VwGH 2009/15/0082

VwGH2009/15/008228.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Salzburg-Stadt in 5026 Salzburg, Aigner Straße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 25. Februar 2009, Zl. RV/0588-S/08, betreffend Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG für 2004 (mitbeteiligte Partei: X GmbH & Co KG in S, vertreten durch die Zobl, Bauer & Partner Wirtschaftsprüfung GmbH in 5020 Salzburg, Mildenburggasse 6), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §108e Abs1;
EStG 1988 §7;
EStG 1988 §8;
EStG 1988 §108e Abs1;
EStG 1988 §7;
EStG 1988 §8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die mitbeteiligte Partei ist eine Ges.m.b.H. & Co KG und verfügt über eine Gewerbeberechtigung für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Verkehr (grenzüberschreitender Güterverkehr), die sie mit dafür angeschafften Sattelzugmaschinen ausübte.

Im Rahmen ihrer Steuererklärung beantragte sie Investitionszuwachsprämie (kurz IZP). Die beantragte IZP basierte auf der Anschaffung von 30 Zugmaschinen inkl. Zubehör zwischen Oktober und Dezember 2004, wobei 15 Lastkraftwagen erst Anfang 2005 in Nutzung genommen wurden. Die Zugmaschinen wurden in das Anlageverzeichnis aufgenommen und mit einer Nutzungsdauer von sechs Jahren der Abschreibung für Abnutzung (AfA) unterzogen. Zwischen Jänner und Oktober 2007 wurden 26 dieser Anlagegüter wieder veräußert.

1.2. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt am 13. Juni 2008 einen Bescheid über die Festsetzung der IZP und reduzierte damit den erklärungsgemäß gebuchten Prämienbetrag von 205.736,15 EUR auf 27.424,22 EUR.

Begründend führte das Finanzamt aus, dass im Zuge der Betriebsprüfung festgestellt worden sei, dass mehrere LKW-Zugmaschinen vor Ablauf der Hälfte der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer verkauft worden seien. Voraussetzung zur Geltendmachung einer IZP gemäß § 108e EStG 1988 sei jedoch, dass die betroffenen Wirtschaftsgüter zum langfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt seien. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten müssten daher zumindest mehr als die Hälfte ihrer Nutzungsdauer im Wege der AfA abgesetzt werden. Für die in einer dem Bescheid beigeschlossenen Tabelle angeführten Zugmaschinen sei dies nicht der Fall, weshalb eine IZP nicht gewährt werden könne.

Die vom Finanzamt beigeschlossene Tabelle enthält eine Übersicht über die tatsächliche Behaltezeit der Zugmaschinen im Betrieb in Monaten und stellt sie einer angenommenen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 72 Monaten gegenüber.

1.3. Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Berufung und wies darauf hin, dass es ihre ständig geübte Praxis sei, die Sattelzugmaschinen nicht über die gesamte technisch mögliche Nutzungsdauer einzusetzen. Es habe immer schon ihrer Firmenpolitik entsprochen, diese nach zwei bis drei Jahren auszutauschen. Dies deshalb, da es auf Grund von Rahmenkäufen größerer Stückzahlen gelinge, fabrikneue Fahrzeuge zu einem besonders günstigen Preis zu erwerben und der Verkauf nach einer Nutzung von zwei bis drei Jahren am Markt zu Preisen möglich sei, die nur einen geringen Wertverlust bedeuteten.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den bekämpften Bescheid des Finanzamtes ersatzlos auf. Begründend wies sie darauf hin, dass dem Gesetzestext des § 108e EStG 1988 keine explizite Behaltefrist oder Mindestnutzungsdauer zu entnehmen sei, worauf auch durch den Bundesminister für Finanzen in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom 21. Juli 2005 (3037/AB XXII. GP) sowie das überwiegende Schrifttum hingewiesen worden sei. Auch die parlamentarischen Materialien zur Gesetzwerdung würden weder zu einer Behaltefrist noch zu einer Mindestnutzungsdauer Aussagen treffen. Die IZP sei als Anreiz für Investitionen gedacht gewesen und sollte die Mehrung von Investitionen im Verhältnis zur Vergangenheit fördern. Ziel dieser Förderung sei es gewesen, die Investitionstätigkeit der österreichischen Wirtschaft in den Jahren 2002 bis 2004 aus konjunkturellen Gründen anzukurbeln. Die Förderung des Investitionszuwachses statt der Einzelinvestition zeige auch, dass Vorzieheffekte durchaus beabsichtigt gewesen seien.

Missbräuche sollten allerdings verhindert werden, weshalb nicht schon jede Anschaffung als Anlagevermögen dazu führen sollte, dass für diese Wirtschaftsgüter eine IZP in Anspruch genommen werden könne. Dies komme im Hinweis auf die "Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8 EStG 1988)" in § 108e Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 und der dazu ergangenen VwGH-Judikatur betreffend das Abstellen auf einen mehrjährigen Zeitraum zum Ausdruck.

Vor diesem Hintergrund könnten die Erwägungen des Finanzamtes letztlich nicht geteilt werden. So zeige eine Übersicht der belangten Behörde, dass vier Zugmaschinen bis 2007 überhaupt nicht ausgeschieden seien, dass 17 Stück ausgeschieden seien, nachdem 50% der Anschaffungskosten im Wege der AfA abgeschrieben worden seien, und dass bei neun Zugmaschinen bis zu deren Ausscheiden 41,67% der Anschaffungskosten im Wege der AfA abgesetzt worden seien. Das Ausmaß der Abschreibung der Anschaffungskosten sei jedoch vom Finanzamt nicht berücksichtigt, sondern vielmehr eine monatsweise Berechnung der tatsächlichen betrieblichen Nutzungsdauer vorgenommen worden.

