VwGH 2009/08/0255

VwGH2009/08/025519.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter, sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der Tiroler Gebietskrankenkasse in Innsbruck, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20/P., gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 16. September 2009, Zl. BMSK-220326/0001-II/A/3/2009, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. U GmbH in I, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3, 2. M M in S, 3. S K in N, 4. R E, 5. V H in P, 6. K K, 7. J M, 8. V M, 9. R P, 10. P R, 11. V T, 12. R W in T,

  1. 13. T W in F, 14. K Z in T, 15. Z S,
  2. 16. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 17. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67), zu Recht erkannt:

Normen

12010E258 AEUV Art258;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art14 Abs2 lita Zi;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art11 Abs1 lita;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art11a;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art12a Abs1a;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art12a Abs2;
61997CJ0178 Banks VORAB;
61997CJ0202 Fitzwilliam VORAB;
62005CJ0002 Herbosch Kiere VORAB;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs2;
12010E258 AEUV Art258;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art14 Abs2 lita Zi;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art11 Abs1 lita;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art11a;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art12a Abs1a;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art12a Abs2;
61997CJ0178 Banks VORAB;
61997CJ0202 Fitzwilliam VORAB;
62005CJ0002 Herbosch Kiere VORAB;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er über das Nichtbestehen einer Versicherungspflicht des Viertmitbeteiligten vom 27. bis 31. August 2000 abspricht wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und insoweit er über das Nichtbestehen einer Versicherungspflicht des Fünftmitbeteiligten vom 1. Jänner bis 14. März 2001 abspricht wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2007, Zl. 2004/08/0127, und hinsichtlich des Sachverhalts auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/08/0254, dem der auch hier angefochtene Bescheid zugrunde liegt, verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich auch die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde der Tiroler Gebietskrankenkasse mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und stellte den Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, dass neben den mit dem angefochtenen Bescheid bereits festgestellten Versicherungszeiten die Versicherungspflicht folgender Personen auch in den im Folgenden angeführten Zeiträumen festgestellt werde:

"E R

27.08.2000 - 31.08.2000

H V

01.12.2000 - 31.08.2001

K J

24.02.2001 - 31.05.2000

K K

01.05.2000 - 18.08.2000

K J

01.11.2000 - 31.09.2001

K S

01.09.2000 - 30.11.2000

K G

01.09.1999 - 31.08.2001

M M

01.09.1999 - 30.11.1999

04.02.2000 - 31.12.2000

01.03.2001 - 31.08.2001

M J

01.11.2000 - 31.08.2001

M V

24.02.2001 - 30.06.2001

P R

21.03.2001 - 23.04.2001

R P

01.10.2000 - 31.08.2001

T V

01.05.2000 - 30.06.2001

W R

29.11.1999 - 15.02.2000

09.01.2001 - 23.03.2001

W T

16.07.2001 - 25.07.2001

Z K

01.10.1999 - 31.12.1999

Z S

10.04.2000 - 31.08.2000"

Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse wendet sich dagegen, dass die belangte Behörde aufgrund von im Dezember 2005 und im Jahr 2006 ausgestellten "Formularen E 101" die Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG nicht im gesamten von ihr im erstinstanzlichen Bescheid erfassten Zeitraum festgestellt habe. Die nachträgliche Bestätigung mit dem Formular E 101 habe nicht "die von der belangten Behörde angenommene Sperrwirkung". Ansonsten wäre es auch "ohne die vorliegenden Verschachtelungen für Firmen ohne weiteres möglich, sich der Pflichtversicherung in Österreich durch eine Scheinanmeldung zu entziehen." Die belangte Behörde hätte daher bezüglich der Anmeldungen nicht auf eine "formularmäßige Aufstellung" vertrauen dürfen, sondern hätte ein "feststellbares Tatsachensubstrat" schaffen müssen. Eine Scheinanmeldung bzw. die Vorlage eines bloßen Formulars über angebliche Meldungen sei nicht von Relevanz. Von der belangten Behörde wäre zu berücksichtigen gewesen, dass kein einziger Dienstnehmer seinen Wohnsitz in Belgien habe und Wohn- und Aufenthaltsort in Roppen gewesen sei.

