VwGH 2009/21/0324

VwGH2009/21/032429.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des D, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 7. September 2009, Zl. BMI- 1022313/0003-II/3/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8 idF 2006/I/099;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9 idF 2006/I/099;
FrPolG 2005 §60 Abs5 idF 2006/I/099;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8 idF 2006/I/099;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9 idF 2006/I/099;
FrPolG 2005 §60 Abs5 idF 2006/I/099;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein mazedonischer Staatsangehöriger, reiste (zuletzt) im Mai 2002 mit einem bis 4. Juni 2002 gültigen Visum in das Bundesgebiet ein. Er blieb über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus in Österreich und heiratete am 8. September 2003 die österreichische Staatsbürgerin B. V. Im Hinblick auf diese Ehe beantragte der Beschwerdeführer am 8. Oktober 2003 die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, die ihm (nach der Aktenlage) zunächst auch mit einer Befristung bis 15. Oktober 2004 erteilt wurde.

Bereits im Mai 2004 wurden Ermittlungen wegen des Verdachts des Vorliegens einer Scheinehe begonnen, die schließlich zur Erlassung eines mit zehn Jahren befristeten, auf § 86 Abs. 1 iVm § 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestützten Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 21. Februar 2007 führten. Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine Berufung, in der das Vorliegen einer Scheinehe bestritten wurde.

Während des Berufungsverfahrens wurde die Ehe des Beschwerdeführers mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 23. August 2007 einvernehmlich geschieden.

Mit dem sodann im Devolutionsweg ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 7. September 2009 wurde die Berufung gegen das Aufenthaltsverbot mit der Maßgabe abgewiesen, dass als Rechtsgrundlage § 60 Abs. 2 Z 8 und 9 FPG zu gelten habe.

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde - unter Einbeziehung der übernommenen Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid und ergänzender eigener Beweiswürdigung - einerseits im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG davon aus, dass der Beschwerdeführer mit B. V. ein gemeinsames Familienleben nie geführt, sondern die Ehe offensichtlich nur zu dem Zweck geschlossen habe, um fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligungen zu erlangen. Andererseits erachtete die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG für verwirklicht, weil der Beschwerdeführer bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten worden sei.

Dazu stellte die belangte Behörde sachverhaltsmäßig fest, der Beschwerdeführer sei am 3. April 2008 im Zuge einer Kontrolle der KIAB (Kontrolle Illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung, Finanzamt Waldviertel) bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung (Trockenbauarbeiten auf einer Baustelle in Mautern) betreten worden, wobei er eine Kopie seiner Heiratsurkunde vorgewiesen habe, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig geschieden gewesen sei. Weder zum damaligen Zeitpunkt noch aktuell habe der Beschwerdeführer über eine Bewilligung nach dem AuslBG verfügt, von dessen Anwendungsgebiet er auch nicht ausgenommen sei. Insbesondere komme ihm die (in seiner Stellungnahme ins Treffen geführte) Regelung des § 3 Abs. 7 AuslBG nicht zu Gute, weil er am 1. Jänner 2006 nicht beschäftigt gewesen sei und daher nicht von einem durchgehenden Arbeitsverhältnis bei dem gleichen Arbeitgeber gesprochen werden könne.

Das ergebe sich - so begründete die belangte Behörde weiter - aus der beim Arbeitsmarktservice gestellten Anfrage, welcher der Beschwerdeführer nichts entgegengesetzt habe. Vielmehr habe er hierauf lediglich ersucht, neuerlich anzufragen, ob er vom Anwendungsbereich des AuslBG aufgrund seiner Stellung als Familienangehöriger nach § 3 Abs. 8 AuslBG ausgenommen sei. Der Beschwerdeführer habe aber gar nicht dargelegt, welche Angehörigeneigenschaft ihm diese Stellung vermitteln solle, zumal er seit 23. August 2007 rechtskräftig geschieden sei und keine neue Eheschließung behauptet habe. Es sei somit nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer vom Anwendungsbereich des AuslBG im fraglichen Zeitpunkt und derzeit hätte ausgenommen sein sollen.

Unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, im Hinblick auf die bisherige Aufenthaltsdauer werde durch das Aufenthaltsverbot in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Das Bestehen eines Familienlebens habe hingegen nicht nachgewiesen werden können. In Bezug auf seine in Österreich aufhältige Schwester, von der er unterstützt werde, mit der er aber nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe, habe der Beschwerdeführer nämlich keine besondere Nahebeziehung oder ein Abhängigkeitsverhältnis behauptet. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich sei seit 2002 mangels Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtswidrig, weil der bloße Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung den Aufenthalt nicht legalisieren könne. Die aus der Berufstätigkeit ableitbare Integration sei überdies erheblich dadurch geschmälert, dass sie der Beschwerdeführer zuletzt mangels Berechtigung nach dem AuslBG rechtswidrig ausgeübt habe. Dies zeige, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Gesetze zu halten. Wenn der Beschwerdeführer auch strafrechtlich unbescholten geblieben sei, so stellten doch das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile sowie die Ausübung einer illegalen Beschäftigung eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Insgesamt sei daher vom Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Ausreise des Beschwerdeführers auszugehen.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein positiver Gesinnungswandel in Bezug auf die Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften (auf dem Gebiet des Fremden- und Einwanderungsrechts) erwartet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG (in der Fassung vor dem FrÄG 2011) kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 8 FPG (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 99/2006) hat als die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen. Nach § 60 Abs. 5 FPG (in der zuletzt genannten Fassung) kommt einer Betretung gemäß Abs. 2 Z 8 die Mitteilung einer Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG oder einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Unzulässigkeit der Beschäftigung nach dem AuslBG gleich, sofern der Fremde bei dieser Beschäftigung von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten worden ist.

Gemäß dem von der belangten Behörde auch herangezogenen Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG (ebenfalls in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006) hat als die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache auch zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Im Zentrum der Beschwerdeausführungen steht die Bekämpfung der behördlichen Annahme, der zuletzt zitierte Tatbestand sei erfüllt, wobei der Beschwerdeführer in erster Linie die Beweiswürdigung der belangten Behörde angreift und in diesem Zusammenhang Begründungs- und Ermittlungsmängel geltend macht. Die Berechtigung dieser Einwände kann allerdings auf sich beruhen.

Zu dem weiters herangezogenen Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG führt die Beschwerde nämlich nur ins Treffen, es werde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer seit 2001 in Österreich aufhältig und hier jahrelang berufstätig gewesen sei. Er sei nicht davon in Kenntnis gewesen, dass er bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes und nach erfolgter Scheidung nicht mehr arbeiten dürfe und eine Beschäftigungsbewilligung benötige. Da dem Beschwerdeführer vor dem 1. Jänner 2006 eine Beschäftigungsausübung möglich gewesen sei und er als Laie keine Kenntnis von der Änderung der Gesetze erlangt habe, sei ein derartiger Verstoß nicht so schwer zu gewichten, dass ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen werden müsse.

Die belangte Behörde hat im Zuge der Darstellung des Verfahrensganges - von der Beschwerde unbestritten - den Inhalt der Auskunft des Arbeitsmarktservice vom 17. Juli 2009 wiedergegeben, wonach nach der Scheidung der Ehe des Beschwerdeführers die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung beantragt worden sei. Der Aktenlage zufolge wurde dieser Antrag am 4. Jänner 2008 gestellt und am 4. Jänner 2009 abgelehnt. Vor diesem Hintergrund ist das Beschwerdevorbringen über die angebliche Unkenntnis des Beschwerdeführers von der Notwendigkeit einer Beschäftigungsbewilligung nicht nachvollziehbar. Vielmehr lässt auch das Verhalten des Beschwerdeführers bei der Betretung - Vorweisen der (nicht mehr aktuellen) Heiratsurkunde - auf die Kenntnis vom Fehlen einer erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung schließen. Im Übrigen ist aber in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass es auf den subjektiven Kenntnisstand schon deshalb nicht ankommt, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einem eine Beschäftigung in Österreich aufnehmenden Fremden verlangt werden muss, sich mit den hiefür einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen. Dabei genügte es auch nicht, sich auf die Auskunft des Arbeitgebers zu verlassen (siehe etwa zuletzt das Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0125, mwN).

Nach § 60 Abs. 6 FPG (in der Fassung vor dem FrÄG) "gilt" bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch der - nach seinem Wortlaut nur auf Ausweisungen abstellende - § 66 FPG. Demnach ist ein Aufenthaltsverbot, mit dem in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsverbot ist der Behörde überdies Ermessen eingeräumt.

Entgegen der Meinung in der Beschwerde ist die Beurteilung der belangten Behörde unter den erwähnten Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Sie hat nämlich sowohl auf die bisherige Aufenthaltsdauer, auf die dadurch bewirkte Integration des Beschwerdeführers als auch auf den Aufenthalt seiner Schwester in Österreich ausreichend Bedacht genommen. Soweit in der Beschwerde insoweit ein gemeinsamer Haushalt behauptet wird, widerspricht dies allerdings dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zufolge § 41 Abs. 1 VwGG bestehenden Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich.

Bei der Interessenabwägung durfte die belangte Behörde aber auch zu Recht darauf Bedacht nehmen, dass der Beschwerdeführer zunächst nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Visums unerlaubt in Österreich verblieb. Der Beschwerdeführer hat somit nicht nur aufenthaltsrechtliche Vorschriften missachtet, sondern durch seine Beschäftigungsausübung im April 2008 auch die arbeitsmarktrechtlichen Bedingungen nicht eingehalten. Vor diesem Hintergrund ist aber im Ergebnis die Annahme gerechtfertigt, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und einem geordneten Arbeitsmarkt nicht überwiegen. Es ist - anders als die Beschwerde meint - auch nicht zu sehen, dass im Hinblick auf die angeführten Umstände aus Ermessensgründen von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes hätte Abstand genommen werden müssen.

Soweit die Dauer des Aufenthaltsverbotes angesprochen wird, so legt die Beschwerde nicht dar, aufgrund welcher konkreten Umstände von einem Wegfall der Voraussetzungen zu einem früheren Zeitpunkt hätte ausgegangen werden müssen.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der Beschwerde schon aus den dargestellten Gründen keine Berechtigung zukommt und sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. September 2011

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