Keine Familienbeihilfe, wenn lt. Gutachten des BSB die Behinderung nicht vor dem 21. LJ eingetreten ist.
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/16/0307 eingebracht. Mit Erk. v. 22.12.2011 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., W., S.straße, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Februar 2004 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) beantragte am 26.1.2009 die Gewährung von Familienbeihilfe ab Februar 2004.
Am 27.3.2009 erfolgte eine Untersuchung im Bundessozialamt Wien. Im daraufhin erstellten Sachverständigengutachten vom 6.4.2009 wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 100% festgestellt. Weiters sei eine rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung auf Grund der vorgelegten Befunde vom 18.2.1985 und vom 12.5.1992 bis 1.5.1992 möglich. Demnach habe die Sehleistung 1984 rechts 30 % und links 10 % betragen, was einem Grad der Behinderung von 50% entsprochen habe. Als Diagnose wurde eine juvenile Entartung der Netzhautmitte (Makuladegeneration) beidseits sowie ein Keratokonus (Hornhautverkrümmung) festgestellt. Lt. Anamnese sei bereits mit 13 Jahren beidseits schlechtes Sehen aufgetreten. 1982 sei eine Behandlung im Hanuschkrankenhaus erfolgt.
Mit Bescheid vom 6.5.2009 wurde der Antrag mit Verweis auf die gesetzliche Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG abgewiesen. Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 11.5.2009 berufen und auf die vom Bundessozialamt festgestellte Invalidität von 100 % verwiesen.
Am 3.7.2009 erfolgte nach einem Besuch in der Ordination von Dr. Wolfgang F. eine neuerliche Gutachtenerstellung. Festgestellt wurde eine dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab 1.12.1992. Bezug genommen wurde auf ein Gutachten von Dr. R. vom 18.2.1985. Damals sei ein Sehvermögen rechts von 30 % und links von 10 % festgestellt worden und sei der Gutachter zu dem Schluss gekommen, dass das Sehvermögen nicht ausreichend schlecht sei, um eine Erwerbsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt zuzuerkennen. Im Jahr 1982 sei im Hanuschkrankenhaus die Diagnose Makulopathie und Keratokonus gestellt worden.
Festgehalten wurde weiters, dass der Bw. im 25. Lebensjahr Blindenbeihilfe bezogen habe.
Nachdem die Berufung mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen worden war, stellte der Bw. mit Schriftsatz vom 28.7.2009 den Vorlageantrag. Beigelegt wurde der Bescheid der MA 12 bezüglich Gewährung einer Beihilfe für schwerst Sehbehinderte ab dem 1.11.1984.
Am 7.9.2009 wurde ein Therapievorschlag der Anästhesie-und Schmerzambulanz der Krankenanstalt Rudolfstiftung wegen chronischer Schmerzen von der Halswirbelsäule in den Schulter- und Armbereich ausstrahlend, übermittelt, in dem unter dem Punkt "Anamnese" auch "Makulopathie und Keratokonus seit 1980" angegeben wird.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG (Familienlastenausgleichsgesetz) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich außerstande ist sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit muss ab 1. Jänner 2003 gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen bescheinigt werden. Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen.
Die ärztliche Bescheinigung bildet jedenfalls die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen.
Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass der Bw. wegen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dies wurde sowohl im Gutachten vom 6.4.2009 als auch in jenem vom 3.7.2009 dokumentiert, worin ein Grad der Behinderung von 100 % und eine dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend mit 1.12.1992 festgestellt wurde.
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die Behinderung im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist.
Der Bw. ist 1956 geboren. Er hat somit 1977 das 21. Lebensjahr vollendet.
Aus den angeführten Gutachten geht hervor, dass der Bw. bereits im jugendlichen Alter an den dort diagnostizierten Krankheiten Makulopathie und Keratokonus litt. Diese führten auch im weiteren Verlauf zu einer zunehmenden Verschlechterung des Sehvermögens, sodass das Gutachten von Dr. R. aus dem Jahr 1985, in dem der Bw. das 29. Lebensjahr vollendete und das Bestandteil der Gutachten vom 4.6.2009 und vom 3.7.2009 ist, nurmehr eine Sehleistung rechts von 30 % und links von 10 % feststellte. Dennoch kam dieser Gutachter zu dem Schluss, dass keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege.
Wie bereits ausgeführt, ist auch der Unabhängige Finanzsenat auf Grund der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift des § 8 Abs. 6 FLAG grundsätzlich an ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes gebunden. Andere Nachweise, dass der Bw. bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres, also vor 1977 an einer Behinderung gelitten hätte, auf Grund derer er außer Stande sei sich den Lebensunterhalt zu verschaffen, wurden nicht erbracht. Die von der MA 12 gewährte Beihilfe für schwerst Sehbehinderte wurde im Jahr 1984 gewährt, also im 28. Lebensjahr und sagt überdies nichts über den Grad der Behinderung und die Art der Erkrankung aus. Auch die Anamnese im Therapievorschlag vom 24.2.2005 der Krankenanstalt Rudolfstiftung, wonach Makulopathie und Keratokonus seit 1980 bestünden, bezieht sich auf einen Zeitraum nach Vollendung des 21. Lebensjahres.
Zu erwähnen bleibt, dass das Gutachten vom 6.4.2009 eine rückwirkende Feststellung der dauernden Erwerbsunfähigkeit ab 1.5.1992 feststellt, das Gutachten vom 3.7.2009 hingegen ab 1.12.1992. Dies ist allerdings nur die Folge der fehlerhaften Übernahme eines Datums aus dem Erstbefund, nämlich "5.12." statt "12.5.".Dies ist aber im gegenständlichen Fall irrelevant, weil der Bw. jedenfalls im Jahr 1992 bereits das 35. Lebensjahr vollendet hat.
Da der Unabhängige Finanzsenat somit keine rechtliche Möglichkeit hat, von den Feststellungen der Gutachten des Bundessozialamtes abzugehen, muss daraus zwingend der Schluss gezogen werden, dass die zweifellos nunmehr bestehende dauernde Erwerbsunfähigkeit auf Grund eines Grades der Behinderung von 100 % nicht schon vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist. Familienbeihilfe steht daher nicht zu.
Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.
Wien, am 21. September 2009
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |