VwGH 2009/21/0170

VwGH2009/21/017020.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 5. Mai 2009, Zl. BMI-1014893/0002- II/3/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §63;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
ARB1/80;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §63;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Am 29. Jänner 2004 heiratete er in der Türkei die österreichische Staatsbürgerin G. Im Hinblick auf diese Ehe erhielt der Beschwerdeführer zunächst ein Visum D und dann eine bis 18. September 2005 gültige Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Seit November 2004 befindet er sich im Bundesgebiet.

Im August 2005 beantragte der Beschwerdeführer die Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung. Es wurden jedoch Scheineheerhebungen eingeleitet, die schließlich in der Erlassung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes, gestützt auf § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, mündeten. Die dagegen erhobene Berufung wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 5. Mai 2009 ab.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der bekämpfte Bescheid auf Basis der bei seiner Erlassung geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Soweit im Folgenden von Bestimmungen des FPG die Rede ist, wird daher auf die im Mai 2009 gültige Fassung Bezug genommen.

Der Beschwerdeführer ist Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, Zl. 2007/21/0256, mwH).

Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer den Aufenthaltsverbotstatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht habe, sodass ein Aufenthaltsverbot nach § 86 Abs. 1 FPG verhängt werden könne. Dem liegt beweiswürdigend im Wesentlichen zugrunde, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau G. im Zuge niederschriftlicher Einvernahmen vom 30. Juni 2006 widersprüchliche Angaben zum Kauf der Eheringe, zur Teilnehmer an der Hochzeitsfeier und zum Zeitpunkt einer zahnärztlichen Behandlung von G. erstattet hätten. Hauserhebungen hätten zudem ergeben, dass die Wohnungsnachbarn von G. an deren Adresse nur "einen älteren, weißbärtigen Mann" wahrgenommen hätten; der Beschwerdeführer selbst sei "auch nach Vorzeigen eines Fotos" von keiner Hauspartei erkannt worden. Zwar habe G. bei der Hauserhebung vom 18. März 2009 Dokumente und Kleidungsstücke des Beschwerdeführers vorweisen können; zu Schuhen befragt hätte sie jedoch angegeben, dass der Hund alle Schuhe zerbissen hätte und neue gekauft werden müssten. Demgegenüber seien die dann bei einer weiteren Erhebung am 25. März 2009 vorgezeigten Schuhe nicht neu gewesen.

Angesichts dieser für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe sprechenden Umstände seien die gegenteiligen Angaben des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde sinngemäß - als Schutzbehauptung zu qualifizieren. In Anbetracht der Wohnungsgröße (36 m2) erscheine auch die Aussage der an der Adresse der G. wohnhaften Zeugin K., es liege keine Scheinehe vor, unglaubwürdig. Die Behauptung von K., ihre Anwesenheit für drei Jahre in der (behaupteten) ehelichen Wohnung habe nicht gestört, widerspreche unter Beachtung der Größe der Wohnung der Lebenserfahrung.

Der Beschwerdeführer tritt diesen beweiswürdigenden Überlegungen entgegen. Er zeigt allerdings nichts auf, was die belangte Behörde zu anderen Tatsachenfeststellungen hätte gelangen lassen müssen, sondern beschränkt sich darauf, deren für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe ins Treffen geführte Argumente in Frage zu stellen. Dabei ist einzuräumen, dass jedem von der belangte Behörde herangezogenen Gesichtspunkt für sich betrachtet kein außergewöhnliches Gewicht zukommt; insbesondere die aufgezeigten Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau G. bei den niederschriftlichen Einvernahmen vom 30. Juni 2006 dürfen nicht überbewertet werden. Auch bei den Ergebnissen der Hauserhebungen ist, soweit sie auf die Angaben von Wohnungsnachbarn Bezug nehmen, ein großzügigerer Maßstab anzulegen. In Summe gesehen ergibt sich jedoch unter Beachtung der unstrittigen Wohnverhältnisse schon ein Bild, das die behördlichen Feststellungen nicht als unschlüssig erscheinen lässt. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden eingeschränkten Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Davon ausgehend und unter Bedachtnahme auf die eingangs dargestellte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Beurteilung, dass bezüglich des Beschwerdeführers die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Der dies in Abrede stellende Verweis des Beschwerdeführers auf das "EU-Türkei-Assoziierungsabkommen" geht schon deshalb fehl, weil der Erlangung einer Begünstigung nach dem erkennbar angesprochenen Beschluss Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB) die vom Beschwerdeführer eingegangene Aufenthaltsehe entgegensteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. August 2011, Zl. 2008/21/0635).

Gegen die - zutreffende - Beurteilung der belangten Behörde, dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot stehe auch § 66 FPG nicht entgegen, bringt der Beschwerdeführer nichts vor. Er wendet sich allerdings noch ergänzend dagegen, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren festgesetzt worden ist. Unter Bezugnahme auf strafgesetzliche Regelungen führt er aus, dass ihm "eine Probezeit von zehn Jahren … nicht bekannt" sei. Vor dem Hintergrund des § 63 FPG lässt sich aber auch mit diesem Vorbringen für den Beschwerdeführer nichts gewinnen. Seine Beschwerde war daher zusammenfassend gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 20. März 2012

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