Weiters wäre der Vordruck E 101 nicht als "gegeben hinzunehmen", sondern auf Echtheit und Richtigkeit zu prüfen gewesen, zumal eine arbeitsrechtliche Bindung zwischen dem jeweiligen Dienstnehmer und der belgischen U S.A. nicht bestanden habe. Immerhin habe das Rijksinstitut voor Zietke- en Invaliditeitsverzekering mit Schreiben vom 8. September 2003 mitgeteilt, dass für keinen der Fahrer eine Anmeldung bei einem belgischen Versicherungsträger habe aufgefunden werden können. Zudem hätten die "über das Formular

E 101 angeblich versicherten Dienstnehmer" ein Aufenthaltsverbot in Belgien und könnten überall anders, aber nicht dort arbeiten, sodass die formularmäßige Bescheinigung unbeachtlich sei.

2. Mit diesem Vorbringen bezieht sich die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse auf jene verfahrensgegenständlichen Zeiträume, für die die belangte Behörde das Bestehen einer Versicherungspflicht - teilweise ausdrücklich, teilweise implizit durch die Feststellung einer nicht den gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum umfassenden Versicherungspflicht - verneint hat. Die belangte Behörde hat dies zum einen auf die im fortgesetzten Verfahren vorgelegten, vom belgischen Office National de Securite Sociale aufgrund der VO 1408/71 ausgestellten Bescheinigungen E 101 und zum anderen auf "Bescheinigungen" nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Belgien über Soziale Sicherheit vom 4. April 1977, BGBl. Nr. 612/1978, (ab hier: Abkommen) gegründet.

3. Zu den aufgrund der in den Streitzeiträumen noch anzuwendenden VO 1408/71 ausgestellten Bescheinigungen E 101 und der von der belangten Behörde darauf gestützten Verneinung der Versicherungspflicht ist Folgendes auszuführen:

Gemäß Artikel 13 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unterliegt ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt oder sein Arbeitgeber oder das Unternehmen, das ihn beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates hat.

Art. 14 der Verordnung Nr. 1408/71 lautete (auszugsweise):

"Artikel 14

Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine

abhängige Beschäftigung ausüben

Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a) gelten

folgende Ausnahmen und Besonderheiten:

  1. 1. (…)
  2. 2. Eine Person, die gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten abhängig beschäftigt ist, unterliegt den wie folgt bestimmten Rechtsvorschriften:

    a) Eine Person, die als Mitglied des fahrenden oder fliegenden Personals eines Unternehmens beschäftigt wird, das für Rechnung Dritter oder für eigene Rechnung im internationalen Verkehrswesen die Beförderung von Personen oder Gütern im Schienen- , Straßen-, Luft- oder Binnenschiffahrtsverkehr durchführt und seinen Sitz im Gebiet des Mitgliedstaats hat, unterliegt den Rechtsvorschriften des letzten Mitgliedstaats mit folgender Einschränkung:

    i) Eine Person, die von einer Zweigstelle oder ständigen Vertretung beschäftigt wird, die das Unternehmen außerhalb des Gebietes des Mitgliedstaats, in dem es seinen Sitz hat, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats unterhält, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sich die Zweigstelle oder die ständige Vertretung befindet;

    ii) eine Person, die überwiegend im Gebiet des Mitgliedstaats beschäftigt wird, in dem sie wohnt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates auch dann, wenn das Unternehmen, das sie beschäftigt, dort weder seinen Sitz noch die Zweigstelle oder eine ständige Vertretung hat;

  1. b) eine Person, die nicht unter Buchstabe a) fällt, unterliegt:
  2. i) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Staates ausübt oder wenn sie für mehrere Unternehmen oder mehrere Arbeitgeber tätigt ist, die ihren Sitz oder Wohnsitz im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten haben;

    ii) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Unternehmen oder der Arbeitgeber, das bzw. der sie beschäftigt, seinen Sitz oder Wohnsitz hat, sofern sie nicht im Gebiet eines der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie ihre Tätigkeit ausübt.

