Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. Juni 2008 gemäß § 31 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen. Zugleich wurde ein die Erteilung eines Aufenthaltstitels betreffendes Verfahren gemäß § 38 AVG "bis zur rechtskräftigen Finalisierung des gegenständlichen Ausweisungsverfahrens ausgesetzt". Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin unstrittig am 25. Juni 2008 durch Hinterlegung zugestellt.
Erstmals am 11. Juli 2008 suchte sie einen rechtsfreundlichen Vertreter auf, um dagegen Berufung zu erheben.
Mit am 14. Juli 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eingelangter Eingabe vom 11. Juli 2008 stellte die Beschwerdeführerin einen mit einer Berufung verbundenen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG. Darin brachte sie - ohne datumsmäßige Konkretisierung - vor, sie habe den gegenständlichen Bescheid "bei der Post abgeholt". Sie sei der Meinung gewesen, die Frist zur Einbringung der Berufung beginne ab dieser Abholung bei der Post zu laufen und nicht erst ab dem Zeitpunkt der Hinterlegung. In der Rechtsmittelbelehrung finde sich kein Hinweis darauf, dass mit Beginn der Hinterlegung bereits die Zustellung vollzogen sei. Auf Grund ihres Alters (geboren am 1. Jänner 1989), der Rechtsunkundigkeit und des Fehlens entsprechender Lebenserfahrung, insbesondere im Umgang mit Behörden, sei ihr "der Unterschied" nicht klar gewesen. Eine allfällige Fristversäumnis sei ihr erst mit 11. Juli 2008 bewusst geworden.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid gab die belangte Behörde diesem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG keine Folge. Die Berufung wies sie gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.
Begründend führte sie aus, das geltend gemachte Alter und das Fehlen nennenswerter Behördenerfahrung ließen es nicht zu, die Unterlassung einer rechtzeitigen Berufungseinbringung als unverschuldet oder als ein den minderen Grad eines Versehens nicht übersteigendes Verschulden zu werten. Die Beschwerdeführerin habe die Existenz einer Hinterlegungsanzeige nie in Frage gestellt. Bei gehöriger Aufmerksamkeit habe ihr somit klar gewesen sein müssen, dass die Hinterlegung und nicht die Abholung der Sendung als Zustellung gelte. Angesichts der Kenntnis vom laufenden Verfahren, dessen Wichtigkeit ihr bewusst gewesen sei, wäre es ihr zuzumuten gewesen, entsprechende Erkundigungen - etwa bei der Behörde - über den Zustellzeitpunkt einzuholen. Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das sie an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert hätte, und damit ein Grund für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liege somit nicht vor. Das erst nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist erhobene Rechtsmittel erweise sich gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerde nicht die (zutreffende) Auffassung der belangten Behörde bekämpft, der erwähnte Bescheid vom 23. Juni 2008 sei am 25. Juni 2008 durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt worden, die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen diesen Bescheid habe daher mit Ablauf des 9. Juli 2008 geendet und sei somit versäumt worden.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Unter "Ereignis" iSd zitierten Vorschrift ist jegliches Geschehen, ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt, zu verstehen. Auch ein Rechtsirrtum (hier über die Wirkung der Hinterlegung als Zustellung) kann daher ein maßgebliches "Ereignis" darstellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2008/22/0414, mwN).
Daraus ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin jedoch nichts zu gewinnen: Im vorliegenden Fall ist das "Ereignis", das die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen an der Einhaltung der Berufungsfrist hinderte, in dem Irrtum gelegen, die Zustellung des genannten Bescheides vom 23. Juni 2008 könne erst dann Wirkungen entfalten, sobald er ihr (was dem Datum nach im Übrigen weder im Verwaltungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde konkretisiert wurde) tatsächlich zugekommen sei. Im Rahmen der sie treffenden Sorgfaltspflicht hätte sie nämlich, worauf schon die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat, die Obliegenheit getroffen, sich bei geeigneten Stellen diesbezüglich zu erkundigen und sich Gewissheit über den tatsächlichen Beginn des Fristenlaufs zu verschaffen. Dass sie dies getan hätte, bringt die Beschwerdeführerin nicht vor. Auch ist nicht erkennbar, dass es ihr nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen (vgl. zum Ganzen ausführlich etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2003, Zl. 2001/03/0183, mwN).
In diesem Zusammenhang rügt die Beschwerdeführerin weiters das Unterbleiben ihrer Einvernahme sowie der (von ihr beantragten) zeugenschaftlichen Vernehmung ihres Vaters im Berufungsverfahren. Die Beweisaufnahme hätte erwiesen, "dass am 11.07.2008, wie von (ihr) angenommen, die Berufungsfrist vermeintlich noch offen war und erst eine Aufklärung am 11.07.2008 über die Wirkungen der Hinterlegung des Bescheides durch (ihren) ausgewiesenen Vertreter erfolgte". Auch eine derartige Feststellung hätte jedoch nichts am entscheidungswesentlichen Umstand eines Unterbleibens der schon früher gebotenen Erkundigungen geändert, sodass dem Unterlassen der genannten Beweisaufnahmen die Relevanz für den Ausgang des Verfahrens fehlt.
Da die Beschwerdeführerin der dargestellten Obliegenheit, entsprechende Erkundigungen vorzunehmen, nicht nachgekommen ist, trifft sie ein Verschulden, das einen minderen Grad des Versehens übersteigt. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung verneinte.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 26. August 2010
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