Normen
FamLAG 1967 §8 Abs6;
FamLAG 1967 §8 Abs6;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 10. März 1956 geborene Beschwerdeführer beantragte am 26. Jänner 2009 die Gewährung erhöhter Familienbeihilfe rückwirkend seit Februar 2004 und führte an, seit 1982 Pflegegeld der Stufe 4 zu beziehen.
Ein in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenes fachärztliches Sachverständigengutachten vom 3. April 2009 auf Grund einer Untersuchung des Beschwerdeführers am 27. März 2009 im Bundessozialamt Wien hat folgenden Wortlaut:
"Anamnese:
mit 13J schlechtes Sehen bds, im X KH juvenile Maculadeg bds festgestellt Infusionsth alle6Mo trotzdem zunehmende Sehverschlechterung 1982 HH Verätzung li verträgt keine KL trägt eine Lichtschutzbrille ist prakt blind
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):
Keine
Untersuchungsbefund:
Visus re sc Handbewegung li sc Handbewegung Gl b n Beide
Augen VBA HH Narbe li Keratokonus bds Linse klar Fundi Pap myop
blasser trockene Maculadeg bds Strab diverg li
Status psychicus/Entwicklungsstand:
unauffällig
Relevante vorgelegte Befunde:
2009-03-30 DR Z Visus bds Handbewegung G b n Dg HH Narbe li Amaurose li
Opticusatrophie bds trockene Maculadeg bds Strab diverg li
1985-02-18 DR R
Visus re -1, 0sph 6/36(0,2) li -5, 0sph -1, 5cy1140 6/60(0,1) reJg3 li Jg4
HH Narbe li Fd juvenile Maculadeg Bef X KH 1984 Visus re corr
6/24(0,3) li corr 3/36(0,1)
1992-05-12 BSA
Visus bds 3/60(0,05) Fd Maculadeg
Diagnose(n):
juvenile degenerative Entartung der Netzhautmitte beidse
Richtsatzposition: | 637 Gdb: 100% | ICD: H53.9 |
Rahmensatzbegründung:
its, Keratokonus beidseits, Hornhautnarbe links Sehverminderung auf Handbewegung beidseits Tabelle Kolonne8 zeile8
Gesamtgrad der Behinderung: 100 vH voraussichtlich mehr als
3 Jahre anhaltend.
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand. Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades
d. Behinderung ist ab 1992-05-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich. Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
lt vorliegenden Befunden liegt Erwerbsunfähigkeit ab5/92 vor
(1984 betrug die Sehleistung re30% li 10% = GdB 50%)
erstellt am 2009-04-03 von S |
Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie |
zugestimmt am 2009-04-06
Leitender Arzt: FW"
Das Finanzamt wies den Antrag des Beschwerdeführers mit
Bescheid vom 6. Mai 2009 ab.
Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, das Bundessozialamt habe bestätigt, dass er zu 100 % behindert und dauernd erwerbsunfähig sei.
Ein in den vorgelegten Verwaltungskaten enthaltenes fachärztliches Sachverständigengutachten auf Grund einer Untersuchung in der Ordination am 18. Juni 2009 weist folgenden Wortlaut auf:
"Anamnese:
Kommt mit Blindenstock u. Begleitung. Im 25.LJ. Blindenbeihilfe bekommen, hat sich früher nicht gekümmert, als Kind im Heim aufgewachsen, hat nur Hilfsdienste für pharmazeutische Firma gemacht. Ist immer wieder entlassen worden, weil so schlecht gesehen hat. 1982 Diagnose im X-KH:
Maculapathie u. Keratokonus beidseits - kein Befund vorliegend. Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):
---
Untersuchungsbefund:
Visus: R: -2,25 sph = +1,5 cyl 140 Grad . L: -11,5 sph =
+2,87 cyl, 104 Grad
Handbewegungen. Vorderer Abschnitt: Hornhaut u. Linse beidseits axial klar.
Fundi: Sehnervscheibe bds. blass, zentrale trockene
Makuladystrophie.
STellung: Strabismus divergens links.
