VwGH 2009/03/0051

VwGH2009/03/005120.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Dr. G Z in M, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 8. April 2009, Zl St 242/08, betreffend Entziehung eines Waffenpasses und einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
Auswertung in Arbeit!

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs 2 und 3 iVm § 8 Abs 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) die ihm ausgestellte Waffenbesitzkarte und den ihm ausgestellten Waffenpass entzogen.

Begründend gab die belangte Behörde zunächst (wörtlich) den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung und der dagegen erhobenen Berufung wieder, legte dann die maßgebenden Bestimmungen des WaffG sowie zum Tatbestand der Verlässlichkeit ergangene Judikatur dar und folgerte rechtlich, mit der Entziehung waffenrechtlicher Urkunden sei auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein bloß nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach eine Annahme im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG rechtfertige.

Der Beschwerdeführer habe (am 26. Mai 2007) seinem damals zwölfjährigen Sohn eine genehmigungspflichtige Faustfeuerwaffe (Glock) zum Schießen auf seiner nicht eingefriedeten Liegenschaft überlassen, der daraus mehrere Schüsse abgegeben habe. Er habe damit, zumal "überlassen" bedeute, das Hantieren mit einer Waffe zu ermöglichen, eine Waffe einem Menschen überlassen, der zum Besitz einer solchen nicht berechtigt war (§ 8 Abs 1 Z 3 WaffG).

Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Umstand, er habe sich in unmittelbarer Nähe seines Sohnes (sehr dicht hinter ihm stehend) befunden, als dieser die Schüsse abgegeben habe, ändere nichts Entscheidendes, zumal "gerade bei einer Kurzwaffe" ständig die Gefahr vorhanden sei, dass bei schnellen ruckartigen Bewegungen und darauf folgender Abgabe von Schüssen Personen verletzt oder Sachen beschädigt würden. Schon auf Grund dieses Vorfalles könne die Verlässlichkeit des Beschwerdeführers nicht mehr als gegeben angenommen werden, ohne dass es auf weitere (im erstinstanzlichen Verfahren relevierte) Sachverhaltselemente ankäme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens - die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand - erwogen:

1. Gemäß § 25 Abs 2 WaffG hat die Behörde die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist.

Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist.

Bezüglich der Verlässlichkeit ordnet § 8 Abs 1 WaffG

insbesondere Folgendes an:

"Verläßlichkeit

§ 8. (1) Ein Mensch ist verläßlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß er

  1. 1. Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
  2. 2. mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

    3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

    ...".

    Gemäß § 6 WaffG gilt als Besitz von Waffen und Munition auch

    deren Innehabung.

    2. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des WaffG bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Die solcherart anzustellende Verhaltensprognose kann dabei bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluss rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen bzw sie Menschen überlasse werde, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 29. Oktober 2009, Zl 2008/03/0099, mwN).

    3. Unstrittig ist vorliegend, dass der Beschwerdeführer seine Faustfeuerwaffe seinem zwölfjährigen Sohn zu Schießübungen auf einer nicht (vollständig) eingefriedeten Liegenschaft überlassen hat und dieser daraus mehrere Schüsse abgegeben hat. Daraus hat die belangte Behörde das Fehlen der Verlässlichkeit des Beschwerdeführers abgeleitet.

    4. Der Beschwerdeführer vertritt hingegen die Auffassung, aus diesem Umstand allein könne seine Unverlässlichkeit nicht abgeleitet werden: Er habe, nachdem er selbst Schießübungen vorgenommen habe, bei denen sein Sohn zusehen durfte, wobei er ihn (wie immer bei solchen Gelegenheiten) auf die Sicherheitsbestimmungen aufmerksam gemacht habe, abschließend seinem Sohn die Möglichkeit gegeben, die restlichen im Magazin der Pistole befindlichen Patronen zu verschießen. Dies, um ihm die Gefährlichkeit von Schusswaffen vor Augen zu führen und ihn zur Verantwortung zu erziehen. Wesentlich sei, dass er sich dabei unmittelbar rechts versetzt hinter seinem Sohn befunden habe. Sein Sohn habe daher "keine von mir nicht gewollte eigenbestimmte Handlung mit der Pistole vornehmen" können, "jegliches selbstbestimmte Handeln meines Sohnes mit der Pistole" sei durch die "unmittelbare Anwesenheit" des Beschwerdeführers und seine Möglichkeit, unmittelbar (insbesondere auch in die Schusshand) eingreifen zu können, ausgeschlossen gewesen. Sein Sohn habe lediglich in die sichere Richtung die restlichen paar Schüsse des Magazins abgeben können, bereits eine Bewegung zur Seite sei ihm unmöglich gewesen, weil der Beschwerdeführer dies durch seinen körperlichen Einsatz sofort verhindern hätte können. Hinzu trete, dass sein Sohn entsprechend eingewiesen sei und daher falsche Bewegungen von ihm auch nicht zu erwarten gewesen seien.

    Zwar umfasse kraft § 6 WaffG der Besitz auch die bloße Innehabung, doch sei das bloße Berühren, das Angreifen, das Halten oder Ähnliches nicht ausreichend, um von Besitz im Sinne des WaffG (Innehabung) bzw von Überlassung zu sprechen. Vielmehr sei eine unmittelbare Sachherrschaft bzw tatsächliche Verfügungsmöglichkeit notwendig, wobei die Herrschaft über die Waffe nicht durch das Medium einer anderen Person vermittelt werden dürfe.

