VwGH 2009/21/0063

VwGH2009/21/006322.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des Q, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Jänner 2009, Zl. St 264/08, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §63 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §63 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Rückkehrverbot.

In ihrer Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer sei am 22. Februar 2007 illegal nach Österreich eingereist und habe noch am selben Tag einen "Asylantrag" gestellt. Dieser sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. Mai 2007 gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen worden. Weiters habe die Asylbehörde festgestellt, dass seine Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 8 AsylG 2005 zulässig sei, und habe die Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 verfügt. Dagegen habe der Beschwerdeführer fristgerecht Rechtsmittel erhoben. Das Asylverfahren sei im Status des Beschwerdeverfahrens beim Asylgerichtshof anhängig.

Zur Begründung des Rückkehrverbotes verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wels vom 18. September 2008 wegen des (teils als Beitragstäter gemäß § 12, dritter Fall StGB begangenen) Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG, des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden sei.

Er sei für schuldig befunden worden, in Attnang-Puchheim, Ried im Innkreis und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge anderen Personen überlassen bzw. zur Überlassung durch G. (seinen Bruder) beigetragen zu haben, und zwar im Zeitraum vom 9. März bis zum 3. Mai 2008 dadurch, dass er zumindest 4 g Kokain verkaufte sowie das im Tatzeitraum zu verkaufende Suchtgift portioniert und G. beim Suchtgifthandel unterstützt habe. Weiters habe er am 4. Mai 2008 in einer die Grenzmenge des § 28b SMG mehrfach übersteigenden Menge zumindest 574,4 g Kokain und zumindest 35,4 g Heroin mit dem Vorsatz erworben und bis zum 5. Mai 2008 besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.

Am 20. Juni 2008 habe er Revierinspektor S dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er in einer Haftverhandlung behauptet habe, S. hätte ihm während der polizeilichen Vernehmung eine Ohrfeige versetzt, ihn also einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach den §§ 15 Abs. 1, 83 Abs. 1 und 313 StGB, falsch verdächtigt, wobei er gewusst habe, dass diese Verdächtigung falsch sei.

Schließlich habe er am 27. Juni 2008 bei einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wels als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptung, Revierinspektor S. habe ihm während der polizeilichen Vernehmung eine Ohrfeige versetzt, falsch ausgesagt.

Im Hinblick auf diese Verurteilung sei der Tatbestand nach § 62 Abs. 1 und 2 FPG erfüllt. Auf Grund der besonders gefährlichen und sozialschädlichen Suchtgiftkriminalität, mit der der Beschwerdeführer schon kurz nach seiner Einreise nach Österreich begonnen habe, wäre die Maßnahme auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse unverhältnismäßig schwerer wiege als seine gegenläufigen privaten Interessen.

Der Beschwerdeführer sei am 10. Februar 1988 geboren, ledig und habe keine Sorgepflichten. Abgesehen von seinem in Österreich aufhältigen Bruder G., der sich jedoch in Untersuchungshaft befinde, habe er keine weiteren Familienangehörigen. In seiner Berufung habe er darauf hingewiesen, dass sich sein Onkel A. in Österreich aufhalte und dass er die deutsche Sprache gut verstehe. Der Beschwerdeführer sei einer Saisonbeschäftigung als Baumschularbeiter nachgegangen, wofür eine Kontingentbeschäftigungsbewilligung bis 19. Dezember 2008 vorgelegen habe.

Unter Berücksichtigung dieser Beschäftigung sowie des Aufenthaltes des Onkels und des Bruders in Österreich greife das Rückkehrverbot in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein. Auf Grund der relativ kurzen Dauer des Aufenthaltes könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass er "stärker" in Österreich integriert sei. Darüber hinaus befinde er sich "im Asylverfahren" und dürfe daher nicht damit rechnen, über die Dauer dieses Verfahrens hinaus in Österreich verbleiben zu dürfen. Nach Abwägung "aller oben angeführten Tatsachen" sei eine negative Zukunftsprognose geboten. Die nachteiligen Folgen von der Abstandnahme des Rückkehrverbotes wögen wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Rückkehrverbot sei somit auch zulässig im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG. Besondere Umstände, die eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers rechtfertigen könnten, seien aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Das Rückkehrverbot sei auf unbefristete Zeit zu verhängen gewesen, weil angesichts der kurz nach der Einreise begonnenen Straffälligkeit und der enorm hohen Wiederholungsgefahr bei Suchtmitteldelikten nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe, die zur Erlassung der Maßnahme geführt haben, wiederum wegfallen würden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

