VwGH 2009/06/0144

VwGH2009/06/014417.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1) des Dr. AE, Rechtsanwalt in I, 2) des Dr. AH, Rechtsanwalt in I, und

3) des Dr. MG in I, vertreten durch Mag. Michael Goller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Edith-Stein-Weg 2, gegen die Bescheide des Plenums des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 28. Mai 2009, zu 1) Zl. VS 05-0944 F (Beschwerde Zl. 2009/06/0144), zu 2) Zlen. VS 06-0794 F, VS 06- 0795 F (Beschwerde Zl. 2009/06/0156), und zu 3) Zlen. VS 06- 0822 F, VS 06-0823 F (Beschwerde Zl. 2009/06/0157), betreffend Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO (weitere Partei in allen Beschwerdeverfahren: Bundesministerin für Justiz),

Normen

ABGB §1004;
ABGB §1152;
AHK 2005 §4;
AHR §4;
AHR Präambel;
B-VG Art7;
EMRK Art14;
RAO 1868 §16 Abs3;
RAO 1868 §16 Abs4;
RAO 1868 §17;
RAO 1868 §28 Abs1 litf;
RAO 1868 §45;
RAO 1868 §47 Abs3 Z3;
RAO 1868 §47 Abs5;
RAT;
StGG Art2;
StPO §41;
VwGG §47;
VwGG §48 Abs1 Z2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2009:2009060144.X00

 

Spruch:

I.) den Beschluss gefasst:

Die Beschwerden des Erst- und des Zweitbeschwerdeführers werden, soweit sie sich gegen die als "Hinweis" überschriebenen Teile der jeweils angefochtenen Bescheide richten, zurückgewiesen, und

II.) zu Recht erkannt:

Die abweislichen Teile der angefochtenen Bescheide werden

wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer Tirol hat dem Erstbeschwerdeführer und dem Zweitbeschwerdeführer jeweils Aufwendungen der Höhe von EUR 220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren dieser beiden Beschwerdeführer wird abgewiesen.

Die Rechtsanwaltskammer Tirol hat dem Drittbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren des Drittbeschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Rechtsanwälte in Tirol und waren zu Verfahrenshelfern für verschiedene Angeklagte in einem Strafverfahren beim Landesgericht Innsbruck, dem sogenannten "Finanzamtsprozess", bestellt.

Mit den teils im Februar und teils im März 2008 eingebrachten Schriftsätzen begehrten die Beschwerdeführer gemäß § 16 Abs. 4 RAO die Honorierung ihrer im Kalenderjahr 2007 in diesem Strafverfahren erbrachten Leistungen (es handelt sich vor allem, aber nicht nur, um die Teilnahme an zahlreichen Hauptverhandlungen, abgerechnet wird jeweils nach Einheitssatz; im Vorbringen heißt es, es habe 68 Verhandlungstage mit insgesamt rund 400 Verhandlungsstunden gegeben). Strittig ist in den Beschwerdeverfahren, ob den Beschwerdeführern der geltend gemachte Zuschlag in Höhe von 20 % im Sinne des § 4 der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) zusteht.

