VwGH 2009/10/0126

VwGH2009/10/012620.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde 1. des Ing. A W und 2. der Mag. B W, beide in Spittal an der Drau, beide vertreten durch Mag. Astrid Roblyek, Rechtsanwältin in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 3/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 19. März 2009, Zl. -11-FOB-216/1-2009, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung iA. Forstgesetz 1975, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. Juli 2008 verpflichtete der Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt die Beschwerdeführer gemäß § 172 Abs. 6 des Forstgesetzes 1975 zur Durchführung näher beschriebener Maßnahmen. Den im Verwaltungsakt erliegenden Rückscheinen zufolge fand am 9. Juli 2009 ein Zustellversuch statt, eine Verständigung darüber wurde in den Briefkasten eingelegt und eine Hinterlegung beim Zustellpostamt 9803 vorgenommen. Als Beginn der Abholfrist ist der 9. Juli 2008 angegeben.

Nachdem die Rechtsvertreterin der mittlerweile anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer am 24. Juli 2008 eine Berufung gegen den oben genannten Bescheid zur Post gegeben und ihr der Landeshauptmann von Kärnten mit Schreiben vom 6. August 2008 die Verspätung der Berufung vorgehalten hatte, beantragten die Beschwerdeführer durch ihre Rechtsvertreterin die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Begründend wurde ausgeführt, die Zweitbeschwerdeführerin habe "den Bescheid", nachdem sie die Hinterlegungsanzeige im Postkasten vorgefunden hätte, am 10. Juli 2008 beim Postamt behoben. Unmittelbar nach Kenntnisnahme des Bescheides habe sie die Frist für das Rechtsmittel in ihrem Kalender eingetragen. Obwohl sie gewusst habe, dass die Hinterlegung die Frist für das Rechtsmittel auslöse, habe sie irrtümlich den 10. Juli 2008 als Zustelldatum und somit auch das Ende der Rechtsmittelfrist mit 24. Juli 2008 eingetragen. Ihrem Ehemann, dem Erstbeschwerdeführer, habe sie "das Schriftstück" mit der Bemerkung übergeben, die Frist bereits notiert zu haben. Der Erstbeschwerdeführer habe sich in weiterer Folge am 16. Juli 2008 mit der Rechtsvertreterin in Verbindung gesetzt und den Auftrag erteilt, Rechtsmittel gegen den Bescheid zu erheben, "dies mit der Information, der Bescheid sei am 10.7.2008 zugestellt worden und endet die Rechtsmittelfrist am 24.7.2008". Die Berufung sei von der Rechtsvertreterin am 24. Juli 2008 zur Post gegeben worden. Die von der Zweitbeschwerdeführerin auf Grund eines nicht nachvollziehbaren Versehens vorgenommene Eintragung des unrichtigen Zustelldatums beruhe auf einem minderen Grad des Versehens. Der Erstbeschwerdeführer habe sich auf die Richtigkeit der Eintragung durch die Zweitbeschwerdeführerin verlassen dürfen, eine generelle Überwachungspflicht gegenüber seiner Ehefrau treffe ihn nicht.

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. März 2009 wies der Landeshauptmann von Kärnten den Wiedereinsetzungsantrag ab (Spruchpunkt I.). Unter einem wies er die gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 7. Juli 2008 erhobene Berufung als verspätet zurück (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Rechtsvertreterin auf die Angaben der Beschwerdeführer hinsichtlich der Bescheidzustellung verlassen habe, stelle eine den minderen Grad des Versehens übersteigende Fahrlässigkeit dar, weshalb die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht in Betracht komme. Im Hinblick auf die bereits am 9. Juli 2008 bewirkte Zustellung sei die erst am 24. Juli 2008 zur Post gegebene Berufung als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der im Beschwerdefall einschlägige 71 AVG lautet (auszugsweise):

"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist ... ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten ... und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft ..."

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. In der Beschwerde wird die Verfristung der Berufung nicht in Zweifel gezogen. Die mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Zurückweisung derselben als verspätet ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen.

2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller einen Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, bereits im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund bereits im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage entsprechende Behauptungen voraussetzt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 4. Dezember 1998, Zlen. 96/19/3315, 3316, 3674 und 3675, vom 24. Oktober 2000, Zl. 99/11/0158, vom 17. Dezember 2002, Zl. 2002/11/0191, und vom 17. Juli 2009, Zl. 2007/11/0087). Letzteres ist im Beschwerdefall nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, es müsse einem Rechtsanwalt bewusst sein, dass sich nicht rechtskundige Personen ohne entsprechende Erfahrungen leicht im Irrtum über die Rechtslage betreffend den Eintritt der Zustellungswirkungen mit der Hinterlegung beim Postamt (genauer: mit dem Beginn der Abholfrist) befinden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0502). Vor diesem Hintergrund hätte sich aber die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer nicht mit der bloßen Angabe des Erstbeschwerdeführers, der Bescheid sei am 10. Juli 2008 zugestellt worden, begnügen und darauf vertrauen dürfen, der Erstbeschwerdeführer meine damit tatsächlich jenen Zeitpunkt, in dem die gesetzlichen Zustellwirkungen eingetreten sind. Vielmehr hätte sie hinterfragen müssen, ob es sich dabei um den Tag handelt, an dem eine eigenhändige Zustellung an ihn vorgenommen wurde, oder ob die Sendung beim Postamt hinterlegt wurde und das erwähnte Datum den Tag bezeichnet, an dem die Abholfrist begonnen oder an dem der Bescheid behoben wurde, zumal Hinterlegungen keineswegs bloß ausnahmsweise vorkommen, sondern - vor allem in Ansehung Berufstätiger - sehr häufig vorgenommen werden (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 27. Jänner 1995 sowie das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zl. 2000/21/0086). Dass der Erstbeschwerdeführer nach dem schon im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen gerichtlich beeideter Sachverständiger ist, vermag daran nichts zu ändern. Da die Vertreterin der Beschwerdeführer nach dem maßgeblichen Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag eine diesbezügliche Klärung unterließ, hat sie die im Verkehr mit Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach ihren persönlichen Fähigkeiten auch zumutbare Sorgfalt grob schuldhaft außer Acht gelassen.

Die mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides verweigerte Bewilligung der Wiedereinsetzung ist demnach ebenfalls nicht als rechtswidrig zu erkennen.

2.3. Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen zur Gänze als unbegründet abzuweisen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II, Nr. 455.

Wien, am 20. November 2009

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