VwGH 2009/16/0130

VwGH2009/16/013024.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des H V in S, vertreten durch Dr. Kurt Dellisch und Dr. Josef Kartusch, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Villacher Ring 59, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 27. Jänner 2009, GZ. RV/0598-K/07, betreffend Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Normen

FamLAG 1967 §6 Abs3;
FamLAG 1967 §6 Abs5;
FamLAG 1967 §8 Abs6 idF 2002/I/105;
FamLAG 1967 §6 Abs3;
FamLAG 1967 §6 Abs5;
FamLAG 1967 §8 Abs6 idF 2002/I/105;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Für den am 2. März 1956 geborenen Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes W vom 26. März 2007, ein Sachwalter bestellt, der alle Angelegenheiten zu besorgen hatte (§ 273 Abs. 3 Z 3 ABGB in der damals noch anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr.135/2000).

Der Beschwerdeführer, vertreten durch den Sachwalter, beantragte mit ausgefüllten, mit 3. April 2007 datierten Formblättern "Beih 1" und "Beih 3" die Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages rückwirkend ab April 2002. Dazu legte er ein dem Bezirksgericht Wolfsberg erstattetes Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 19. Februar 2007 bei, worin dem Beschwerdeführer eine "bis in die Jugend zurückreichende schwere, chronisch verlaufende, psychische Erkrankung im Sinne einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis" bescheinigt wurde.

Mit Bescheid vom 6. August 2007 wies das Finanzamt den Antrag mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer "laufend eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit" beziehe.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er beziehe von der Pensionsversicherungsanstalt eine Eigenpension von 482,07 EUR und eine Ausgleichszulage von 243,93 EUR. Er sei jedoch voraussichtlich dauernd außer Stande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wobei die relevante Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit um 1976 eingetreten sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer leide seit seiner Jugend an einer chronisch residual verlaufenden Schizophrenie, sei in Pension und beziehe eine Invaliditätspension samt Ausgleichszulage sowie Pflegegeld der Stufe 2. Der Beschwerdeführer sei besachwaltert und habe mit seiner Mutter bis zu deren Ableben im Jahr 2006 im gemeinsamen Haushalt gewohnt. Laut einem vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellten fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 2. Juli 2007 bestehe beim Beschwerdeführer eine 90 %ige Behinderung. Die Einschätzung des Grades der Behinderung sei mit Jänner 1976 vorgenommen worden und die voraussichtliche dauernde Erwerbsfähigkeit sei mit Jänner 1976 eingetreten.

Maßgeblich für einen Eigenanspruch eines Kindes auf Familienbeihilfe sei das Bestehen einer Unterhaltspflicht der Eltern (eines Elternteiles). Für das Vorliegen eines Eigenanspruches auf (erhöhte) Familienbeihilfe sei zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer ein aufrechter Unterhaltsanspruch gegenüber der Mutter zugekommen sei oder ob im Hinblick auf seinen eigenen Pensionsanspruch von einer Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe Jahreseinkünfte von 8.832,88 EUR (2002), 9.009,56 EUR (2003), 9.144,66 EUR (2004), 9.281,86 EUR (2005), 9.660 EUR (2006) und 10.164 EUR (2007) erzielt. Die sich daraus ergebenden monatlichen Einkünfte des Beschwerdeführers lägen somit regelmäßig "über ASVG-Richtsatz". Unter Bedachtnahme auf die erkennbar bescheidenen Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers sei dieser jedenfalls als selbsterhaltungsfähig anzusehen und habe keinen aufrechten Unterhaltsanspruch gegenüber der Mutter gehabt. Daher komme ihm kein Eigenanspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe zu.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer erkennbar im Recht auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Für ein Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und in dem es ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG) bezogen hat, das den Betrag von 8.725 EUR übersteigt, besteht nach § 5 Abs. 1 FLAG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des BG BGBl. I Nr. 68/2001 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Anspruch auf Familienbeihilfe haben nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG bei Vorliegen hier nicht interessierender Voraussetzungen auch volljährige Vollwaisen, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Für ein Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 18. Lebensjahr vollendet hat und in dem sie ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG) bezogen hat, das den Betrag von 8.725 EUR übersteigt, besteht nach § 6 Abs. 3 FLAG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des BG BGBl. I Nr. 68/2001 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis Abs. 3).

Für die Zeit, in welcher der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der belangten Behörde noch mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt lebte, ist auch zu prüfen, ob ein Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. c iVm Abs. 2 FLAG der Mutter bestand, den der Beschwerdeführer allenfalls als Erbe nach seiner Mutter hätte geltend machen können. Die Unfähigkeit des Beschwerdeführers, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wäre durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund des von der belangten Behörde erwähnten Sachverständigengutachtens vom 2. Juli 2007 nachgewiesen. Eigene Einkünfte des Beschwerdeführers wären lediglich daran zu messen, ob sie zu einem zu versteuernden Einkommen führten, welches den in § 5 Abs. 1 FLAG festgelegten Betrag überstieg.

Für die Zeit als der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der belangten Behörde noch mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt lebte, geht die belangte Behörde davon aus, dass der Beihilfenanspruch des Beschwerdeführers nach § 6 Abs. 5 FLAG ("Eigenanspruch") einen Unterhaltsanspruch gegenüber seiner Mutter voraussetze. Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. Jänner 2010, 2009/16/0087, auf dessen Gründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG hingewiesen wird, ausdrücklich dargelegt, weshalb - entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht - § 6 Abs. 5 FLAG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung auf das Bestehen einer Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem Kind nicht abstellt. Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof im Erkenntnis vom 25. März 2010, 2009/16/0115, fortgeführt. Eigene Einkünfte des Kindes sind im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 FLAG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung somit nicht mehr vor dem Hintergrund einer allfälligen Unterhaltspflicht, sondern allein im Hinblick auf die in § 6 Abs. 3 FLAG festgelegte Einkommensgrenze von Bedeutung. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid über die vom Beschwerdeführer erzielten Einkünfte ersetzen nicht die Feststellung der nach § 6 Abs. 3 FLAG bedeutsamen Einkommenshöhen.

Soweit der Beschwerdeführer Vollwaise war, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid ebenfalls darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer auf Grund der von ihm erzielten Einkünfte selbsterhaltungsfähig sei. Dabei übersieht die belangte Behörde, dass das nach § 8 Abs. 6 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 105/2002 abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten zu führen ist. Die durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund des von der belangten Behörde erwähnten Sachverständigengutachtens vom 2. Juli 2007 unbedenklich nachgewiesene Unfähigkeit des Beschwerdeführers, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durfte die belangte Behörde nicht mit der Begründung der vom Beschwerdeführer erzielten Einkünfte verneinen (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 18. November 2008, 2007/15/0019, vom 18. Dezember 2008, 2007/15/0151, und vom 28. Mai 2009, 2007/15/0225). Eine solcherart nachgewiesene Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist allerdings dann bedeutungslos, wenn auf Grund eines vom Beschwerdeführer erzielten Einkommens im Sinn des § 6 Abs. 3 FLAG ein Beihilfenanspruch schon deshalb nicht besteht. Feststellungen über die Höhe des vom Beschwerdeführers erzielten Einkommens hat die belangte Behörde aber nicht getroffen.

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Juni 2010

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