Mit den erstinstanzlichen Bescheiden des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 26. Jänner 2009 wurde nur teilweise antragsgemäß entschieden. Zur Frage der angesprochenen Zuschläge vertrat die Behörde erster Instanz die Auffassung, die von den jeweiligen Beschwerdeführern zu leistende Verteidigung sei nach Art und insbesondere Umfang "überdurchschnittlich" gewesen, was zur Konsequenz gehabt habe, dass die jeweiligen Beschwerdeführer ihre Leistungen als Verfahrenshelfer auf Grundlage des § 16 Abs. 4 RAO vergütet erhielten. In Bezug auf einen Zuschlag nach § 4 AHK sei daher zu prüfen, ob die Leistungen im Vergleich zu sonstigen "überlangen" Verfahren, die nach § 16 Abs. 4 RAO zu vergüten seien, einen überdurchschnittlichen Aufwand darstellten. Die gegenständliche Strafsache zeichne sich dadurch aus, dass die Verteidiger eine große Anzahl an Verhandlungsstunden zu verrichten gehabt hätten. Die Vergütung der geleisteten Verhandlungstätigkeit sei nach den Tarifansätzen der AHK erfolgt; zuzüglich sei der Einheitssatz im Sinne des § 23 RATG berücksichtigt worden, der die Nebenleistungen nach den genannten Tarifposten 5, 6 und 8 abdecke. Je mehr nach AHK zu honorierende Leistungen erbracht würden, desto größer werde auch das Volumen des die Nebenleistungen des Rechtsanwaltes berücksichtigenden Einheitssatzes. Es sei eine Erfahrungstatsache, dass die tatsächlich anfallenden Nebenleistungen in Form von Konferenzen, Telefonaten und Korrespondenzen nicht proportional mit der Erbringung der "Hauptleistung", also der Verrichtung von Verhandlungen oder dem Verfassen von Schriftsätzen anwüchsen. Die zu erbringenden Nebenleistungen seien bei der Fortdauer eines langen Verfahrens rückläufig, sie fielen gehäuft zumeist im Vorfeld eines Verfahrens an, gleich ob das Verfahren dann 10 oder 50 Verhandlungsstunden dauere. Da jedem Beschwerdeführer für die große Anzahl an verrichteten Verhandlungsstunden jeweils 50 % Einheitssatz gewährt worden sei, erscheine nach Auffassung der Behörde erster Instanz ein weiterer Zuschlag nach § 4 AHK bei Ermittlung der angemessenen Vergütung nicht gerechtfertigt. Ein weiterer Punkt, der gegen die Gewährung eines Zuschlages nach § 4 AHK spreche, sei darin begründet, dass an diesem Strafverfahren insgesamt 7 Verteidiger für 11 Angeklagte eingeschritten seien. Bekanntlich sei diese Art der Verhandlungsführung zwar sehr zeitintensiv, die einzelnen Verteidiger hätten aber bei Verfahrenspunkten, die nicht ihren Mandanten beträfen, meist nur die Rolle des unbeteiligten Zuhörers, ohne selbst aktive Verteidigungsleistungen erbringen zu müssen. Zudem führe das Einschreiten mehrerer Verteidiger - etwa bei der Erörterung von Beweisen - zu Synergie-Effekten, die den einzelnen Verteidiger arbeitsmäßig entlasteten.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellungen.

Mit den angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde den Vorstellungen teilweise Folge gegeben und die Entscheidungen erster Instanz dahingehend teils bestätigt und teils abgeändert, dass sie nun insgesamt neu gefasst wurden, und zwar jeweils in einen Spruchpunkt 1. (Zuspruch) und einen abweislichen Spruchpunkt 2.

Nach dem eigentlichen Spruch und vor der Rechtsmittelbelehrung (an diese schließt sich die Begründung an) folgt ein Abschnitt, der mit "Hinweis" überschrieben ist, und der wie folgt lautet:

"Für den Fall, dass die vom Bundesministerium für Justiz in den nach § 47 Abs. 5 RAO zu erlassenden Verordnungen betreffend das Kalenderjahr 2007 festgesetzten und der Tiroler Rechtsanwaltskammer tatsächlich zugezählten Mittel geringer sind, als jene Vergütung, die mit diesem Bescheid bestimmt wurde, behält sich die Tiroler Rechtsanwaltskammer die amtswegige Behebung dieses Bescheides und die Rückforderung ausbezahlter Beträge mit Rücksicht auf das öffentliche Wohl ausdrücklich vor. Insoweit ist ein gutgläubiger Verbrauch zur Auszahlung gelangender Beträge ausdrücklich ausgeschlossen."

In der Begründung der angefochtenen Bescheide wird zunächst wörtlich die Begründung des Bescheides erster Instanz wiedergegeben, daran schließen eigene Erwägungen der belangten Behörde an. Hinsichtlich der strittigen Zuschläge nach § 4 AHK führte die belangte Behörde jeweils aus, für sie bestehe nach "eingehender Diskussion" keine Notwendigkeit, von der erstinstanzlichen Rechtsauffassung abzugehen, wonach im konkreten Fall kein Zuschlag nach § 4 AHK gebühre. Die belangte Behörde vertrete im Einklang mit der Behörde erster Instanz die Auffassung, es sei eine Erfahrungstatsache, wonach jene Nebenleistungen, welche nicht durch den Einheitssatz abgedeckt seien, nicht im gleichen Umfang wie die zu verrichtenden Verhandlungen anfielen, das heiße, mit fortschreitender Verhandlungsdauer reduzierten sich erfahrungsgemäß die nicht vom Einheitssatz gedeckten Nebenleistungen. Es sei zwar richtig, dass die Tiroler Rechtsanwaltskammer gelegentlich in früheren Verfahren, welche zu entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes geführt hätten (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 2008, Zl. 2006/06/0264 und vom 17. April 2007, Zl. 2003/06/0050) einen 20 %igen Zuschlag gemäß § 4 AHK zuerkannt hätte, jedoch seien jene Verfahren mit dem gegenständlichen nicht vergleichbar, insbesondere habe in jenen Verfahren ein "atypischer erheblicher Mehraufwand" vor Beginn der Hauptverhandlung bestanden.

