Normen
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §56 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Oktober 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 sowie § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Geburt in Österreich aufhalte und über einen unbefristeten Niederlassungsnachweis verfüge.
Der Beschwerdeführer habe starke familiäre Bindungen in Österreich, weil seine Eltern und drei Brüder hier lebten. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Unmittelbar vor seiner Verhaftung sei der Beschwerdeführer ohne Beschäftigung gewesen; er weise jedoch Beschäftigungszeiten im Inland auf.
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - weise einige verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes sowie ein von der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) ausgesprochenes Waffenverbot auf.
Mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 28. Mai 2009 sei der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 14. und 15. März 2009 in W. gemeinsam mit einem Mittäter jeweils auf offener Straße zwei Personen unter Verwendung von Waffen EUR 800,-- bzw. EUR 400,-- geraubt habe, indem eine Gaspistole auf die Person gerichtet und die Herausgabe von Geld gefordert worden sei. Überdies habe der Beschwerdeführer in beiden Fällen brutale Gewalt angewendet, indem er einer Person den Pistolenknauf auf den Kopf geschlagen habe, wodurch diese eine stark blutende Wunde erlitten habe; der anderen Person habe der Beschwerdeführer einen Schlag ins Gesicht versetzt, wodurch diese eine Schwellung unter dem rechten Auge erlitten habe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmung des § 60 FPG - im Wesentlichen aus, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine besonders starke Gefährdung der öffentlichen Ordnung sowie der Gesundheit und des Eigentums anderer bewirkt habe, wodurch die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet werde, und dieses persönliche Verhalten zudem auch eine erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Dieses wiederholte, überaus gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers sei als derart gefährlich einzustufen, dass auch die Berücksichtigung der starken familiären und - gewisser - beruflicher Bindungen im Bundesgebiet sowie die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Geburt in Österreich aufhalte, keine günstigere Beurteilung zuließen.
Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das wiederholte strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt worden sei. Daher hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen jedenfalls in den Hintergrund zu treten.
Eine positive Verhaltensprognose sei für den Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Zeitpunktes der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme - in Hinblick auf seine gerichtliche Verurteilung und dem dieser zugrunde liegenden überaus gravierenden strafbaren Verhalten keinesfalls möglich, zumal seit der letzten Verurteilung erst ein kurzer Zeitraum verstrichen sei.
Eine Ermessensübung komme in Hinblick auf die §§ 55 Abs. 3 Z. 1 und 56 Abs. 2 Z. 1 FPG (Begehung von Verbrechen) nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von vornherein nicht in Betracht.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Aufgrund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FPG erfüllt.
1.2. Nach den in der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer am 14. und 15. März 2009 in W. gemeinsam mit einem Mittäter - jeweils auf offener Straße - zwei Personen unter Verwendung von Waffen EUR 800,-- bzw. EUR 400,-- geraubt, indem eine Gaspistole auf die Person gerichtet und die Herausgabe von Geld gefordert wurde. Überdies hat der Beschwerdeführer in beiden Fällen brutale Gewalt angewendet, indem er einer Person den Pistolenknauf auf den Kopf geschlagen hat, wodurch diese eine stark blutende Wunde erlitten hat; der anderen Person hat er einen Schlag ins Gesicht versetzt, wodurch diese eine Schwellung unter dem rechten Auge erlitten hat.
Aus diesem gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers resultiert eine schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0134, mwN). Daran vermag auch das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe als Ersttäter gehandelt, sich geständig verantwortet und sich dem Verfahren selbst gestellt, nichts zu ändern (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 14. Juni 2007, Zl. 2007/18/0006).
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, dass die belangte Behörde auch das Verhalten des Beschwerdeführers nach der Tat bzw. während des gegen ihn geführten Verfahrens hätte berücksichtigen müssen, ist dem zu entgegnen, dass bei Erlassung des angefochtenen Bescheides das geschilderte Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht so lange zurücklag, um einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können, zumal in Haft verbrachte Zeiten nicht als solche des Wohlverhaltens angesehen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. April 2009, Zl. 2007/18/0179).
Aus diesen Gründen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass angesichts des schwerwiegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.
1.3. Aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens (§ 56 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FPG) wären auch die auf den Beschwerdeführer allenfalls anzulegenden - gegenüber § 60 Abs. 1 FPG strengeren - Voraussetzungen des Gefährdungsmaßstabes nach § 56 Abs. 1 FPG erfüllt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2007/18/0537, mwN).