    3. (…)"

    Art. 12a Abs. 1a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 647/2005 lautete:

"(1a) Gelten nach Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung für eine Person, die als Mitglied des fahrenden oder fliegenden Personals eines internationalen Transportunternehmens beschäftigt wird, die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sich entweder der Sitz, die Zweigstelle oder die ständige Vertretung des Unternehmens, das sie beschäftigt, oder aber der Ort befindet, an dem sie wohnt und überwiegend beschäftigt ist, so stellt der von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats bezeichnete Träger der betroffenen Person eine Bescheinigung darüber aus, dass die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für sie gelten."

Der EuGH hat hinsichtlich der gemäß Art. 11a VO 574/72 auszustellenden Bescheinigung E 101 ausgesprochen, dass sie den zuständigen Träger des Mitgliedstaats, in den sich der Selbständige zur Ausführung einer Arbeit begibt, in Bezug auf die anzuwendenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bindet, solange sie nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt worden ist (vgl. das Urteil vom 30. März 2000, Rs C-178/97 - Banks u.a., insb. Rz 39 ff und den Urteilstenor). Eine ebensolche Bindungswirkung hat der EuGH einer Bescheinigung E 101 auch zugesprochen, wenn sie gemäß Art. 11 Abs. 1 lit. a VO 574/72 ausgestellt wird (vgl. die Urteile vom 10. Februar 2000, Rs C- 202/97 - Fitzwilliam FTS, Rz 52 ff, und vom 26. Jänner 2006, Rs C- 2/05 - Herbosch Kiere NV, Rz 23 ff; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2010/08/0231). Im Urteil in der Rechtssache Banks hat der EuGH weiters festgehalten, dass eine Bescheinigung E 101 auch Rückwirkung entfalten kann. Der an die Bescheinigung gebundene Mitgliedstaat kann bei Zweifeln an der Richtigkeit des der Bescheinigung zugrunde liegenden Sachverhalts oder dessen rechtlicher Bewertung eine Überprüfung durch den ausstellenden Träger verlangen und - sofern es zu keiner Übereinstimmung kommt - die Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer um Vermittlung anrufen. Führt dies nicht zum Erfolg, kann er schließlich ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 ff AEUV anstrengen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2012, Zl. 2010/08/0085). In seinem Erkenntnis vom 23. Mai 2012, Zl. 2009/08/0204, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass davon auszugehen ist, dass eine Bescheinigung E 101 nach Art. 12a Abs. 2 VO 574/72 hinsichtlich des anwendbaren Rechts die gleiche Bindungswirkung entfaltet wie eine Bescheinigung E 101 nach Art. 11 Abs. 1 lit. a oder Art. 11a VO 574/72 , weil die vom EuGH für die Bindungswirkung angeführten Gründe - insbesondere der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie der Grundsatz des Anschlusses der Arbeitnehmer und Selbständigen an ein einziges System der sozialen Sicherheit, verbunden mit der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Systems - hier gleichermaßen zutreffen.

Im gegenständlichen Verfahren stützt sich die belangte Behörde auf Bescheinigungen E 101 des belgischen Office National de Securite Sociale. In diesen - im Verwaltungsakt enthaltenen - Bescheinigungen mit den Ausstellungsdaten 1. Dezember, 2. Dezember und 8. Dezember 2005, sowie 12. Jänner 2006 wird angegeben, dass sich die Geltung belgischer Rechtsvorschriften auf Art. 14 Abs. 2 lit. a Ziffer i.) VO 1408/71 gründe: die Bescheinigungen stützen sich damit offenbar auf Art. 12a Abs. 1a VO 574/72 . Es ist davon auszugehen, dass solche Bescheinigungen gleichermaßen wie Bescheinigungen nach Art. 11 Abs. 1 lit. a, Art. 11a oder Art. 12a Abs. 2 der VO 574/72 Bindungswirkung für die nationalen Behörden hinsichtlich des anzuwendenden Rechts in jenen Zeiträumen, für die die Bescheinigungen ausgestellt wurden, entfalten.