Es sei somit nach Auffassung der belangten Behörde für die Zuerkennung eines Zuschlages nach § 4 AHK eine Abwägung zwischen der Anzahl der verrichteten Hauptverhandlungsstunden bzw. honorierten Schriftsätzen einerseits, sowie den angefallenen, nicht durch den Einheitssatz gedeckten Nebenleistungen andererseits vorzunehmen, wobei mit zunehmenden Verhandlungsstunden die nicht vom Einheitssatz gedeckten Nebenleistungen, wie auch in den konkreten Fällen, rückläufig seien, jedenfalls vom jeweiligen Beschwerdeführer diesbezüglich kein "atypischer erheblicher Mehraufwand" glaubhaft vorgebracht worden sei, welcher im Hinblick auf diese Rechtsauffassung einen Zuschlag rechtfertigen würde.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat jeweils die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerdeverfahren wegen des sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat erwogen:

In den Beschwerdefällen ist insbesondere § 16 der Rechtsanwaltsordnung (RAO) anzuwenden, und zwar dieser Paragraph in der Fassung BGBl. I Nr. 71/1999 (§ 16 Abs. 4 RAO wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 111/2007 geändert, wobei aber gemäß den Übergangsbestimmungen zur Novelle (Art. XVII § 10) die geänderte Fassung nur auf Anträge anzuwenden ist, die nach dem 31. März 2008 bei der Rechtsanwaltskammer eingebracht werden; das trifft in den Beschwerdefällen aber nicht zu).

§ 16 Abs. 3 und 4 RAO lautet (in der Fassung BGBl. I Nr. 71/1999):

"(3) Für die Leistungen, für die die nach den §§ 45 oder 45a bestellten Rechtsanwälte zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, haben die in der Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte an diese Rechtsanwaltskammer einen Anspruch darauf, daß sie jedem von ihnen aus dem ihr zugewiesenen Betrag der Pauschalvergütung einen gleichen Anteil auf seinen Beitrag zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung anrechnet, soweit nicht ein Anspruch auf Vergütung nach Abs. 4 besteht.

(4) In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs. 3 für alle jährlich darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen nach Maßgabe von Vorschußzahlungen nach § 47 Abs. 5 letzter Satz von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuß zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuß. Ist die Vergütung, die der Rechtsanwalt erhält, geringer als der ihm gewährte Vorschuß, so hat der Rechtsanwalt den betreffenden Betrag dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer zurückzuerstatten."

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 26. Mai 2008, 2006/06/0264, mit Ansprüchen nach § 16 Abs. 4 RAO befasst und hat hiezu ausgeführt:

"Die von der Rechtsanwaltschaft im Rahmen der Verfahrenshilfe erbrachten Leistungen werden grundsätzlich durch die vom Bund dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag gemäß § 47 Abs. 1 RAO zu leistende Vergütung abgegolten. Der einzelne Rechtsanwalt erwirbt im Allgemeinen durch seine Leistungen in einem Verfahren, in dem er gemäß § 45 RAO bestellt wurde, gegenüber der Rechtsanwaltskammer - abgesehen vom Anspruch auf anteilsmäßige Anrechnung auf die Beiträge gemäß § 16 Abs. 3 RAO - keinen individuellen Vergütungsanspruch. Von diesem Grundsatz normiert § 16 Abs. 4 RAO eine Ausnahme: Wird der Rechtsanwalt im besonderen Umfang in Anspruch genommen, so gebührt ihm eine individuelle Vergütung. Dabei wird in § 16 Abs. 4 erster Satz RAO daran angeknüpft, dass der betreffende Rechtsanwalt, dessen Vergütungsanspruch zu bemessen ist, mehr als zehn Verhandlungstage oder 50 Verhandlungsstunden in Anspruch genommen wurde, indem

gesagt wird, 'er' (der Rechtsanwalt) hat ... Anspruch auf eine

Vergütung für 'alle darüber hinausgehenden Leistungen'.

Die Regelung des § 16 Abs. 4 RAO geht auf die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1991, Slg. 12.638, enthaltenen Erwägungen zurück, in denen dieser Gerichtshof ausgeführt hat, der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz mache es erforderlich, dass dem einzelnen Rechtsanwalt in Fällen besonders umfangreicher und arbeitsintensiver Vertretungen und Strafverteidigungen, die ihn als Verfahrenshelfer wochen- und auch monatelang in Anspruch nehmen, ausnahmsweise eine individuelle Vergütung zustehen soll.

§ 16 Abs. 4 RAO spricht von 'angemessener Vergütung'. 'Angemessen' ist jene Vergütung, die sich unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Bedachtnahme darauf, was in gleich gelagerten Fällen geschieht, ergibt. Bei der Bemessung ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Vergütung nicht zuletzt der Abwendung der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis Slg. 12.638 dargelegten Auswirkungen der Belastung der Rechtsanwälte durch überlange Verfahren, die bis zur Existenzbedrohung gehen können, dient.

Den von der ständigen Vertreterversammlung der österr. Rechtsanwaltskammern erstellten Honorarrichtlinien (AHR) kommt als kodifiziertem Gutachten über die Angemessenheit der im RATG nicht näher geregelten anwaltlichen Leistungen für die Honorarberechnung Bedeutung zu, sofern zwischen Rechtsanwalt und Mandanten keine Honorarvereinbarung geschlossen wurde und kein gesetzlicher Tarif besteht. In der Präambel zu den AHR wird ausgeführt, die Rechtsanwaltskammern Österreichs werden im Falle einer Begutachtung der Angemessenheit von Entlohnungen für rechtsanwaltliche Tätigkeiten gemäß § 28 Abs. 1 lit. f RAO die Bemessungsgrundlagen und Honoraransätze der AHR als angemessene Entlohnung (§ 17 RAO, §§ 1152, 1004 ABGB) betrachten.

Nach § 16 Abs. 4 RAO hat aber die Kammer nicht etwa die angemessene Entlohnung eines Wahlverteidigers, der auf Grund vertraglicher Vereinbarung mit seinem Klienten tätig wurde, zu bemessen, sondern eine angemessene Vergütung für einen gemäß § 41 StPO vom Gericht beigegebenen und gemäß § 45 RAO von der Rechtsanwaltskammer bestellten Rechtsanwalt, der somit auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Pflichtenverhältnisses im Rahmen der Mitwirkung der Rechtsanwaltschaft an der Rechtspflege tätig wird, festzusetzen.

Maßgeblich ist somit, in welcher Höhe die Vergütungen für gemäß § 45 RAO bestellte Rechtsanwälte in Fällen mit vergleichbarem Leistungsumfang bemessen werden. Die Materialien zu § 16 Abs. 4 RAO (1380 BlgNR XVII GP) sprechen davon, dass sich die Höhe der besonderen Vergütung nach der gemäß § 47 Abs. 5 RAO neue Fassung gesondert festzusetzenden Pauschalvergütung für solche überlangen Verfahren richten werde. Die Angemessenheit der gesondert festzusetzenden Pauschalvergütung werde nach den für die Festsetzung der Pauschalvergütung im Allgemeinen anzuwendenden Grundsätzen (siehe insbesondere § 47 Abs. 3 Z. 3) zu bestimmen sein. In der zuletzt zitierten Gesetzesstelle ist davon die Rede,

'die Vergütung ... der Entlohnung anzunähern die nach den

Standesrichtlinien der Rechtsanwälte als angemessen angesehen wird'.

Im Erkenntnis vom 4. November 2002, Zl. 2000/10/0050, hat der Verwaltungsgerichtshof auch die Auffassung vertreten, dass es nicht rechtswidrig ist, im Sinne einer 'Annäherung' an die nach den Standesrichtlinien als angemessen anzusehende Entlohnung und in Verweisung auf die allgemeine Übung, von den Ansätzen der AHR ausgehend einen Abschlag von 25 Prozent vorzunehmen.'

Diese Grundsätze haben auch in den Beschwerdefällen zu gelten, wobei sich nur insoweit eine Änderung ergab, als die Autonomen Honorarrichtlinien (AHR) durch die Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) - beschlossen von der österreichischen Rechtsanwaltkammer am 7. Oktober 2005, kundgemacht auf der Website des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages - ersetzt wurden.

§ 4 der AHK lautet:

"Die Honoraransätze setzen Leistungen eines Rechtsanwaltes voraus. Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Honorars ist zu berücksichtigen, ob diese Leistungen nach Art oder Umfang den Durchschnitt erheblich übersteigen oder unterschreiten".

