VwGH 2009/01/0017

VwGH2009/01/001726.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stelzl, über die Beschwerde des D N in H, geboren am 1972, vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Dr. Nikolaus Schertler, Mag. Nicolas Stieger und Mag. Andreas Droop, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 17. Dezember 2008, Zl. Ia 370- 534/97, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer wurde am 24. März 1972 im ehemaligen Jugoslawien geboren. Er hat seit 5. Jänner 1975 einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich. Am 19. September 1997 beantragte er bei der belangten Behörde die österreichische Staatsbürgerschaft.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 1999 wurde dem Beschwerdeführer die Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er innerhalb von zwei Jahren ab Rechtskraft dieses Bescheides sein Ausscheiden aus dem Verband des bisherigen Heimatstaates nachweist. In der Folge legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde einen Beschluss des Innenministeriums der Republik Serbien vom 18. August 1994 vor, wonach sein Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der Republik Serbien und der Bundesrepublik Jugoslawien abgelehnt wurde, da er seine Wehrpflicht nicht erfüllt habe.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Dezember 1999 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Im Zuge der Verleihung wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich befragt, wobei er unter anderem Folgendes angab und mit seiner Unterschrift bestätigte:

"Ich erkläre, dass ich, abgesehen von bereits zu Protokoll gegebenen Verurteilungen, weder durch ein inländisches Gericht noch von einem ausländischen Gericht verurteilt worden bin. Weiters habe ich in der Zwischenzeit weder eine gerichtlich strafbare noch eine verwaltungsstrafrechtliche Handlung gesetzt. Eine polizeiliche Untersuchung oder ein gerichtliches Strafverfahren ist gegen mich gegenwärtig weder im Inland noch im Ausland anhängig. Ich habe auch keine gerichtlich strafbare oder verwaltungsstrafrechtliche Handlungen gesetzt, zu denen noch keine behördliche Untersuchung läuft."

4. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. April 2001 wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB "aF" und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB sowie wegen der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie zur Bezahlung eines Teilschmerzengeldes in der Höhe von öS 50.000-- verurteilt. Der Verurteilung lag ua. zugrunde, dass der Beschwerdeführer eine unmündige Person, nämlich seine am 20. Dezember 1988 geborene Stieftochter, im Zeitraum Ende 1996 bis 18. Februar 2001 zur Unzucht missbraucht bzw. an dieser geschlechtliche Handlungen vorgenommen und am 15. Jänner 1996 den M. N. durch Zufügung einer Rippenprellung am Körper verletzt habe.

5. Nach Gewährung des Parteiengehörs wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Dezember 2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Rechtslage:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung nach der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG), lauten:

§ 24. Die Wiederaufnahme eines Verleihungsverfahrens darf aus den im § 69 Abs. 1 Z 2 und 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1999, genannten Gründen nur bewilligt oder verfügt werden, wenn der Betroffene hiedurch nicht staatenlos wird.

...

§ 35. Die Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 33 und 34) oder die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministeriums für Inneres zu erfolgen. ...

...

§ 64a. ...

(4) Verfahren auf Grund eines vor dem In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 37/2006 erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen."

§ 10 Abs. 1 Z 2 StbG in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG aF), lautete:

"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

...

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, ...

...

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

...

§ 20. ...

(2) Die Zusicherung ist zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.

..."

2. Zur Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG

Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe im Zeitpunkt der Erlassung des Verleihungsbescheides vom 1. Oktober 1999 Kenntnis über die damals bereits bestehenden Vorstrafen des Beschwerdeführers wegen Körperverletzung gehabt, ungeachtet dessen aber die Voraussetzungen zur Verleihung der Staatsbürgerschaft als gegeben erachtet.

Außerdem sei dem Beschwerdeführer die von ihm unterfertigte niederschriftliche Erklärung vom 13. Dezember 1999 nicht wörtlich vorgehalten, sondern sei er lediglich befragt worden, ob weitere strafgerichtliche Verurteilungen oder verwaltungsbehördliche Erkenntnisse gegen ihn vorliegen würden; dies sei von ihm wahrheitsgemäß verneint worden.

Aus diesen Gründen liege keine Irreführungs- bzw. Erschleichungsabsicht im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG durch den Beschwerdeführer vor.

Weiters wendet sich die Beschwerde gegen die Annahme der belangten Behörde, wonach infolge des Beschlusses des serbischen Innenministeriums vom 18. August 1994 hinsichtlich des Beschwerdeführers keine Staatenlosigkeit eingetreten sei. Der jugoslawische Reisepass des Beschwerdeführers habe nämlich im Jahr 1998 seine Gültigkeit verloren; die Ausstellung eines neuen Passes sei von der jugoslawischen Botschaft verweigert worden, da der Beschwerdeführer seiner Wehrpflicht in Jugoslawien nicht nachgekommen sei. Es sei daher vom Status der Staatenlosigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.

Gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG kann die Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens von Amts wegen verfügt werden, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist. Der Beschwerdefall gleicht im Hinblick auf diesen Wiederaufnahmetatbestand jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2008, Zl. 2008/01/0212, zu Grunde lag, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen wird (vgl. zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom 19. März 2009, Zl. 2008/01/0496).

Demgemäß kann der belangen Behörde im Beschwerdefall nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausging, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Verleihung objektiv unrichtig angegeben hat, er habe in der Zwischenzeit keine gerichtlich strafbaren Handlungen gesetzt.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, Irreführungsabsicht liege insofern nicht vor, als die belangte Behörde zu diesem Zeitpunkt von den damals bereits bestehenden Verurteilungen des Beschwerdeführers gewusst habe, ist Folgendes entgegen zu halten:

Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt geht hervor, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 10. November 1993 wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von öS 6.000,-- sowie mit Strafverfügung des Bezirksgerichts Bregenz vom 17. Februar 1995 wegen desselben Vergehens ebenfalls zu einer Geldstrafe von öS 6.000,-- verurteilt wurde. Diese Verurteilungen waren der belangten Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des Verleihungsbescheides (bzw. schon im Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides) bekannt. Daraus lässt sich für den Beschwerdeführer jedoch insofern nichts gewinnen, als sich seine unrichtigen Angaben am 13. Dezember 1999 auf die später ("in der Zwischenzeit") gesetzten - nach den Feststellungen im Urteil des Landesgerichts Feldkirch den Zeitraum 15. Jänner 1996 bis 18. Februar 2001 umfassenden - strafbaren Handlungen bezogen. Diese strafbaren Handlungen waren der belangten Behörde nach der Aktenlage im Zeitpunkt der Erlassung des Verleihungsbescheides nicht bekannt (bzw. wird das auch in der Beschwerde nicht behauptet).

Weiters erweist sich das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe bei Abgabe seiner schriftlichen Erklärung am 13. Dezember 1999 insofern nicht in Irreführungsabsicht gehandelt, als er ausdrücklich nur nach weiteren strafgerichtlichen Verurteilungen bzw. verwaltungsstrafrechtlichen Erkenntnissen gefragt worden sei und deren Vorliegen wahrheitsgemäß verneint habe, schon deshalb nicht als zielführend, da der Beschwerdeführer nach dem Wortlaut der von ihm unterfertigten Erklärung (auch) eindeutig angab, "in der Zwischenzeit weder eine gerichtlich strafbare Handlung noch eine verwaltungsstrafrechtliche Handlung gesetzt" zu haben. In Ansehung der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG aF war diese Erklärung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft relevant.

Die belangte Behörde konnte daher zu Recht von objektiv unrichtigen, in Irreführungsabsicht getätigten und somit den Erschleichungstatbestand des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG erfüllenden Angaben des Beschwerdeführers ausgehen.

Im Übrigen konnte die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens selbst im Falle des - vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme im Zuge des Parteiengehörs angedeuteten und in der Beschwerde behaupteten - zwischenzeitig eingetretenen Verlustes der serbischen bzw. jugoslawischen Staatsbürgerschaft verfügt werden, da nach dem Wortlaut des § 24 StbG die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG auch dann zulässig ist, wenn der Betroffene dadurch staatenlos wird (vgl. Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht, 7. Auflage (2006) S. 169).

Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides begegnet demnach keinen Bedenken.

3. Zum Widerruf der Zusicherung und der Abweisung des Verleihungsantrages:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt im zitierten Erkenntnis vom 19. März 2009, Zl. 2008/01/0496, festgehalten, dass ein vor In-Kraft-Treten der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 erlassener Zusicherungsbescheid durch die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens wieder rechtswirksam wird und daher das wiederaufgenommene Verfahren (bestehend aus Widerruf der Zusicherung und Abweisung des Verleihungsantrages) gemäß § 64a StbG nach der alten Rechtslage zu Ende zu führen ist.

Fallbezogen ergibt sich daraus, dass die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen mehrerer Vorsatztaten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auch nach der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 2 StbG aF ein Verleihungshindernis darstellt.

Die in der Beschwerde geäußerte Ansicht, der angefochtene Bescheid widerspreche dem Doppelbestrafungsverbot, ist insofern verfehlt, als die Abweisung eines Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft keine Strafe darstellt.

Im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen wurde mit dem angefochtenen Bescheid auch weder eine Ausweisung noch ein Aufenthaltsverbot verfügt.

Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides begegnen demnach ebenfalls keinen Bedenken.

4. Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. Mai 2009

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