Status psychicus/Entwicklungsstand:
unauffällig
Relevante vorgelegte Befunde:
2009-03-30 UNIV.PROF.Z, FA.F.AUGENHEILKUNDE
Hornhautnarbe links, Amaurose links, Opticusatrophie bds.,
Strabismus divergens links, trockene Maculadegeneration bds., fere
Amaurose rechts.
2009-03-16 DR.S, FA.F.AUGENHEILKUNDE
Keratokonus beidseitig, Macula corneae linkes Auge, juvenile
Maculopathie beidseitig
Diagnose(n):
Blindheit wegen juveniler erblich bedingter Entartung d.
Richtsatzposition: | 637 Gdb: 100% | ICD: H53.9 |
Rahmensatzbegründung:
Netzhautmitte. Tabelle Kolonne 8/Zeile 8.
Gesamtgrad der Behinderung: 100 vH voraussichtlich mehr als
3 Jahre anhaltend.
Aufgrund der vorgelegten Befunde früher (Dr. R 18.2.85) ist bewiesen, dass das Sehvermögen zu diesem Zeitpunkt noch 0,3/30% rechts und 0,1/10% links war.
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand. Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades
d. Behinderung ist ab 1992-12-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich. Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Dieses Sehvermögen ist nicht ausreichend schlecht, um eine Erwerbsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt zuzuerkennen. Hr.S war damals 29 Jahre alt. Die Erwerbsunfähigkeit liegt aufgrund
d. Befunde u.Untersuchung, seit 5.12.1992
erstellt am 2009-07-02 von S |
Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie |
zugestimmt am 2009-07-03
Leitender Arzt: F"
Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. Juli 2009 wies das Finanzamt die Berufung mit der Begründung ab, dass auch im neuerlichen Gutachten des Bundessozialamtes vom 3. Juli 2009 nur eine rückwirkende Behinderung ab 1. Dezember 1992 festgestellt worden sei.
Im dagegen erhobenen Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer aus, er lege zwei ärztliche Gutachten bei, wobei in einem enthalten sei, dass er sein Leiden seit seinem 13. Lebensjahr habe.
In den vorgelegten Verwaltungsakten liegt ein Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 6. November 1984, mit welchem dem Beschwerdeführer ab 1. November 1984 eine Beihilfe für schwerst Sehbehinderte gewährt wurde. Weiters liegt in den Akten ein Arztbrief der Krankenanstalt R, Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin, vom 24. Februar 2005, in welchem als Anamnese eine "Cervicobrachialgie" und als Nebenbefund "Maculopathie und Keratokonus seit 1980" festgehalten wird.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und rechtlichen Ausführungen hielt die belangte Behörde fest, aus den angeführten Gutachten gehe hervor, dass der Beschwerdeführer bereits im jugendlichen Alter an den diagnostizierten Krankheiten "Makulopathie" und "Keratokonus" gelitten habe. Diese hätten im weiteren Verlauf zu einer zunehmenden Verschlechterung des Sehvermögens geführt, sodass im Gutachten Dris. R aus dem Jahr 1985, das Bestandteil der Gutachten vom 4. Juni und vom 3. Juli 2009 sei, nur mehr eine Sehleistung rechts von 30 % und links von 10 % festgestellt worden sei. Dennoch sei dieser Gutachter zu dem Schluss gekommen, dass keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege. An ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes sei die belangte Behörde grundsätzlich gebunden. Andere Nachweise, dass der Beschwerdeführer bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (also vor dem 10. März 1977) an einer Behinderung gelitten hätte, auf Grund derer er außerstande gewesen wäre, sich den Lebensunterhalt zu verschaffen, seien nicht erbracht worden. Die vom Magistrat der Stadt Wien gewährte Beihilfe für schwerst Sehbehinderte sei erst im Jahr 1984 gewährt worden (also im 28. Lebensjahr des Beschwerdeführers) und sage nichts über den Grad der Behinderung und die Art der Erkrankung aus. Auch die Anamnese im Arztbrief der Krankenanstalt R vom 24. Februar 2005 erwähne eine "Makulopathie" und einen "Keratokonus" seit 1980 und beziehe sich auf einen Zeitraum nach Vollendung des 21. Lebensjahres.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht auf Gewährung erhöhter Familienbeihilfe verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c des Familienlastenausgleichsgesetzes -
FLAG in der im Beschwerdefall noch maßgebenden Stammfassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG in der im Beschwerdefall noch maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 269/1980 haben volljährige Vollwaisen bei Vorliegen in § 6 Abs. 1 leg.cit. umschriebener Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
Hier allein strittig ist die Frage, ob der Beschwerdeführer wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dazu ist davon auszugehen, dass sowohl im Falle der Familienbeihilfe für ein Kind nach § 2 Abs. 1 lit. c FLAG wie auch im Falle eines Eigenanspruches einer Vollwaise nach § 6 Abs. 2 lit. d oder eines Eigenanspruches nach § 6 Abs. 5 leg. cit. dieses Tatbestandselement gleichermaßen formuliert ist.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtliche dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer im Streitzeitraum ab Februar 2004 wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Strittig ist im Beschwerdefall, ob diese körperliche oder geistige Behinderung des Beschwerdeführers vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 27. Lebensjahres) eingetreten ist.
