Normen
FamLAG 1967 §3 idF 2005/I/100;
Fremdenrechtspaket 2005;
FamLAG 1967 §3 idF 2005/I/100;
Fremdenrechtspaket 2005;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige beantragte mit einem ausgefüllten, mit 23. Jänner 2006 datierten und am 25. Jänner 2006 beim Finanzamt eingelangten Formblatt "Beih 1" Familienbeihilfe für ihre drei minderjährigen Kinder.
Im Antragsformular führte sie an, sie und ihr Ehemann seien im Jahr 2003 nach Österreich eingereist. Beide seien bei näher angeführten Dienstgebern beschäftigt.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2006 wies das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Familienbeihilfe unter Hinweis auf § 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005 ab. Weder die Beschwerdeführerin noch deren Kinder hielten sich gemäß §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich auf und weder der Beschwerdeführerin noch deren Kindern sei Asyl nach dem Asylgesetz 2005 gewährt worden. Daher bestehe ab 1. Jänner 2006 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei bereits seit mehreren Jahren in Österreich entsprechend den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (mit einer gültigen Arbeitserlaubnis) rechtmäßig unselbstständig beschäftigt und habe bereits Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld. Sie und ihre minderjährigen Kinder befänden sich seit mehreren Jahren als Asylwerber in Österreich und verfügten über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes (§ 19 AsylG 1997).
Mit Berufungsvorentscheidung vom 24. Februar 2006 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Die befristete Arbeitserlaubnis der Beschwerdeführerin im Sinn des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sei "nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung" seit 1. Jänner 2006 nicht mehr ausreichend, um einen Anspruch auf Familienbeihilfe zu vermitteln. Nach § 3 Abs. 3 FLAG hätten Asylsuchende erst ab dem Zeitpunkt, ab dem ihnen mit Bescheid endgültig Asyl gewährt worden sei, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Dagegen brachte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe nach der Neuregelung der Ansprüche von Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, durch das Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100, nur mehr für die Personen, die auch zur Niederlassung in Österreich berechtigt seien, wobei diese Berechtigung nach den Bestimmungen des ebenfalls im Rahmen des Fremdenrechtspaketes 2005 erlassenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erteilt werde. Die Arten und Formen der Aufenthaltstitel seien in den §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes aufgezählt. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin als Asylwerberin über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Asylgesetz 1997 verfüge, ließe nichts für deren Standpunkt gewinnen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Zuerkennung der Familienbeihilfe verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die dort näher genannte Voraussetzungen erfüllen.
§ 3 Abs. 1 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, lautet:
"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichischer Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftig sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.
(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt."
§ 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100, ist auf Personen, die vor dem 1. Jänner 2006 einen Asylantrag gestellt haben und deren Asylverfahren am 31. Dezember 2005 noch anhängig war, noch nicht anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 2008, 2007/15/0170, und in seither ständiger Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, 2009/19/0119, mwN).
Da die Asylanträge der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes vor dem 1. Jänner 2006 gestellt wurden und deren Asylverfahren am 31. Dezember 2005 noch anhängig waren, ist im vorliegenden Beschwerdefall noch § 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes anzuwenden.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf die im Beschwerdefall noch nicht anzuwendende Rechtslage des § 3 FLAG idF des Fremdenrechtspaketes 2005 gestützt und sich deshalb nicht mit dem im Verwaltungsverfahren erstatteten und im Hinblick auf § 3 Abs. 1 iVm Abs. 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes bedeutsamen Vorbringen betreffend unselbstständige Beschäftigungen der Beschwerdeführerin oder ihres Ehemannes konkret auseinander gesetzt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren betrifft den über den in der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 festgesetzten Pauschalsatz hinausgehenden Betrag und die Umsatzsteuer, welche im Pauschalsatz bereits enthalten ist.
Wien, am 24. Juni 2010
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