Die Auffassung der belangten Behörde, dass der die Erlassung eines Rückkehrverbotes ermöglichende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 iVm § 62 Abs. 2 FPG erfüllt sei, begegnet in Anbetracht der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt nachgesehenen zwölfmonatigen Freiheitsstrafe keinen Bedenken. Im Hinblick auf den kurz nach der Einreise in Österreich begonnenen Suchtmittelhandel sowie die dargestellte Verleumdung und falsche Beweisaussage kann der Auffassung der belangten Behörde, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Zu Recht wies die belangte Behörde auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtmittelkriminalität und auf die dieser innewohnende hohe Wiederholungsgefahr hin. Dass der Beschwerdeführer bei Beginn seiner Straftaten das 20. Lebensjahr erst knapp überschritten hatte und durch Zutun seines älteren Bruders (beide waren selbst nicht an Suchtmittel gewöhnt) in Kontakt mit der Drogenszene gekommen war, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2008/21/0503, mwN).

Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer nicht einmalig, sondern wiederholt und in erheblichen Umfang gegen die Bestimmungen des SMG verstoßen hat. Darüber hinaus hat er - wie eingangs dargestellt - weitere Straftaten begangen. Soweit die Beschwerde das Fehlen ausreichend konkretisierender Feststellungen über den Inhalt des genannten Strafurteils und die den Verurteilungen zu Grunde liegenden Verhaltensweisen rügt, ist dieser Vorwurf unter Berücksichtigung des dargestellten Inhaltes des angefochtenen Bescheides - ungeachtet der darin enthaltenen formalhaften Erwägungen - nicht nachvollziehbar.

Wenn der Beschwerdeführer auch auf sein Wohlverhalten nach erstmaliger Verspürung des Haftübels (seine Haft dauerte vom 5. Mai bis zum 27. Juni 2008 an) hinweist, ist dem zu entgegnen, dass die seit der Entlassung aus der Haft verstrichene Zeit noch nicht ausreicht, um auf einen Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit schließen zu können. Auch die - unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Haftzeit ausgesprochene - bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe fällt nach dem Inhalt des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG nicht entscheidend ins Gewicht. Im Übrigen ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unabhängig von strafgerichtlichen Erwägungen zur Strafbemessung bzw. der Gewährung einer bedingten Strafnachsicht ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2008/21/0600, mwN).

Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 62 Abs. 3 FPG ist ein Rückkehrverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 iVm § 62 Abs. 3 FPG darf ein Rückkehrverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes, das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.

Bereits die belangte Behörde hat zutreffend den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 22. Februar 2007 sowie Kontakte zu einem Onkel und dem (wenn auch inhaftierten) Bruder G. berücksichtigt. Auf Grund der wiederholten und erheblichen Delinquenz des Beschwerdeführers erweist sich dennoch das Rückkehrverbot im Grunde des § 66 FPG als gerechtfertigt, zumal der nicht lange inländische Aufenthalt in seinem Gewicht weiter deshalb zu relativieren ist, weil er zur Gänze auf der vorläufigen Stellung als Asylwerber beruht (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2008/21/0600).

Auch die in der Beschwerde hervorgehobene Möglichkeit des Beschwerdeführers, eine neue saisonale Berufstätigkeit als Baumschularbeiter zu erlangen, fällt in diesem Zusammenhang nicht entscheidend ins Gewicht.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, über ihn wäre in jedem Fall kein unbefristetes, sondern lediglich ein auf fünf Jahre befristetes Rückkehrverbot zu verhängen gewesen. Damit ist er jedoch darauf zu verweisen, dass ein Rückkehrverbot gemäß § 63 Abs. 1 FPG u.a. in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG unbefristet erlassen werden kann. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes ist gemäß § 63 Abs. 2 erster Satz FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der von der belangten Behörde zutreffend in den Vordergrund gerückten Schwere der beschriebenen Straftaten und vor allem der hohen Sozialschädlichkeit der Weitergabe von Heroin und Kokain kann der Beurteilung nicht entgegengetreten werden, es sei derzeit noch nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährlichkeit weggefallen sein werde.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Dezember 2009

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