Bei der Antwort auf diese Frage war die belangte Behörde an die den Bescheinigungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und durfte diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. September 2011, Zl. 2011/16/0063, mwN).
Die belangte Behörde stützt sich dementsprechend auf die zwei in den vorliegenden Verwaltungsakten einliegende, vom Bundessozialamt eingeholte Gutachten, welche dem Beschwerdeführer übereinstimmend bescheinigen, im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung voraussichtlich dauernd unfähig zu sein, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, dies jedoch auf eine körperliche Behinderung zurückführen, welche erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.
Dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des in den Gutachtern angenommenen Eintritts der erwähnten körperlichen Behinderung in einer Berufsausbildung gestanden wäre, behauptet der Beschwerdeführer nicht.
Gegen die vom Beschwerdeführer als verfassungswidrig gesehene Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen, hat der Verfassungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 10. Dezember 2007, B 700/07, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen. Auch der Verwaltungsgerichtshof teilt die Bedenken des Beschwerdeführers nicht.
Dass der Beschwerdeführer mit den von ihm erwähnten Möglichkeiten, etwa durch ein Privatgutachten, Röntgenbilder, chemische Analysen oder ähnliches allenfalls die Schlüssigkeit der vom Bundessozialamt eingeholten Gutachten ohnehin widerlegen könnte, entspricht der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom 29. September 2011, Zl. 2011/16/0063, mwN). Dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren damit diese Schlüssigkeit bekämpft hätte, behauptet er auch in der Beschwerde nicht.
Die vom Beschwerdeführer erwähnte genetisch bedingte Augenerkrankung, an welcher er seit Geburt leide und welche in einem Gutachten Dris. S. vom 16. März 2009 festgestellt worden sei, wurde auch in dem vom Bundessozialamt eingeholten Gutachten vom 2. Juli 2009, auf welches sich die belangte Behörde stützt, berücksichtigt. Ausdrücklich wird das Gutachten Dris. S. vom 16. März 2009 unter den relevanten vorgelegten Befunden auch zitiert. Allerdings kommt die Gutachterin des Bundessozialamtes wie die Vorgutachterin eben zum Ergebnis, dass die durch diese Erkrankung bis Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene Behinderung mit ihrem damals erreichten Grad nicht dazu geführt hatte, dass der Beschwerdeführer voraussichtlich dauernd außerstande wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, den Gutachtern wäre nicht aufgetragen worden, den Gesundheitszustand vor Vollendung seines 21. Lebensjahres zu beurteilen, ist entgegenzuhalten, dass die Gutachten ausdrücklich anführen, die unstrittigen Erkrankungen des Beschwerdeführers, die sich im Lauf der Jahre verschlechtert hatten, führten noch im Jahr 1985 nicht dazu, dem Beschwerdeführer eine Erwerbsunfähigkeit zu bescheinigen, und diese sei auf Grund der Befunde und Untersuchungen erst seit 1992 gegeben.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 22. Dezember 2011
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