Das Vorbringen der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse, dass die belangte Behörde ungeachtet der Bescheinigungen eine eigene Beurteilung vornehmen hätte müssen, da die Bescheinigungen keine Bindungswirkung entfalten würden, erweist sich damit als verfehlt. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hat weiters nicht in Zweifel gezogen, dass sich die ausgestellten Bescheinigungen auf die verfahrensgegenständlichen Beschäftigungen der mitbeteiligten LKW-Lenker beziehen. Sie hat auch nicht behauptet, dass die ausgestellten Bescheinigungen zurückgezogen oder für ungültig erklärt worden wären.

In dem Vorbringen, dass "der Vordruck E 101 nicht als gegeben hinzunehmen, sondern auf Echtheit und Richtigkeit zu prüfen" gewesen sei, ist schließlich keine Bestreitung der Echtheit der Bescheinigungen zu erkennen. Eine Verpflichtung der belangten Behörde, die vorgelegten Bescheinigungen ohne weiteren Anlass auf ihre Echtheit hin zu überprüfen, bestand aber nicht.

Es ist der belangten Behörde daher nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgegangen ist, dass die mitbeteiligten LKW-Lenker in jenen Zeiträumen, für die die Bescheinigungen E 101 ausgestellt worden waren, belgischen Rechtsvorschriften unterlagen und eine Versicherungspflicht in Österreich daher nicht festzustellen war.

4. Hinsichtlich des Viertmitbeteiligten wird im Spruch des angefochtenen Bescheids festgestellt, dass dieser keiner "Pflichtversicherung zur U KG im streitgegenständlichen Zeitraum" unterliege. Im erstinstanzlichen Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vom 2. Jänner 2002 war noch die Versicherungspflicht im Zeitraum vom 27. bis 31. August 2000 festgestellt worden. Mit ihrem Ausspruch, dass der Viertmitbeteiligte keiner "Pflichtversicherung" unterliege, hat die belangte Behörde daher über diesen Zeitraum negativ abgesprochen. Für den Zeitraum 27. bis 31. August 2000 liegt jedoch weder eine Bescheinigung E 101 (eine solche wurde erst für die Zeit ab dem 27. August 2001 ausgestellt) noch eine Bescheinigung nach dem Abkommen vor. Auch sonst wird in der Begründung des angefochtenen Bescheids der negative Abspruch über die Versicherungspflicht des Viertmitbeteiligten im Zeitraum vom

27. bis 31. August 2000 nicht näher begründet. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in diesem - vom Beschwerdepunkt erfassten - Umfang als rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

5. Hinsichtlich des Fünftmitbeteiligten, für den die Versicherungspflicht nur vom 1. Dezember bis 31. Dezember 2000 festgestellt wurde, lag für den Zeitraum 1. Jänner bis 14. März 2001 keine Bescheinigung E 101 vor. Die belangte Behörde stützte ihre Feststellung, dass in diesem - vom Verfahrensgegenstand umfassten - Zeitraum keine Versicherungspflicht bestand, in der Begründung des angefochtenen Bescheids auf eine Bescheinigung der Freien Krankenkasse, wonach der Fünftmitbeteiligte aufgrund seiner Beschäftigung für die U S.A. vom 1. Jänner 2001 bis 31. Dezember 2002 in Belgien versichert gewesen sei.

