VwGH 2009/16/0187

VwGH2009/16/01879.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des S-D in W, vertreten durch die WWV Partner SteuerberatungsGmbH in 3943 Schrems, Schulgasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 29. Juni 2009, GZ. RV/0983-W/09, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 51,50 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2003 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer zur Haftung nach §§ 9 und 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten (Umsatzsteuer für einzelne Monate des Jahres 2001) der M. GesmbH heran, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer gewesen sei.

Dieser Bescheid wurde nach zwei erfolglosen Zustellversuchen an der Anschrift W, B.-Gasse, am 18. und 19. Dezember 2003 beim Postamt W hinterlegt. Am Rückschein wurde der Vermerk über den Beginn der Abholfrist am 22. Dezember 2003 angebracht.

Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2004 berief der Beschwerdeführer dagegen, ohne etwas zur Rechtzeitigkeit der Berufung auszuführen. Im Berufungsschriftsatz gab der Beschwerdeführer die Anschrift W, B.-Gasse, als Wohnanschrift an.

In dem vor der belangten Behörde am 10. März 2009 durchgeführten Erörterungsgespräch (§ 279 Abs. 3 BAO) erklärte der Beschwerdeführer auf die Frage der Referentin, weshalb die Berufung gegen den Haftungsbescheid erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht worden sei, dass er die Berufung rechtzeitig erhoben hätte, weil er mangels ständigen Aufenthalts an der Anschrift W, B.-Gasse, die Verständigung über die Hinterlegung erst drei Wochen später vorgefunden hätte. Diese Anschrift wäre nur eine Notwohnung ohne Warmwasser, die er nur ungern aufsuche. Er wohne lieber bei seiner Freundin oder übernachte auch hin und wieder "in der Firma". Der Beschwerdeführer ersuche, hinkünftig die Zustellungen an die Firmenanschrift der G. GesmbH in W vornehmen zu wollen.

Die belangte Behörde holte eine Auskunft aus dem zentralen Melderegister vom 31. März 2009 ein, woraus ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer seit 11. März 2003 mit dem Hauptwohnsitz an der Anschrift W, B.-Gasse, gemeldet war. Weiters ermittelte die belangte Behörde, dass im Lohnzettel der T. GesmbH für den Zeitraum 2003 und 2004 der Beschwerdeführer mit der Anschrift in W, B.-Gasse, aufscheint.

Mit Vorhalt vom 1. April 2009 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Bekanntgabe, wo er im Zeitraum ab der Hinterlegung des Haftungsbescheides am 22. Dezember 2003 bis zur Einbringung der Berufung am 1. Februar 2004 tatsächlich aufhältig gewesen sei. Die belangte Behörde ersuchte um Angabe der Anschrift und des Namens des Unterkunftgebers.

Mit Schriftsatz vom 11. April 2009, auf dem der Beschwerdeführer die Anschrift W, B.-Gasse, als Wohnanschrift anführte, gab der Beschwerdeführer "bekannt und sende als Kopie Name u. Adresse d. Unterkunftsgeberin i. d. Zeit v. 22.12.2003 bis 1.2.2004

Name: R.E.

Ort: H, J.

Land: Ungarn".

Als Beleg sende er einen Mietvertrag vom 3. Oktober 2002 sowie eine Endabrechnung für Strom und Gas vom 9. August 2004.

Die im vorgelegten Verwaltungsakt angeführte Endabrechnungen für Strom und Gas sind Ablichtungen einer Art Zahlungsbestätigung über Einzahlungen an die "G-M-S MRFK" durch den Beschwerdeführer mit der Wohnanschrift in W, B.-Gasse.

Mit Vorhalt vom 20. April 2009 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Bekanntgabe, weshalb er bei dem am 10. März 2009 vor der belangten Behörde stattgefundenen Erörterungsgespräch ausgesagt habe, in der Zeit vom 22. Dezember 2003 bis 1. Februar 2004 bei seiner Freundin aufhältig gewesen zu sein, jedoch in der Vorhaltsbeantwortung vom 11. April 2009 behauptet habe, in H, Ungarn, gewohnt zu haben.

Mit Schriftsatz vom 1. Mai 2009 teilte der Beschwerdeführer mit, dass der Name seiner Freundin R.E., H, sei. Sie habe ihm eines ihrer Häuschen in H vermietet. Den Mietvertrag und eine Bestätigungen habe die belangte Behörde bereits erhalten. Die Wohnung an der Anschrift W, B.-Gasse, sei damals ohne Dusche und Warmwasser und daher nicht bewohnbar gewesen. An freien Tagen und im Urlaub sei er ständig in H gewesen, ansonsten sei er hin und her gependelt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und rechtlichen Ausführungen stellte die belangte Behörde fest, dass der vor ihr bekämpfte Haftungsbescheid vom 15. Dezember 2003 am 22. Dezember 2003 durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Obwohl die Post auf Grund des Zeitablaufes keine Auskunft darüber habe erteilen können, ob die Abgabestelle in W, B.-Gasse, im damaligen Zeitraum regelmäßig benutzt worden sei, sei dieser Schluss durchaus zulässig, weil das Zustellorgan schon auf Grund der Bestimmung des § 21 Abs. 3 ZustG Grund zur Annahme gehabt haben müsse, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, weil ansonsten eine Hinterlegung bei einem ständig überfüllten Briefkasten nicht zulässig gewesen wäre. Dafür spreche auch, dass der Beschwerdeführer nach Auskunft des zentralen Melderegisters seit 11. März 2003 "bis dato" seinen Hauptwohnsitz an dieser Anschrift gehabt habe, seine Arbeitsstätte im Zeitraum 22. Dezember 2003 bis 1. Februar 2004 bei der T. GesmbH in W gewesen sei und er im Übrigen auch die Anschrift W, B.-Gasse, angegeben habe. Eine angebliche Ortsabwesenheit habe er dem Zustelldienst nicht bekannt gegeben. Der Behauptung des Beschwerdeführers, dass er in diesem Zeitraum ständig zwischen H, Ungarn, und W gependelt wäre, komme wenig Glaubwürdigkeit zu, zumal der Beschwerdeführer auch gegenüber dem ungarischen Strom- und Gasanbieter seine W Anschrift angeführt habe. Darüber hinaus schließe auch ein längerer Aufenthalt an einer anderen Abgabestelle (nach seinen Angaben übernachtete der Beschwerdeführer auch fallweise im Betrieb) nicht von vornherein und in jedem Fall eine derartige Abwesenheit von der Abgabestelle aus. Eine derartige Abwesenheit wäre nur dann relevant, wenn der Abgabepflichtige nicht in der Lage sei oder ihm nicht zuzumuten wäre, allfällige Zustellvorgänge im Bereich seiner Wohnung wahrzunehmen. Daher vertrete die belangte Behörde die Ansicht, dass ein Aufenthalt in W (Arbeitsstätte) die Wahrnehmbarkeit der Zustellvorgänge am Wohnsitz des Beschwerdeführers in W im Hinblick auf die geringe Entfernung nicht ausschließe, selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Beschwerdeführer tatsächlich täglich nach Ungarn gefahren wäre, weshalb auch der Einwand, dass er die W Wohnung mangels Warmwassers nur ungern aufsuche, ins Leere gehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, durch Zustellung.

Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden in erster Instanz erlassen, sind nach § 243 BAO Berufungen zulässig, soweit - im Beschwerdefall unerheblich - nicht anderes bestimmt ist. Die Berufungsfrist beträgt nach § 245 Abs. 1 leg. cit. einen Monat.

Nach § 13 Abs. 1 Zustellgesetz - ZustG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Stammfassung ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Abgabestelle ist nach § 4 leg. cit. der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort.

Konnte eine dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden, so war nach § 21 Abs. 2 ZustG in der hier maßgeblichen Stammfassung der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen war in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich war, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit war ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. War auch dieser erfolglos, war nach § 17 zu hinterlegen.

Konnte die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hatte der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinn des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte, so war das Schriftstück nach § 17 Abs. 1 ZustG in der Stammfassung im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen. Von der Hinterlegung war der Empfänger nach § 17 Abs. 2 leg. cit. schriftlich zu verständigen. Die Verständigung war in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich war, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hatte den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

§ 17 Abs. 3 ZustG in der Stammfassung lautet:

"(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte."

Die belangte Behörde gelangte in freier Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer nicht wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Die vom Verwaltungsgerichtshof lediglich auf ihre Schlüssigkeit zu prüfende Beweiswürdigung der belangten Behörde (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 2011, Zl. 2011/16/0011, und vom 1. März 2007, Zl. 2004/15/0096) verstößt weder gegen Denkgesetze oder das allgemeine menschliche Erfahrungsgut noch zeigt der Beschwerdeführer dabei unterlaufene Verfahrensfehler auf.

Ausgehend von den vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Tatsachen, dass er schon seit 11. März 2003 mit dem Hauptwohnsitz an der in Rede stehenden Anschrift gemeldet gewesen ist und die in Rede stehende Anschrift seinem Dienstgeber für den Zeitraum 2003 bis 2004 als Wohnanschrift bekannt gegeben hatte und seine angebliche Ortsabwesenheit dem Zustelldienst nicht bekannt gegeben hatte, erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als schlüssig.

Der Beschwerdeführer trägt vor, die Wohnung sei damals in Umbau begriffen gewesen und habe keinen Wasser-, keinen Strom- und keinen Gasanschluss gehabt. Dem gegenüber hat er bei jenem Erörterungsgespräch vor der belangten Behörde am 10. März 2009 jedoch lediglich angegeben, die Anschrift sei eine Notwohnung ohne Dusche und Warmwasser gewesen, die er nur ungern aufgesucht habe. Von einem Umbau ohne jeglichen Wasser- oder Stromanschluss war damals nicht die Rede. Insoweit verstößt der Beschwerdeführer gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Ebenso stellt die in der Beschwerde vorgebrachten Behauptung eine unzulässige Neuerung dar, dass die Energielieferungsverträge "mit W E" über die in Rede stehende Wohnung nachweislich erst am 23. Juni 2004 abgeschlossen worden seien. Die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Abrechnungen über Energie in H, Ungarn, bedeuten weder, dass nicht auch an seinem Hauptwohnsitz in W Energielieferungsverträge bestanden hätten, noch dass sich der Beschwerdeführer ausschließlich in H aufgehalten hätte und nicht auch an der in Rede stehenden Anschrift in W gewesen wäre.

Schließlich stellt auch das Beschwerdevorbringen, an der Abgabestelle in W, B.-Gasse, seien Aufkleber mit "Bitte keine Reklame" benutzt worden, weshalb es nicht notwendig gewesen wäre, ständig dort nach Post zu suchen, eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar.

Mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe nach Rückkehr aus Ungarn den hinterlegten Bescheid unmittelbar und sofort von der Post abgeholt und die Berufung innerhalb der Frist von vier Wochen nach Abholung des Bescheides von der Hinterlegung rechtzeitig eingebracht, unterlässt es der Beschwerdeführer - wie auch im gesamten Verwaltungsverfahren - anzuführen, an welchem Tag er konkret zu seiner Wohnung in W, B.-Gasse, zurückgekehrt sein und den Bescheid von der Post behoben haben will.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 1 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 9. November 2011

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