VwGH 2011/22/0072

VwGH2011/22/007231.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 22. November 2010, Zl. E1/16718/10, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §56 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. November 2010 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und 2, § 61 Z 3 und 4, § 63 und § 66 FPG iVm § 56 Abs. 2 Z 1 FPG ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde unter detaillierter Darstellung der strafbaren Handlungen auf folgende rechtskräftige Verurteilungen des Beschwerdeführers:

1. Vom 28. Jänner 2009 wegen Suchtgifthandels und unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 28a Abs. 3 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

2. Vom 7. Juli 2009 wegen unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe.

3. Vom 30. Juli 2009 wegen versuchten Diebstahls zu einer Geldstrafe.

4. Vom 20. Jänner 2010 unter Bedachtnahme auf die letzte Verurteilung zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer in insgesamt 15 Tathandlungen teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahl durch Einbruch begangen habe. Weiters habe er eine Sache nach § 135 Abs. 1 StGB dauernd entzogen, in der Zeit zwischen 14. Februar 2009 und 29. Juli 2009 mit Suchtgift gehandelt und in der Zeit vom 4. Juli 2009 bis 29. Juli 2009 vorschriftswidrig Suchtgift besessen.

5. Vom 17. Mai 2010 wegen teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls in insgesamt 25 Fällen zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten.

Weiters sei der Beschwerdeführer wegen verschiedener Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass die Tatbestände des § 60 Abs. 2 Z 1 und Z 2 FPG erfüllt seien und dass nach § 60 Abs. 1 FPG die Annahme gerechtfertigt sei, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, insbesondere an der Verhinderung strafbarer Handlungen, zuwiderlaufe. Auch wenn sich der Beschwerdeführer in Therapie befinde, müsse er erst zukünftig zeigen, dass er sich längere Zeit wohlverhalten könne. Auf Grund der massiven Delinquenz könne derzeit keine positive Zukunftsprognose gestellt werden.

Da der Beschwerdeführer über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfüge, sei zu prüfen, ob bei der Gefährdungsprognose der erhöhte Maßstab des § 56 FPG zur Anwendung zu bringen sei. Auch nach diesem Maßstab sei die fremdenpolizeiliche Maßnahme zulässig.

Der Beschwerdeführer sei in Bosnien-Herzegowina geboren worden und habe sich dort bis zu seinem dritten Lebensjahr aufgehalten. Angeblich sei er in seinem dritten Lebensjahr kurz nach Österreich gekommen und dann endgültig im vierten Lebensjahr nach Österreich gezogen. Nach Absolvierung der Pflichtschule habe der Beschwerdeführer eine Lehre als Speditionskaufmann absolviert und anschließend bis Ende August 2008 als Speditionskaufmann gearbeitet. Seit Ende August 2008 gehe er keiner geregelten Erwerbstätigkeit mehr nach und lebe von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Der Beschwerdeführer sei ledig; in Österreich lebten noch seine Eltern und "diverse Geschwister".

Der Tatbestand des § 61 Z 4 FPG komme auf den Beschwerdeführer schon deswegen nicht zur Anwendung, weil er zu einer mehr als zweijährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer sei mit seiner Heimatsprache serbokroatisch vertraut und beherrsche diese Sprache.

Der Beschwerdeführer habe keinen Respekt vor dem Eigentum anderer und habe überdies schwere Suchtmitteldelikte begangen. Es bestehe ein schwerwiegendes öffentliches Interesse an der Bekämpfung der Suchtmittelkriminalität. Der Beschwerdeführer habe nicht nur Drogen erworben und zum Eigenkonsum geschmuggelt, sondern auch Suchtgift an andere verkauft.

Die aus seinem langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt ableitbare Integration sei durch die vielfach begangenen Straftaten gemindert und habe durch die langjährige Arbeitslosigkeit gelitten. Als 25-jähriger sei der Beschwerdeführer nicht mehr auf den direkten Kontakt zu seinen Eltern angewiesen. Unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der gegenläufigen Interessen dränge das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse, einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu untersagen, dessen persönliches und familiäres Interesse an einem Verbleib in Österreich in den Hintergrund. Die Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes von zehn auf drei Jahre erfolge wegen des noch relativ jungen Alters des Beschwerdeführers und des Umstandes, dass er bis zum Jahr 2007 unbescholten gelebt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Ohne weitere Ausführungen bringt der Beschwerdeführer vor, es hätte nicht die Sicherheitsdirektion über die Berufung entscheiden dürfen, sondern der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg. Dieses nicht näher konkretisierte Vorbringen ist nicht nachvollziehbar. Nur im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen entscheiden gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern. Dass der Beschwerdeführer eine dieser Voraussetzungen erfüllen würde, wird nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen. Somit hegt der Gerichtshof keine Bedenken gegen die aus den behördlichen Feststellungen abgeleitete Beurteilung, dass der Tatbestand jedenfalls des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei. Ebenso zutreffend wandte die belangte Behörde den erhöhten Gefährdungsmaßstab des § 56 FPG an und verneinte das Vorliegen einer Aufenthaltsverfestigung. Auch die Annahme, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde (§ 56 Abs. 1 FPG), ist angesichts der gravierenden Eigentums- und Suchtmittelkriminalität des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden.

Daran ändert der behauptete Strafaufschub zur Absolvierung einer Suchtmitteltherapie nichts. Erst eine erfolgreiche Therapie und ein längeres Wohlverhalten könnten zu einer Minderung bzw. zu einem Entfall der Gefährdungsprognose führen (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2009, 2008/22/0932).

Letztlich kann auch die behördliche Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer kann zwar auf einen langen inländischen Aufenthalt verweisen, seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich sind aber nicht so ausgeprägt, dass sie das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung von Eigentums- und Suchtmittelkriminalität in den Hintergrund drängen könnten. Der Beschwerdeführer ist nämlich am inländischen Arbeitsmarkt nicht mehr integriert, er ist ledig, verfügt somit nicht über eine eigene Kernfamilie, und befindet sich in einem Alter, in dem er nicht mehr auf das Zusammenleben mit den Eltern angewiesen ist. Er bestreitet auch nicht, dass er die Sprache seines Heimatlandes beherrscht. Er bringt auch nicht vor, dass ihm die Fortsetzung der Drogentherapie im Heimatland nicht möglich wäre. Die Behauptung, dass er "seit heuer" wieder als Speditionskaufmann tätig sei, konnte die belangte Behörde bei dem im Jahr 2010 erlassenen angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 31. Mai 2011

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