VwGH 2009/01/0051

VwGH2009/01/005120.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des U B in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Zankl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 58, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 3. September 2009, Zl. 1/12-21486/9-2009, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §37 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs2 Z2 idF 2006/I/037;
FSG 1997 §37 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs2 Z2 idF 2006/I/037;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 6. Februar 2009 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei von der Bundespolizeidirektion Salzburg am 28. Juli 2008 mit Geldstrafe in Höhe von insgesamt EUR 365,-- bestraft worden, weil er am 14. Juli 2008 um 23.30 Uhr in Salzburg, Sterneckstraße in Richtung Linzer Bundesstraße kommend von der Kreuzung Vogelweiderstraße-Sterneckstraße, das Kraftfahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen: S-XXXX (A), das als Motorfahrrad zugelassen ist, auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt hat, wobei das als Motorfahrrad zugelassene Kraftfahrzeug am Prüfstand die erlaubte Bauartgeschwindigkeit erheblich überschritt, somit als Motorrad einzustufen war und er dennoch nicht im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung für die Klasse A gewesen sei. Dadurch habe der Beschwerdeführer eine Übertretung gemäß § 37 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG) begangen.

Des Weiteren sei der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn am 16. Jänner 2009 mit Geldstrafe in Höhe von EUR 700,-- bestraft worden, weil er am 1. November 2008, um 03.30 Uhr in Neukirchen an der Enknach, Landesstraße Freiland, Nr. 156 bei km 49.108 das Kraftfahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen: S-XXXXX (Pkw, Audi A4, blau), auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt hat, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung gewesen sei. Auch dadurch habe der Beschwerdeführer eine Übertretung gemäß § 37 Abs. 3 FSG begangen.

Bei diesen (beiden) Übertretungen handle es sich gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG "um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen, welche ein Verleihungshindernis darstellen". Auf Grund dieser nicht getilgten Verwaltungsvormerkungen erfülle der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG nicht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde nach Aktenvorlage eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG lautet:

"Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden nicht verliehen werden, wenn 1. ...

2. er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen § 99 Abs. 1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, wegen § 37 Abs. 3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, § 366 Abs. 1 Z 1 i.V.m. Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, wegen §§ 81 bis 83 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG), BGBl. Nr. 435/1996, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist; § 55 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt;"

Die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG normiert im ersten und zweiten Satzteil zwei Verleihungshindernisse. Bei Vorliegen eines dieser beiden Hindernisse darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden. Das Verleihungshindernis im ersten Satzteil des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG liegt dann vor, wenn der Verleihungswerber mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt rechtskräftig bestraft wurde, jenes im zweiten Satzteil dann, wenn der Verleihungswerber wegen einer schwerwiegenden Übertretung bestimmter Gesetze rechtskräftig bestraft wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl. 2006/01/0741; sowie zum Verleihungshindernis im zweiten Satzteil des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG auch die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 2009, Zl. 2006/01/0416, und vom 21. Jänner 2010, Zl. 2007/01/0795).

Im vorliegenden Beschwerdefall stützte die belangte Behörde die Abweisung des Verleihungsansuchens auf das Verleihungshindernis im ersten Satzteil des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG, weil der Beschwerdeführer zweimal wegen der Verwaltungsübertretung des § 37 Abs. 3 FSG rechtskräftig bestraft wurde.

Die belangte Behörde meint, schon allein wegen dieser (beiden) Verwaltungsübertretungen sei das Verleihungshindernis vorgelegen. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Dass die festgestellten Verwaltungsübertretungen nach § 37 Abs. 3 FSG schwerwiegende Übertretungen im Sinne des ersten Satzteiles des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG sind, trifft zu. Das Verleihungshindernis im Sinne dieser Bestimmung erfordert aber zusätzlich, dass diese Verwaltungsübertretungen auch einen besonderen Unrechtsgehalt aufweisen. Von einem besonderen Unrechtsgehalt wird dann auszugehen sein, wenn die Tat nicht nur das verbotene Tun verwirklicht, sondern erheblich überschreitet. Ebenso wird diese Voraussetzung vorliegen, wenn die Tat unter besonders gefährlichen Umständen - etwa mit einer abstrakten Gefährdung mehrerer Personen einhergehend - erfolgt. Ist lediglich Fahrlässigkeit gefordert, wird eine besondere Rücksichtslosigkeit für das Vorliegen der Voraussetzung sprechen, oder, wenn bedingter Vorsatz nötig ist, Absichtlichkeit. Daher ist (auch) eine nähere Prüfung und Auseinandersetzung mit den konkreten Verwaltungsübertretungen des Verleihungswerbers im Einzelfall notwendig. Diese Einzelfallprüfung hat die belangte Behörde jedoch unterlassen; sie hat sich mit dem besonderen Unrechtsgehalt der festgestellten Verwaltungsübertretungen gemäß § 37 Abs. 3 FSG nicht auseinandergesetzt.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren ist anzumerken, dass Verwaltungsübertretungen mit einer Bestrafung im unteren Drittel des Strafrahmens - soweit im Einzelfall nicht besondere Umstände für das Vorliegen eines besonderen Unrechtsgehaltes festgestellt werden können - den für das Vorliegen des Verleihungshindernisses erforderlichen besonderen Unrechtsgehalt in der Regel nicht erreichen. Der im Beschwerdefall maßgebliche § 37 Abs. 3 FSG sieht einen Strafrahmen von mindestens EUR 363,-- bis EUR 2.180,-- vor. Über den Beschwerdeführer wurden aber nur Strafen in Höhe von einerseits EUR 365,-- (das sind EUR 2,-- über der Mindeststrafe) und andererseits EUR 700,-- (das ist etwa ein Drittel der möglichen Strafhöhe) verhängt, sodass zwei schwerwiegende Verwaltungsübertretungen, die einen besonderen Unrechtsgehalt aufweisen, nicht vorliegen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer, der vom Beschwerdeführer verzeichnet wurde, findet darin keine Deckung.

Wien, am 20. September 2011

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