2.1. Die Beschwerde bekämpft auch die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung ausschließlich auf die strafgerichtliche Verurteilung konzentriert und die persönlichen, sozialen und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht entsprechend berücksichtigt habe. Zwar berücksichtige der angefochtene Bescheid, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet geboren und seit seiner Geburt durchgehend im Bundesgebiet aufhältig sei, doch werde diesem Umstand sowie der Tatsache, dass sich die gesamte Familie des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhalte, nicht das notwendige Gewicht beigemessen. Auch bestehe zum Heimatland keine wie auch immer geartete Beziehung mehr, und der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet auch die Handelsschule abgeschlossen.
2.2. Dem Beschwerdeführer gelingt es allerdings mit diesem Vorbringen nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Bei der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Interessenabwägung nach § 66 FPG (in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) hat die belangte Behörde den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Geburt (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG), seine starken familiären Bindungen zu seinen Eltern und drei Brüdern (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 2 FPG) sowie seine Beschäftigungszeiten im Inland (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 4 FPG) berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Der belangten Behörde ist auch darin beizupflichten, dass die aus seinem bisherigen inländischen Aufenthalt resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert wird (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0134, mwN).
Den dennoch schwerwiegenden privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinem weiteren Aufenthalt resultierende - wie oben unter II.1.2. ausgeführt - gravierende Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere des gewichtigen Interesses an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität, gegenüber.
Unter gehöriger Abwägung all dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit anderer) dringend geboten und somit im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, auch dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man dieser Abwägung das Beschwerdevorbringen zugrunde legte, dass der Beschwerdeführer keinerlei Beziehung zu seinem Heimatland unterhalte und im Bundesgebiet auch die Handelsschule abgeschlossen habe.
Aufgrund des Gesagten gehen auch die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel, insbesondere der Vorwurf, dass der angefochtene Bescheid mangelhaft begründet worden sei, ins Leere.
2.3. Auch mit seinem Hinweis auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen:
Der Verweis der Beschwerde auf das Urteil des EGMR vom 22. April 2004, Nr. 42703/98 (Radovanovic gegen Österreich), ist nicht zielführend, weil der EGMR in diesem Urteil der Tatsache, dass der größte Teil der über den Fremden verhängten Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen worden war und nur sechs Monate unbedingte Haft verhängt worden waren, besonderes Gewicht beigemessen hat. Der Fall ist daher mit dem des Beschwerdeführers, der zu einer unbedingten Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden ist, schon aus diesem Grund nicht vergleichbar (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, Zl. 2007/18/0469).
Auch der von der Beschwerde vorgenommene Vergleich mit dem Urteil des EGMR vom 23. Juni 2008, Nr. 1638/03 (Maslov gegen Österreich), ist nicht zielführend, weil es sich dort um ein Aufenthaltsverbot gegen einen minderjährigen Fremden gehandelt hat, der Vermögensdelikte begangen hatte, die - mit einer Ausnahme - nicht gewalttätiger Natur waren, während im vorliegenden Fall schwerwiegende Gewaltdelikte vorliegen, die der Beschwerdeführer im Alter von 19 Jahren unter Verwendung einer Waffe verübt hat (vgl. dazu wiederum das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009).
Auch im Urteil des EGMR vom 18. Februar 1991, Nr. 31/1989/191/291 (Moustaquim gegen Belgien), war von wesentlicher Bedeutung, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Straftaten als Jugendlicher begangen hat. Demgegenüber war der Beschwerdeführer bei Begehung der vorwiegenden (massiven) Straftaten bereits erwachsen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2001, Zl. 98/21/0339).
Ferner ist mit dem von der Beschwerde ins Treffen geführten Urteil des EGMR vom 21. Juni 1988, Nr. 3/1987/126/177 (Berrehab gegen die Niederlande), für ihren Standpunkt bereits deshalb nichts gewonnen, weil dem Beschwerdeführer Berrehab keine strafbaren Handlungen angelastet wurden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 2005, Zl. 2005/18/0576).
3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, zumal bereits aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers im Sinne des § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht im Sinne des Gesetzes gelegen wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0132, mwN).
4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 21. Jänner 2010
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