    Dies bedeute, so der Beschwerdeführer weiter, dass er seinem Sohn die Waffe nicht überlassen habe, ihm also nicht Besitz (Innehabung) verschafft habe. Sein Sohn habe keine tatsächliche Verfügungsmöglichkeit (unmittelbare Sachherrschaft) über die Pistole gehabt, lediglich körperlichen Kontakt zu ihr, weil er sie gehalten habe; jede eigenbestimmte Bewegung mit der Waffe sei ihm aber unmöglich gewesen. Der Sachverhalt sei also nicht mit dem Fall, der dem hg Erkenntnis vom 25. April 1990, Zl 90/01/0033, zugrunde gelegen sei, zu vergleichen: Im dortigen Fall habe die Beschwerdeführerin ihre Faustfeuerwaffe für kurze Zeit ihrem Ehemann übergeben, ehe sie ein Schuhgeschäft aufgesucht habe; ihr Ehemann aber habe sich in ein Kaffeehaus begeben.

    Selbst unter Zugrundelegung der Auffassung, es handle sich doch um ein unberechtigtes Überlassen, könne daraus keine für den Beschwerdeführer negative Prognoseentscheidung abgeleitet werden:

    Das wegen diesen Vorfalls gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren sei von der Staatsanwaltschaft St. Pölten gemäß § 90 Abs 1 StPO eingestellt worden. Der Beschwerdeführer (selbst Jurist) habe sich vor der kritisierten Handlungsweise Gedanken darüber gemacht, ob er seinem Sohn erlauben dürfe, mit der Waffe Schüsse abzugeben und sei zum Schluss gekommen, dass dies rechtmäßig sei; diese Rechtsmeinung habe offensichtlich auch die Staatsanwaltschaft St. Pölten geteilt.

    Hinzu trete, dass der nunmehr 70jährige Beschwerdeführer sich niemals etwas zu Schulden kommen habe lassen, vielmehr jahrzehntelang unbeanstandet Inhaber eines Waffenpasses und einer Waffenbesitzkarte gewesen sei.

    Im Übrigen macht der Beschwerdeführer Verfahrensmängel geltend: Bei vollständiger Aufnahme der beantragten Beweise, insbesondere Durchführung eines Lokalaugenscheines, hätte erwiesen werden können, dass die von der belangten Behörde angenommene Gefahr, es hätten bei der Schussabgabe Personen verletzt oder Sachen beschädigt werden können, nicht bestanden habe, zumal der Beschwerdeführer durch seine unmittelbare Anwesenheit jegliche eigene Handlungsweise seines Sohnes hätte verhindern können.

    5. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

    Durch das Überlassen einer Faustfeuerwaffe an seinen damals zwölfjährigen Sohn, damit dieser mit ihr Schussübungen machen kann, hat der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt, das die von der belangten Behörde gestellte Prognose, es sei zu befürchten, dass er Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind (§ 8 Abs 1 Z 3 WaffG) rechtfertigt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist nämlich die festgestellte Verhaltensweise als (verbotswidriges) Überlassen zu qualifizieren: "Überlassen" im vorgenannten Sinn bedeutet, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, "das Hantieren mit der Waffe ermöglichen" (vgl die hg Erkenntnisse vom 8. Juni 1983, Zl 83/01/0227, und vom 25. April 1990, Zl 90/01/0033, je mwN).

    In den zitierten Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof überdies klargestellt, dass dem Umstand, dass der Betreffende sich nach Überlassen der Faustfeuerwaffe in unmittelbarer Umgebung befunden hat, keine entscheidende Bedeutung zukommt.

    Es ist daher im Beschwerdefall nicht erheblich, ob der Beschwerdeführer, wie er vorbringt, "unmittelbar rechts hinter" seinem Sohn gestanden ist, als dieser die Schüsse abgegeben hat. Vor dem (unstrittigen) Hintergrund, dass sein Sohn tatsächlich mehrere Schüsse aus der Waffe abgegeben hat, ist die Auffassung des Beschwerdeführers, sein Sohn habe "lediglich körperlichen Kontakt" zur Waffe gehabt, aber keine unmittelbare Sachherrschaft und nicht die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über die Waffe, nicht nachvollziehbar. Damit ist auch der daran geknüpften Verfahrensrüge der Boden entzogen.

    Die Einstellung des wegen des in Rede stehenden Vorfalls gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft St. Pölten entfaltet keine Bindungswirkung; vielmehr war von der belangten Behörde eigenständig zu prüfen, ob aufgrund der Handlung des Beschwerdeführers die Folgerung gerechtfertigt sei, er weise nicht mehr die vom WaffG geforderte Verlässlichkeit auf (vgl das hg Erkenntnis vom 28. März 2006, Zl 2003/03/0026).

    Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, entspricht es auch der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass unter Umständen schon wegen eines einzigen Vorfalls eine negative Verhaltensprognose iS des § 8 Abs 1 WaffG gerechtfertigt ist. Das in der Beschwerde hervorgehobene jahrzehntelange untadelige Verhalten des Beschwerdeführers steht der angefochtenen Entscheidung daher nicht entgegen.

    6. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Eine Kostenentscheidung hatte mangels darauf gerichteten Antrags der obsiegenden belangten Behörde zu entfallen.

    Wien, am 20. Juni 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte