VwGH 2009/18/0147

VwGH2009/18/014722.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Höfrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S R in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. März 2009, Zl. E1/87234/2009, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
SMG 1997 §39;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2011:2009180147.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 13. Juli 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe, der am 15. Februar 2007 rechtskräftig abgewiesen, und die Ausweisung des Beschwerdeführers ausgesprochen worden sei.

Am 8. August 2008 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 5. Fall SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall sowie Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Nach dem Urteilsspruch hätten der Beschwerdeführer und ein Mittäter im Zeitraum von zumindest Februar bis Mai 2008 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken vorschriftswidrig mindestens 1,1 Gramm (richtig: Kilogramm) Heroin (brutto), somit eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigende Menge Suchtgift, nicht mehr feststellbaren Personen überlassen, sowie der Beschwerdeführer (allein) ab einem unbekannten Zeitpunkt bis Mitte Jänner 2008 Kokain in nicht mehr feststellbarer Menge erworben und besessen.

Der Beschwerdeführer weise unter anderem eine rechtskräftige verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung wegen des Lenkens eines KFZ ohne gültige Lenkerberechtigung (§ 1 Abs. 3 FSG) sowie eine weitere wegen Lenkens eines KFZ in alkoholisiertem Zustand auf. In beiden Fällen sei er zu einer Geldstrafe, im ersten Fall in Höhe von EUR 363,--, im zweiten Fall in Höhe von EUR 1.162,--, verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 2006 mit einer serbischen Staatsangehörigern verheiratet und lebe mit ihr in Wien. Er habe keine sonstigen familiären Bindungen in Österreich, keine Sorgepflichten und keine beruflichen Bindungen. Ungeachtet der rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisung im Jahr 2007 sei ihm eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "beschränkt" mit Gültigkeit bis 31. Jänner 2009 erteilten worden. Auf Grund eines diesbezüglich am 22. Dezember 2008 eingebrachten Verlängerungsantrags halte er sich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid mache der Beschwerdeführer unter anderem seine Ehe, den Umstand, dass er fließend Deutsch spreche und seine Drogenentzugstherapie (ab 19. August 2008), wofür ihm Strafaufschub gemäß § 39 SMG gewährt worden sei, geltend.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Verurteilung wegen eines Verbrechens nach dem SMG in Bezug auf eine die Grenzmenge des § 28b SMG mehrfach übersteigende Menge Suchtgift erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe durch den mindestens während drei Monaten durchgeführten Suchtgifthandel gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handle, verstoßen. Unter Berücksichtigung des strafbaren Verhaltens, das der Verurteilung zugrunde liege, bedeute der weitere inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich und überdies andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen, nämlich vor allem jene an der Verteidigung der Ordnung, der Gesundheit sowie der Verhinderung von strafbaren Handlungen, durch den Weiterverbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würden.

Auf Grund des noch nicht fünf Jahre dauernden Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seiner hier bestehenden familiären Bindungen müsse von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben ausgegangen werden. Trotzdem sei die Zulässigkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Grunde des § 66 FPG zu bejahen. Die geschilderte massive Delinquenz des Beschwerdeführers, die insbesondere aus dem fremdenpolizeilichen Blickwinkel zu beurteilen sei, verdeutliche seine Gefährlichkeit für die Gesundheit im Bundesgebiet aufhältiger Menschen und sein Unvermögen oder seinen Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten.

Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers ganz erheblich beeinträchtigt werde. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers hätten daher gegenüber den genannten und besonders hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Darüber hinaus sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration eines Fremden nicht rechtswidrig. Eine positive Verhaltensprognose könne für den Beschwerdeführer daher nicht getroffen werden.

Dem Vorbringen, der Beschwerdeführer unterziehe sich erfolgreich einer Drogenentzugstherapie, sei zu entgegnen, auch diese könne keine Gewähr dafür bieten, dass er nicht erneut mit Suchtgiften handeln werde. Wegen des seit den besagten Straftaten verstrichenen kurzen Zeitraumes könne die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte nicht als weggefallen oder auch nur entscheidend gemindert angenommen werden. Es sei nicht vorgebracht, geschweige denn glaubhaft gemacht worden, dass eine Drogenentzugstherapie, die nun ohnedies schon ca. sieben Monate andauere, nicht auch im Heimatland des Beschwerdeführers möglich wäre.

Bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung des Fremden im Sinn des § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG 2005 bestehe für die Behörde keine Veranlassung, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 60 Abs. 1 FPG von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen. Eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes würde diesfalls offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

In der Beschwerde blieb die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 8. August 2008 begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.

Auf Grund des dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers geht von diesem eine erhebliche Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt und der erfahrungsgemäß eine besonders hohe Wiederholungsgefahr innewohnt, aus. Die von ihm in Verkehr gebrachte Menge Suchtgift übersteigt die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach und ist somit geeignet, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass dem Beschwerdeführer ein Strafaufschub gemäß § 39 SMG gewährt wurde. Erst eine erfolgreiche Therapie und ein längeres Wohlverhalten könnten zu einer Minderung bzw. zu einem Wegfall der Gefährdung führen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2011, Zl. 2011/22/0072, mwN). Entgegen der Beschwerdeansicht ist dem Urteil auch nicht zu entnehmen, der Beschwerdeführer habe "eine äußerst untergeordnete Rolle" gespielt. Angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtmittelkriminalität hegt der Gerichtshof somit keine Bedenken gegen die behördliche Ansicht, dass die Prognose nach § 60 Abs. 1 FPG zutrifft.

Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch unter dem Blickwinkel des Ermessens bzw. der Interessenabwägung und bringt diesbezüglich vor, die belangte Behörde habe das berufliche Weiterkommen des Beschwerdeführers, den Eingriff in sein Privat- und Familienleben sowie die Bindungen im Bundesgebiet (mehrjähriger Aufenthalt) und seine in Österreich lebende Ehefrau nicht in ausreichendem Maß berücksichtigt. Es liege kein "zwingendes soziales Bedürfnis" zur Erreichung zumindest eines der im Art. 8 EMRK genannten Ziele vor. Die belangte Behörde habe auch keine Ermittlungen in Bezug auf private oder familiäre Interessen des Beschwerdeführers durchgeführt, und den Beschwerdeführer auch nicht darauf hingewiesen, ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten bzw. sein Vorbringen diesbezüglich zu konkretisieren (Verletzung der Manuduktionspflicht). Ein Ermessensfehler werde auch in einer mangelhaften Begründung der rechtlichen Beurteilung erblickt.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine relevanten Umstände auf, die die belangte Behörde nicht bereits berücksichtigt hätte. Dass die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer über keine beruflichen Bindungen verfüge, unrichtig seien, wurde nicht vorgebracht. Insofern ist unklar, welches "berufliche Weiterkommen" die belangte Behörde berücksichtigen hätte sollen.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich steht jedoch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten der hier in Rede stehenden Art gegenüber. Angesichts der schon im Rahmen der Überlegungen zur Gefährlichkeitsprognose erwähnten Umstände ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem Interesse des Beschwerdeführers kein höheres Gewicht beigemessen hat als dem genannten gegenläufigen öffentlichen Interesse. Eine allfällige Trennung von seiner Ehefrau sowie die mit einer Wiedereingliederung in sein Heimatland verbundenen Schwierigkeiten hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Dass die Fortsetzung des Familienlebens in seinem Heimatland nicht möglich wäre, hat der Beschwerdeführer im Übrigen nicht behauptet.

Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Manuduktionspflicht geht - abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren rechtsfreundlich vertreten war - nicht so weit, dass die Behörde verpflichtet wäre, den Parteien Anweisungen zu geben, wie sie ihr Vorbringen zu gestalten haben, um einen von ihnen angestrebten Erfolg zu erreichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0213, mwN).

Der Vorwurf der mangelnden Sachverhaltsermittlung führt schon deshalb nicht zum Erfolg, weil in der Beschwerde nicht ausgeführt wird, welche konkreten Umstände bei solchen Ermittlungen zutage getreten wären, die die Behörde zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis hätten führen können, weshalb die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wurde.

Ferner ist auch der weitere Beschwerdevorwurf, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, nicht berechtigt.

Soweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe das ihr zustehende Ermessen nicht im Rahmen des Gesetzes ausgeübt, ist ihr entgegenzuhalten, dass bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden - wie hier - wegen einer in § 55 Abs. 3 FPG genannten strafbaren Handlung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes gelegen wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2010/21/0454, mwN).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. September 2011

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