Normen
AVG §45;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2010:2008220776.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. Februar 2008 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 14. Juni 2005 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 und § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 19. Juni 2004 mit einem bis 19. Juli 2004 gültigen deutschen Visum nach Deutschland gereist, dann nach Österreich weitergereist und seit 28. Juni 2004 durchgehend in Wien gemeldet sei. Am 4. März 2005 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet.
Auf Grund der nunmehr geltenden Rechtslage sei der Antrag als solcher auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zum Zweck der Familiengemeinschaft gerichtet zu werten. Die Zusammenführende sei die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers.
Gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG dürfe einem Fremden kein Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption vorliege. Am 20. September 2006 habe die Bundespolizeidirektion Wien mitgeteilt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers eingestanden hätte, mit dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen zu sein. In der Folge habe die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 22. November 2007 ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Nach einer eingebrachten Berufung sei das Verfahren in zweiter Instanz anhängig. Im Fall des Beschwerdeführers liege eine Aufenthaltsehe vor, weshalb gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG zwingend ein Aufenthaltstitel zu versagen sei.
Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 18. Juni 2008, B 611/08-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zu Recht Verfahrensmängel vor. Die belangte Behörde hat ihre Feststellung über das Vorliegen einer Aufenthaltsehe allein damit begründet, dass die Bundespolizeidirektion Wien mitgeteilt habe, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers die Aufenthaltsehe eingestanden hätte; weiters berief sich die belangte Behörde auf ein nicht rechtskräftiges Aufenthaltsverbot.
Der Beschwerdeführer hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten und dazu Beweisanträge gestellt.
Die belangte Behörde hat weder eigene Ermittlungen vorgenommen noch eine eigene Beweiswürdigung durchgeführt.
Soweit sie sich in der Bescheidbegründung auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, 2007/18/0561, beruft, verkennt sie dessen Inhalt. Der Gerichtshof hat ausgesprochen, dass es zulässig ist, Ermittlungen anderer Behörden zu verwerten. Es ist jedoch nicht zulässig, die bestrittene Tatsache einer Aufenthaltsehe allein mit dem Vorliegen eines nicht rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes zu begründen. Auch ein bloßer Hinweis auf eine entsprechende Mitteilung der Fremdenpolizeibehörde kann eine eigenständige Beweiswürdigung nicht ersetzen.
Da die belangte Behörde schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 5. Oktober 2010
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