VwGH 2009/09/0120

VwGH2009/09/012011.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des FH in H, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 31. März 2009, Zl. 41.550/616-9/2008, betreffend Beschädigtenrente nach dem HVG, zu Recht erkannt:

Normen

HVG §1 Abs1 idF 2002/I/150;
HVG §2 Abs1;
HVG §21 Abs1 idF 2005/I/048;
HVG §21 Abs2;
HVG §1 Abs1 idF 2002/I/150;
HVG §2 Abs1;
HVG §21 Abs1 idF 2005/I/048;
HVG §21 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1963 geborene Beschwerdeführer erlitt am 15. April 1982 während der Ableistung seines ordentlichen Präsenzdienstes eine "Marschfraktur" seines rechten Schienbeines.

Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. September 1985 wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 1 und § 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG) beim Beschwerdeführer folgende Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung anerkannt: "Knöchern durchgebaute Ermüdungsfraktur des Schienbeines rechts ohne Funktionsstörung" und der nach §§ 21 und 22 HVG vom Beschwerdeführer erhobene Anspruch auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente abgelehnt. Hinsichtlich die Ablehnung dieses Antrages des Beschwerdeführers wurde dieser Bescheid damit begründet, dass die anerkannte Dienstbeschädigung mangels eines Krankheitsbildes nicht berufsbehindernd wirke.

Mit Antrag vom 15. November 2007 begehrte der Beschwerdeführer die Zuerkennung einer Beschädigtenrente auf Grund seines Dienstunfalles im Jahr 1982 und führte aus, dass sich die Beschwerden auf Grund der Verletzung aus 1982 mit zunehmendem Alter richtig auswirkten. Es bestehe eine Beinlängendifferenz von 1,5 cm links und ein Beckenschiefstand. Im Jahr 2006 habe der Beschwerdeführer einen Leistenbruch links erlitten, vermutlich auf Grund des Beckenschiefstandes. Während einer praktischen Ausbildung in einem Stabsunteroffizierslehrgang im Jahr 2007 habe der Beschwerdeführer durch das Tragen der Ausrüstung derartig starke Wirbelsäulenbeschwerden im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule bekommen, letztlich sei auf Grund eines fachärztlichen Befundes eine Osteopenie festgestellt worden. Es sei dem Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, seine Ausbildung fertig abzuschließen, weil dies zur Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führen würde. Dies bedeute für den Beschwerdeführer sehr hohe finanzielle und wirtschaftliche Einbußen, weshalb er um Zuerkennung einer Beschädigtenrente auf Grund seines Dienstunfalles im Jahr 1982 ersuche.

Mit Gutachten vom 12. März 2008 stellte der Facharzt für Chirurgie Dr. R.H. (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) zusammengefasst fest, dass der Beckenschiefstand des Beschwerdeführers geringgradig sei und funktionell ohne Bedeutung. Er sei auf die Beinlängendifferenz infolge des um 1,5 cm kürzeren rechten Beines zurückzuführen. Die Beinlängendifferenz sei konstitutionell bedingt und auf das ungleiche Längenwachstum der unteren Gliedmaßen zurückzuführen. Sie stehe mit dem Ermüdungsbruch des Schienbeins in keinem ursächlichem Zusammenhang. Ein Ermüdungsbruch (Marschfraktur, Stressfraktur) sei ein "Sprung" im Knochen, im gegenständlichen Fall an der Vorderkante des Schienbeins, der keine Auswirkung auf die Länge des Schienbeins habe und erfahrungsgemäß auch ohne Gipsruhigstellung, allein durch den Wegfall der auslösenden Ursache, geheilt wäre. Die Wirbelsäulenbeschwerden stünden in keinem ursächlichem Zusammenhang mit dem längst geheilten Ermüdungsbruch, der weder eine funktionelle noch eine strukturelle Auswirkung auf die Wirbelsäule gehabt habe und habe. Der Leistenbruch links sei nicht auf Grund des (geringen) Beckenschiefstandes, sondern auf Grund einer konstitutionell bedingten Bindegewebsschwäche des Leistenkanals entstanden. Ein ursächlicher Zusammenhang der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Leiden mit der anerkannten Dienstbeschädigung aus 1982 bestehe daher nicht.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes, Landesstelle Steiermark, vom 23. April 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung der von ihm angemeldeten Gesundheitsbeschädigungen:

  1. 1. Beckenschiefstand bei einer Beinlängendifferenz von 1,1/2 cm,
  2. 2. Wirbelsäulenbeschwerden und 3. Leistenbruch links auf Grund des Beckenschiefstandes gemäß §§ 1 und 2 HVG nicht als Dienstbeschädigungen anerkannt und sein Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenrente gemäß § 21 HVG abgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem im Jahr 1982 erlittenen Ermüdungsbruch bestehe hinsichtlich dieser Leiden nicht.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass seine Beckenschiefstellung und unterschiedliche Beinlänge sehr wohl mit dem Ermüdungsbruch aus dem Jahr 1982 in einem ursächlichem Zusammenhang stehe, weil ihm damals für etwa acht Wochen einen Gehgipsverband im gestreckten Bein bis zur Hüfte angelegt worden sei und auf der Grundplatte des Gipses ein Gehstoppel angebracht worden sei, sodass eine Beckenschiefstellung über diesen so langen Zeitraum vorprogrammiert gewesen sei.

In einem Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Dr. M.P. vom 1. Oktober 2008 führte dieser Gutachter aus, dass der Beckentiefstand links im Ausmaß von 1,5 cm nicht der anerkannten Dienstbeschädigung zugeordnet werden könne, weil eine derartige Verletzung an der Vorderkante des Schienbeins und auch nicht die daraus resultierende Gipsruhigstellung eine derartige Wachstumsstörung auslösen könnten. Es sei aber bekannt, dass es konstitutionell bei den meisten Menschen zu ungleichem Wachstum der Knochen in den beiden Körperhälften kommen könne. Da der Beckenschiefstand auf Grund der Beinlängendifferenz keinen Bezug zum anerkannten Leiden habe, sei auch ein ursächlicher Zusammenhang mit den geklagten Wirbelsäulenbeschwerden nicht herzustellen. Sehr wohl lasse sich hier aber ein Bezug zu einer nachgewiesenen Minderung der Knochendichte im Sinne einer Osteopenie finden. Ein Zusammenhang mit dem geklagten Leistenbruch könne ebenfalls nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer führte in einer Stellungnahme zu diesem Gutachten aus, er habe zu dem Sachverständigen absolut kein Vertrauen, dieser habe auch die mitgebrachten Röntgenbilder nicht begutachtet. Der Beschwerdeführer sei sich "tausendprozentig sicher, dass die Beinlängendifferenz durch den Gehgipsverband mit Gehstoppel im gestreckten Bein bis zur Hüfte für ca. 8 Wochen zurückzuführen ist".

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Mai 2009 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Dies wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit begründet, dass auch im Sachverständigengutachten des Dr. M.P. ausführlich und nachvollziehbar ausgeführt sei, dass die als mittelbare Dienstbeschädigung geltend gemachten Gesundheitsschädigungen "Beckenschiefstand bei einer Beinlängendifferenz von 1 1/2 cm, Wirbelsäulenbeschwerden, Leistenbruch links auf Grund des Beckenschiefstandes" in keinerlei Zusammenhang mit der anerkannten Dienstbeschädigung stünden. Dieses Gutachten sei nachvollziehbar und weise keine Widersprüche auf. Es sei auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen worden. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befund, entsprächen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die Angaben des Beschwerdeführers hätten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden können. Die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwände und vorgelegten Beweismittel seien nicht geeignet gewesen, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften, weil es sich im Wesentlichen um eine Wiederholung des Berufungsvorbringens gehandelt habe und neue medizinische Beweismittel (Unterlagen, Befunde etc.), die allenfalls geeignet gewesen wären, den Sachverständigenbeweis zu entkräften, nicht vorgelegt worden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 erster Satz des Heeresversorgungsgesetzes - HVG, BGBl. Nr. 27/1964, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 150/2002, ist eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes, einschließlich einer beruflichen Bildung im freiwillig verlängerten Grundwehrdienst oder im Wehrdienst als Zeitsoldat erlitten hat, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung zu entschädigen (§ 2).

Gemäß § 2 Abs. 1 HVG ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinn des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Gemäß § 21 Abs. 1 HVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 48/2005, hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung (§ 2) hinaus um mindestens 25 vH vermindert ist; die Beschädigtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 vH. Unter Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinn des Abs. 1 nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen. Diese Richtsätze sind durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landesverteidigung nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates (§§ 8 bis 13 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990) durch Verordnung aufzustellen.

Der Beschwerdeführer wiederholt auch in seiner Beschwerde seine Einwände gegen die im Verwaltungsverfahren verwerteten Gutachten und hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde zu Unrecht eine Kausalität der von ihm geltend gemachten Leiden mit seiner im Jahr 1982 erlittenen Schienbeinverletzung verneint habe. Der Beschwerdeführer zeigt jedoch nicht auf, dass die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gezogenen Schlussfolgerungen auf mangelhaften Gutachten beruhten. Die Ausführungen der Gutachten und der darauf beruhenden schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung der belangten Behörde kann der Beschwerdeführer auch mit seiner neuerlichen Behauptung, die bestehende Beinlängendifferenz und die dadurch bewirkte Beckenschiefstellung sei durch einen während acht Wochen getragenen Gipsverband verursacht, nicht entkräften. Der Beschwerdeführer ist im Verwaltungsverfahren den übereinstimmenden Feststellungen der von den Behörden befassten Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten.

Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer die mangelnde Begründung des angefochtenen Bescheides und die mangelnde Auseinandersetzung der belangten Behörde mit seinen Leidenszuständen und der sich daraus einzeln und gesamt ergebenden Minderung seiner Erwerbsfähigkeit. Die belangte Behörde stützte sich bei Beurteilung der als Dienstbeschädigung anerkannten Leidenszustände des Beschwerdeführers nämlich auf die vorliegenden, von ihr im Rahmen ihrer Beweiswürdigung als schlüssig erachteten Gutachten der von ihr befassten Sachverständigen, denen der Beschwerdeführer auf gleicher fachlicher Ebene nicht entgegengetreten ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. November 2006, Zl. 2005/09/0138, als Beispiel für viele). Der belangten Behörde ist kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn sie in Würdigung der von ihr eingeholten und nicht erkennbar zu Unrecht als schlüssig erachteten Sachverständigengutachten zum Ergebnis gelangte, dass keine Folgeschäden anzuerkennen seien und es zu keiner Minderung der Erwerbsfähigkeit gekommen sei und daher auch keine Versehrtenrente zuerkannt habe werden können.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt sohin nicht vor, er wurde durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 11. November 2011

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