten nach Österreich gekommen und seither rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet niedergelassen. "Bis 1988" habe er "die Sommer" bei seinen Großeltern in Bosnien verbracht, ansonsten sei er in Österreich aufgewachsen. In Österreich lebten die Eltern sowie eine Schwester des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Sorgepflichten und lebe in keiner Lebensgemeinschaft, die zu einer sozialen Bindung im Bundesgebiet führen könnte. Nach Abschluss der

9. Schulstufe habe er eine Lehre als Koch begonnen und insgesamt vier Lehrstellen inne gehabt. Zuletzt sei das Lehrverhältnis allerdings gekündigt worden, weil der Beschwerdeführer nicht verlässlich gewesen sei. Eine Integration am Arbeitsmarkt sei nicht feststellbar. Der Beschwerdeführer sei den Großteils seines Lebens beschäftigungslos gewesen und ab 1. Jänner 2003 nur wochen- oder monatsweise einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er habe vorwiegend von finanziellen Zuwendungen der öffentlichen Hand und den Einkünften aus seinen Suchtmittelgeschäften gelebt. Zuletzt habe er ein monatliches Einkommen in der Höhe von EUR 270,-- an Notstandshilfe bezogen.

Da der Beschwerdeführer in Österreich aufgewachsen sei, verfüge er über "unabsprechbare inländische Bindungen", jedoch sei der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privat- und Familienleben dadurch relativiert, dass er keine (eigene) Kernfamilie im Inland habe. Die aus dem bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet ableitbare Integration werde auf Grund seines Fehlverhaltens in ihrer sozialen Komponente erheblich beeinträchtigt. Die öffentlichen Interessen, den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu untersagen, würden die privaten Interessen insbesondere deshalb in den Hintergrund drängen, weil der Beschwerdeführer Suchtgifthandel aus "purem Gewinnstreben" getätigt habe. Darüber hinaus sei er bereits ab dem Jahr 1998 mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, was neben den strafgerichtlichen Verurteilungen auch insgesamt zwölf Verwaltungsstrafen (u.a. wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol und Suchtgift beeinträchtigten Zustand) nach sich gezogen habe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei sohin auch unter Berücksichtigung des § 66 FPG zulässig.

§ 61 Z. 4 FPG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 28 Monaten, also zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe, verurteilt worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat das gegenständliche Aufenthaltsverbot auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG gestützt. Nach § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht (u.a.) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Ausgehend von den im angefochtenen Bescheid näher dargestellten und vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen sind die genannten Alternativen dieses Tatbestandes im gegenständlichen Fall erfüllt.

Der Beschwerdeführer tritt allerdings der auf das den Verurteilungen zu Grunde liegenden (Fehl-)Verhalten gestützten Ansicht der belangten Behörde entgegen, es sei die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Dazu führt er aus, es sei zwar richtig, dass er Suchtgift veräußert habe. Dies sei jedoch lediglich erfolgt, um seinen starken Eigenkonsum zu finanzieren. Es sei auch nicht zulässig, mit einer erfahrungsgemäß bestehenden Wiederholungs- und Rückfallsgefahr zu argumentieren, weil es "sich bei einem Bescheid um einen individuellen Hoheitsakt" handle, und diese Begründung eine unzulässige Generalisierung bedeute.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die Beschwerde mit ihren Ausführungen, der Beschwerdeführer habe das Suchtgift lediglich veräußert, um seinen eigenen Suchtmittelkonsum zu finanzieren, von den behördlichen Feststellungen entfernt. Eine Begründung dafür, weshalb der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt, der in diesem Punkt seinerseits auf den Ausführungen des strafgerichtlichen Urteils fußt, unrichtig sei, enthält die Beschwerde jedoch nicht. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch keine Hinweise dafür zu erkennen, dass die Feststellungen in einem mängelbehafteten Verfahren getroffen worden wären. Sohin erweisen sich die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Motiv der Suchtmittelverkäufe als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Zur - von der belangten Behörde konstatierten und vom Beschwerdeführer kritisierten - Wahrscheinlichkeit einer Wiederholungs- und Rückfallsgefahr ist darauf hinzuweisen, dass sich dieselben beim Beschwerdeführer trotz zahlreicher vorangegangener Verurteilungen bereits in eindrucksvoller Weise verwirklicht haben. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang argumentiert, er sei nicht am geldwerten Verdienst durch Suchtmittelverkauf interessiert, so ist ihm entgegenzuhalten, dass er bereits über einen erheblichen Zeitraum Suchtmittel mit einem Aufschlag des Vierfachen seines Einkaufspreises weiter veräußerte, und er deswegen auch wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung, sohin um sich durch den Verkauf von Suchtmitteln eine laufende Einnahmequelle zu verschaffen, rechtskräftig verurteilt wurde.

Angesichts der massiven, wiederholten und sich stetig steigernden strafbaren Handlungen begegnet sohin - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - die Auffassung der belangten Behörde, sein Verhalten rechtfertige die in § 60 Abs. 1 FPG angeführte Annahme, keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2009, 2008/22/0714).

Weder der angefochtene Bescheid noch die Beschwerde gehen ausdrücklich davon aus, dass der Beschwerdeführer in Österreich zum unbefristeten Aufenthalt berechtigt wäre, und demgemäß bei der Gefährdungsprognose der - gegenüber § 60 Abs. 1 FPG erhöhte - Maßstab des § 56 FPG (vgl. zum System der abgestuften Gefährdungsprognosen das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, 2008/21/0603) zur Anwendung zu bringen ist. Aber selbst wenn der Beschwerdeführer (mit Blick auf seinen seit dem 3. Lebensmonat bestehenden Aufenthalt in Österreich) über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder "Daueraufenthalt-Familienangehöriger" verfügen würde, wäre die Annahme, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 56 Abs. 1 FPG dar, gerechtfertigt. Einerseits sind die Tatbestände des § 56 Abs. 2 FPG, bei deren Erfüllung das Vorliegen einer schweren Gefahr im Sinne des Abs. 1 indiziert ist, gegeben. Andererseits hegt der Verwaltungsgerichtshof keinen Zweifel, dass auf Grund des den Verurteilungen zu Grunde liegenden strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers, der nicht nur massiv Suchtmittelhandel beging, sondern auch mehrfach in gravierender Weise fremdes Eigentum und die körperliche Integrität anderer missachtete, sein weiterer Aufenthalt auch eine (gegenwärtige, hinreichend) schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 56 Abs. 1 FPG darstellt (vgl. dazu nochmals das bereits genannte Erkenntnis vom 24. Februar 2009). In diesem Sinne führte die belangte Behörde aus, das Verhalten des Beschwerdeführers stelle sogar eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre (und bejahte damit auch die Erfüllung des gegenüber § 56 Abs. 1 FPG einen noch strengeren Maßstab festlegenden, hier aber gar nicht zur Anwendung gelangenden § 86 Abs. 1 FPG).

Soweit der Beschwerdeführer bezogen auf die Gefährdungsprognose noch darauf hinweist, dass er seit 6 1/2 Jahren in einer Lebensgemeinschaft lebe, ist er darauf hinzuweisen, dass auch dies die strafbaren Handlungen nicht zu verhindern vermochte.

Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die Beurteilung der belangten Behörde nach § 66 FPG. Gemäß § 66 Abs. 1 FPG (iVm § 60 Abs. 6 FPG) ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, mit dem in das Privat- oder Familienleben eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 FPG (in der hier maßgeblichen Fassung vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2009 erfolgten Novellierung) darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthalts und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen sowie auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsverbot ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Unter diesen Gesichtspunkten verweist der Beschwerdeführer auf seine in Österreich lebenden Eltern, die seit 6 1/2 Jahren bestehende Lebensgemeinschaft, die 26-jährige Aufenthaltsdauer und das Fehlen von Bindungen zum Herkunftsland. Mit diesem Vorbringen wird allerdings keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde auf die zu seinen Gunsten sprechenden Umstände ausreichend Bedacht genommen. Dementsprechend ist die belangte Behörde auch von einem durch das Aufenthaltsverbot in hohem Maß bewirkten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ausgegangen. Zutreffend hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang aber auch angemerkt, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine (eigene) Kernfamilie (Ehefrau, minderjährige Kinder) verfügt und die Bindung zu seinen Eltern und seiner Schwester infolge seiner Volljährigkeit als relativiert anzusehen ist.

Richtig hat die belangte Behörde auch erkannt, dass dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich jedoch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten, insbesondere an der Unterbindung des Suchmittelhandels und von Gewaltdelikten, wie sie vom Beschwerdeführer gesetzt wurden, gegenüber stehen. Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem Interesse des Beschwerdeführers kein höheres Gewicht beigemessen hat als den genannten gegenläufigen öffentlichen Interessen. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG für zulässig angesehen hat.

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nicht unzulässig ist, gegen einen straffälligen Migranten der zweiten Generation aufenthaltsbeendigende Maßnahmen zu ergreifen (vgl. das Urteil des EGMR vom 28. Juni 2007, Kaya gg. Deutschland, NL 2007, S 144). Ein dem Urteil des EGMR vom 23. Juni 2008, Maslov gg. Österreich (NL 2008, S 157), vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Wenngleich der Beschwerdeführer sein strafbares Verhalten bereits im jugendlichen Alter begonnen hat, kann im vorliegenden Fall keinesfalls mehr davon ausgegangen werden, es liege bloße Jugenddelinquenz vor, zumal der Beschwerdeführer sein strafbares Verhalten auch im Erwachsenenalter in massiver Weise lange Zeit hindurch fortgesetzt hat (vgl. zur Berücksichtigung des Ausmaßes der Zeitspanne, in der strafbares Verhalten gesetzt wurde, das Urteil des EGMR vom 8. Jänner 2009, Grant gg. das Vereinigte Königreich, NL 2009, S 15).

Der Beschwerdeführer hat daher auch die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Dazu gehören auch Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung infolge des in der Beschwerde behaupteten Fehlens von Anknüpfungspunkten in seinem Heimatland (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, 2007/21/0510). Angesichts der (unstrittigen) Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach sich der Beschwerdeführer im Kindesalter regelmäßig für nicht unerhebliche Zeit in seinem Heimatland aufgehalten hat, ist aber auch nicht von einer gänzlichen Entwurzelung des Beschwerdeführers in seiner Heimat auszugehen.

Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Beurteilung nach § 66 FPG unter dem Aspekt der Verletzung von Verfahrensvorschriften bemängelt, es sei ihm nicht Gelegenheit gegeben worden, Angaben zu seiner "Kernfamilie" zu machen, zu der seiner Ansicht nach auch seine Lebensgefährtin zu zählen sei, ist er einerseits darauf hinzuweisen, dass die Lebensgefährtin nicht als Mitglied der Kernfamilie im Sinne des Gesetzes anzusehen ist (vgl. § 2 Abs. 4 Z 12 FPG). Andererseits wird weder dargetan, weshalb der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gehindert gewesen wäre, nicht schon von sich aus umfänglich alle zu seinen Gunsten sprechende Umstände geltend zu machen, noch die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels dargelegt, weil selbst bei Bestehen der in der Beschwerde angeführten Lebensgemeinschaft kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass diesfalls von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand genommen hätte werden müssen.

Es bestand letztlich für die belangte Behörde aber auch keine Veranlassung, im Rahmen der Ermessensausübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen. Bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden - so wie hier - wegen einer in § 55 Abs. 3 Z 1 FPG genannten strafbaren Handlung (im Übrigen entspricht die Aufzählung derjenigen in § 56 Abs. 2 Z 1 FPG) wäre nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes gelegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, 2008/21/0603).

Soweit der Beschwerdeführer noch meint, das Aufenthaltsverbot sei entgegen § 55 Abs. 4 FPG erlassen worden, ist dem zu entgegnen, dass diese Vorschrift, auf die gemäß § 61 Z 2 FPG auch im Falle der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Bedacht zu nehmen ist, vorsieht, dass Fremde, die von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen sind, unbeschadet des § 61 Z 4 FPG nicht ausgewiesen werden dürfen. § 61 Z 4 FPG legt dazu fest, dass ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden darf, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig niedergelassen ist, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden (oder würde einen der in § 60 Abs. 2 Z 12 bis Z 14 FPG bezeichneten Tatbestände verwirklichen). Zutreffend verwies schon die belangte Behörde darauf, dass der vom Beschwerdeführer geltend gemachte "Aufenthaltsverbot - Verbotsgrund" des § 61 Z 4 FPG infolge der zuletzt über ihn verhängten unbedingten (Zusatz-)Freiheitsstrafe von 28 Monaten nicht vorliegt. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meint, diese Verurteilung liege lediglich gering über dem in § 61 Z 4 FPG genannten Ausmaß, so ist er darauf hinzuweisen, dass es sich zum einen bei der von ihm angeführten Strafe von 28 Monaten um eine Zusatzstrafe nach § 40 StGB handelt (und demgemäß die Gesamtstrafe höher liegt) und es zum anderen auf das Ausmaß der Überschreitung der in § 61 Z 4 FPG festgelegten Grenze nicht ankommt.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 14. Mai 2009

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