Da es - entgegen der Verwaltungsübung - jedoch keine feste Mindestnutzungsdauer gebe, sei es nicht erforderlich, dass die Wirtschaftsgüter mehr als 50% einer in Monaten ausgedrückten Nutzungsdauer als Anlagevermögen genutzt würden. Selbst bei Unterstellen einer gewissen Behaltedauer zur Missbrauchsabwehr müsse es jedenfalls ausreichen, wenn die Nutzung eines Wirtschaftsgutes für eine so lange Zeitspanne geplant sei, dass voraussichtlich zumindest etwa 50% der Anschaffungs- und Herstellungskosten über die Absetzung für Abnutzung steuerlich berücksichtigt würden, wobei die steuerliche Planung im konkreten Betriebsgeschehen - abgesehen von etwaigen Unwägbarkeiten - mit einer gewissen Bandbreite Deckung finden müsse.

Angesichts der geplanten Nutzungsdauer von "zwei bis drei Jahren" sei im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die planmäßige Nutzungsdauer bei allen Wirtschaftsgütern auf Absetzung von zumindest etwa 50% der Anschaffungskosten gerichtet gewesen sei. Dass dies aufgrund der Schätzungsungenauigkeit und der Regelung des § 7 Abs. 2 EStG 1988 nicht in allen Fällen so eingetreten sei, könne nicht zu Lasten der mitbeteiligten Partei gehen.

Die IZP 2004 stehe deshalb im von der mitbeteiligten Partei geltend gemachten Ausmaß zu. Da eine Bescheiderlassung nur dann vorgesehen sei, wenn die zustehende IZP von der geltend gemachten abweiche (§ 108e Abs. 5 EStG 1988 in Verbindung mit § 201 BAO), sei der bekämpfte Bescheid ersatzlos aufzuheben.

1.5. Dagegen wendet sich die Beschwerde des Finanzamtes gemäß § 292 BAO.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

2.1. Gemäß § 108e Abs. 1 EStG 1988 kann für den Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern eine Investitionszuwachsprämie von 10% geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt werden. Gemäß § 7 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Wege der AfA gleichmäßig verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzusetzen.

2.2. Maßgebend für die AfA ist die objektive betriebsindividuelle Nutzungsdauer, das ist jene Zeitspanne, innerhalb derer das Wirtschaftsgut einen wirtschaftlichen Nutzen abwerfen kann und im Betrieb nutzbringend einsetzbar sein wird, also die objektive Möglichkeit der Nutzung des Wirtschaftsgutes (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 7 Tz 38). § 108e Abs. 1 EStG 1988 normiert als Voraussetzung für die IZP, dass die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter im Wege der AfA abgesetzt werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. April 2006, 2005/15/0156, ausgesprochen hat, ergibt sich daraus, dass Wirtschaftsgüter nur dann einen Anspruch auf IZP iSd § 108e EStG 1988 vermitteln können, wenn sie über einen längeren Zeitraum dem Betrieb als Anlagevermögen dienen, weil nur in einem solchen Fall von Absetzung "im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8)" die Rede sein kann. Unter Hinweis auf Quantschnigg, ÖStZ 2003/239, hat der Verwaltungsgerichtshof dabei auch auf den Zweck der Regelung des § 108e EStG 1988 verwiesen, aus welchem sich ebenfalls ergibt, dass Wirtschaftsgüter, die in die Berechnungsgrundlage der IZP eingehen, über einen längeren Zeitraum dem Anlagevermögen des investierenden Unternehmens zugehören müssen.

2.3. Ein Ausmaß der Absetzung für Abnutzung von 50% der Anschaffungskosten kann dabei auf Grund des ausdrücklichen Verweises auf die "Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8)" in § 108e Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 als Indiz für die Bejahung eines solchen längeren Zeitraums gewertet werden (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG § 108e Tz 3). Für eine monatsweise Berechnung der betrieblichen Behaltedauer, wie sie das Finanzamt in der Beilage seines Abgabenbescheides vorgenommen hat, finden sich dagegen in der Bestimmung des § 108e Abs. 1 EStG 1988 keine Anhaltspunkte.

2.4. Im gegenständlichen Fall steht in sachverhaltsmäßiger Hinsicht fest, dass es der im Betrieb der mitbeteiligten Partei geübten Praxis entsprach, die LKW-Zugmaschinen regelmäßig ungefähr mit Erreichen der Hälfte ihrer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer auszutauschen, wobei diese Praxis auch einen betrieblich begründeten üblichen (Re-)Investitionszyklus widerspiegelt. Bei dieser Sachlage, also der Anwendung bzw. Beibehaltung einer aus den betrieblichen Erfordernissen abgeleiteten regelmäßigen Erneuerung des Fuhrparkes mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von sechs Jahren, kann ein Austauschintervall von ca. drei Jahren vor dem Hintergrund des Zwecks der Regelung des § 108e EStG 1988 als längerer Zeitraum der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen angesehen werden.

2.5. Wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall davon ausgegangen ist, dass die planmäßige Nutzungsdauer bei allen betroffenen Wirtschaftsgütern auf Absetzung von etwa 50% der Anschaffungskosten gerichtet gewesen ist, und in Anbetracht des Gesamtbildes der Verhältnisse ein in Einzelfällen eingetretenes geringfügiges Unterschreiten dieses Wertes als unschädlich angesehen hat, so kann darin keine Rechtswidrigkeit in der Anwendung des § 108e EStG 1988 erkannt werden.

2.6. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

2.7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Februar 2012

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