§ 4 AHR lautete:

"Die Honoraransätze setzen rechtsanwaltliche Leistungen, die eine durchschnittliche Bewertung zulassen, voraus. Für Leistungen des Rechtsanwaltes, die nach Art oder Umfang den Durchschnitt erheblich übersteigen, ist ein der Verantwortlichkeit, dem Umfange, der Mühewaltung und dem Ergebnis der Leistung sowie den persönlichen Verhältnissen des Auftraggebers angemessener Zuschlag zu den Honoraransätzen zulässig".

Von einem "Zuschlag" ist in § 4 AHK (anders als in § 4 AHR) nicht ausdrücklich die Rede, das ergibt sich bloß mittelbar aus dem Regelungsinhalt, der auf einen "Durchschnitt" abstellt. Übersteigen die erbrachten Leistungen nach Art oder Umfang den Durchschnitt erheblich, sind nach § 4 AHK höhere Honoraransätze (als sonst vorgesehen) angemessen, sprich, ein Zuschlag. Insofern hat sich aus dem Blickwinkel der Beschwerdefälle gegenüber der früheren Rechtslage auf Grundlage der AHR nichts Wesentliches geändert; durch die Neufassung nunmehr weggefallener Kriterien, wie Verantwortlichkeit, Ergebnis der Leistung sowie persönliche Verhältnisse spielen hier keine Rolle.

Die Beschwerdeführer haben insbesondere in ihren Vorstellungen (die zwar nicht gleich lautend sind, das Vorbringen ist aber im Kern übereinstimmend und konvergierend) darauf verwiesen, dass es sich um eines der größten Strafverfahren überhaupt handle, dass die Gerichtsakten 200 Bände umfassten, dazu kämen noch sehr viele Ordner mit Beilagen udgl. Sie haben auf die Komplexität des Verfahrens verwiesen, wie auch auf die Schwierigkeit der Materie.

Diese Umstände erlauben die Bejahung beider Voraussetzungen des geforderten Zuschlages. Es kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die gegenständliche Wirtschaftsstrafsache der Art nach überdurchschnittliche Leistungen erforderte, wie auch der überdurchschnittliche Umfang allein auf Grund der 200 Bände des Gerichtsaktes vorliegt (die Vielzahl der Verhandlungen wird durch die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 4 RAO und die jeweils verzeichneten Honoraransätze abgegolten).

Die belangte Behörde geht nicht ausdrücklich darauf ein; sie bejaht diesen Anspruch offenbar stillschweigend, wenn sie in einer Art Gegenrechnung den Einheitssatz und die behaupteten Synergieeffekte in Anschlag bringt.

Ausgehend von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der AHK als Richtschnur kann aber der normativ mit einem fixen Prozentsatz festgelegte Einheitssatz nicht in Frage gestellt werden; es ist auch kein wie immer gearteter Zusammenhang zwischen den durch den Einheitssatz abgegoltenen Leistungen und dem besonderen Zuschlag nach § 4 AHK erkennbar.

Die behaupteten Synergieeffekte sind nicht auszuschließen; wenn etwa ein Verteidiger ein umfangreiches Vorbringen erstattet und dazu Beweise anbietet und sich der andere Verteidiger dem anschließt, könnte bei dem anderen Verteidiger das Kriterium der Überdurchschnittlichkeit in Frage gestellt werde. Diesbezüglich hätte es allerdings konkreter Feststellungen bedurft; die bloße Vermutung reicht nicht aus, den Anspruch nach § 4 AHK zu mindern.

Die abweislichen Teile der angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer bekämpfen auch den in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen "Hinweis". Dabei handelt es sich nach den Umständen des Falles um keinen normativen Abspruch, sondern um einen bloßen Hinweis, dem Bescheidqualität nicht zukommt (vgl. dazu den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458/A), weshalb die Beschwerden insofern zurückzuweisen waren.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Der Schriftsatzaufwand war weder dem Erst- noch dem Zweitbeschwerdeführer zuzuerkennen, weil sie ihre Beschwerde persönlich und nicht durch einen Rechtsanwalt eingebracht haben, somit ein Vertretungsaufwand nicht angefallen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. September 2008, Zl. 2008/02/0225). Zuzuerkennen war daher jeweils nur die Pauschalgebühr. Das Kostenmehrbegehren des Drittbeschwerdeführers war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer enthält (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2005, Zl. 2005/06/0171, m.w.N.).

Wien, am 17. Dezember 2009

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