Dazu bringt die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse vor, dass der zweite Halbsatz des Art. 9 Abs. 3 des Abkommen normiere, dass für beschäftigte Dienstnehmer die Rechtsvorschriften des Vertragsstaates des Dienstortes gelten würden. Die Dienstnehmer seien sämtlich bei der erstmitbeteiligten Partei beschäftigt und seien niemals nach Belgien entsandt worden, wo sie außer der Privatwohnung des E K. nichts vorfinden würden. Vielmehr hätten sie die Route Deutschland-Italien befahren.

Art. 9 des Abkommens BGBl. Nr. 612/1978 lautet (auszugsweise):

"Artikel 9

(1) Wird ein Dienstnehmer, der im Gebiet eines Vertragsstaates von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, von diesem Unternehmen in das Gebiet des anderen Vertragsstaates zur Arbeitsleistung für Rechnung dieses Unternehmens entsendet, so gelten, wenn die zu verrichtende Arbeit voraussichtlich nicht länger als 24 Monate dauert, die Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaates weiter, als wäre er noch in dessen Gebiet beschäftigt.

(2) Wird ein Dienstnehmer eines Luftfahrtunternehmens mit dem Sitz im Gebiet eines Vertragsstaates aus dessen Gebiet in das Gebiet des anderen Vertragsstaates entsendet, so gelten die Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaates, als wäre er noch in dessen Gebiet beschäftigt.

(3) Wird ein dem fahrenden Personal angehörender Dienstnehmer eines Transportunternehmens, das seinen Sitz im Gebiet eines Vertragsstaates hat, im Gebiet des anderen Vertragsstaates beschäftigt, so gelten die Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaates, als wäre er in dessen Gebiet beschäftigt; unterhält das Unternehmen im Gebiet des zweiten Vertragsstaates eine Zweigniederlassung, so gelten für die von ihr beschäftigten Dienstnehmer die Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates.

(…)"

Art. 5 der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Belgien über soziale Sicherheit, BGBl. Nr. 613/1978, (ab hier: Vereinbarung) lautet:

"Artikel 5

Entsendungen

In den Fällen des Artikels 9 Absatz 1 des Abkommens hat der Dienstnehmer eine Bescheinigung vorzulegen, die in Österreich vom Träger der Krankenversicherung, in Belgien vom Staatlichen Amt für Soziale Sicherheit (Office national de securite sociale) auszustellen ist."

Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid die "Bescheinigungen nach dem Abkommen" der Freien Krankenkasse in E/Belgien an, ohne sich näher mit deren Rechtsnatur zu befassen. Wie sich aber aus Art. 5 der Vereinbarung ergibt, hätte eine Bescheinigung im Sinne dieser Bestimmung vom Office National de Securite Sociale ausgestellt werden müssen. Den von der belangten Behörde zitierten "Bescheinigungen" der Freien Krankenkasse kann schon aus diesem Grund keine weitere Wirkung zukommen.

Ungeachtet des Nichtvorliegens einer Bestätigung nach Art. 5 der Vereinbarung wäre aus Art. 9 Abs. 3 des Abkommens eine Anwendung belgischer Rechtsvorschriften für den Fünftmitbeteiligten dann abzuleiten, wenn dieser als Dienstnehmer einer belgischen Zweigniederlassung der U KG anzusehen wäre. Angesichts dessen, dass im angefochtenen Bescheid keine genaueren Feststellungen über den Dienstort bzw. die organisatorische Eingliederung des Fünftmitbeteiligten getroffen werden, lässt sich die Frage, ob der Fünftmitbeteiligte im Zeitraum 1. Jänner bis 14. März 2001 bei einer Zweigniederlassung der U KG in Belgien beschäftigt war (vgl. aber das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/08/0254, mit dem die österreichischen Rechtsvorschriften unterliegende Versicherungspflicht des Fünftmitbeteiligten für den Zeitraum 1. Dezember bis 31. Dezember 2000 bestätigt wurde), nicht abschließend beantworten. Der angefochtene Bescheid war in diesem Punkt daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Im Übrigen war die Beschwerde aus den unter Pkt. 3. ausgeführten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte